Bulle bleibt Bulle - Ein Hamburg-Krimi. Ben Westphal. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ben Westphal
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754161807
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könnten. Doch als jetzt und schon wieder aus derselben Richtung zwei Männer um die Ecke biegen, die sich mehrfach umschauen und so wirken, als wenn sie sich hier weder auskennen, noch wirklich wissen wo sie hinmüssen, wird Hüseyin unruhig.

      Er zieht sein Telefon aus der Mittelkonsole und beginnt hektisch in den Kontakten nach der Rufnummer von Cemal zu suchen. Er ruft ihn so selten an, weil er zumeist im Café International verweilt oder aber Cemal ihn anruft, wenn er ihn braucht.

      Hüseyin ist sich sicher, dass er ihn unter ccc abgespeichert hat in dem Telefon und wählt die Nummer.

      Nach wenigen Freizeichen geht Cemal ans Telefon. «Was ist los?»

      «Chef, hier Leute gekommen sind. Erst eine Frau, dann eine Frau und eine Mann und jetzt noch einmal zwei Männer. Ich glaube, die sind Polizei.»

      «Mit was für Autos sind die gekommen?», antwortet Cemal und schaut aus einem zur Straße gerichteten Fenster.

      «Ich nichts gesehen haben. Die kamen zu Fuß. Aber alle aus gleiche Richtung», antwortet Hüseyin.

      Cemal rennt vom Fenster zur Wohnungstür und schaut durch den Spion. Vorsichtig blickt er durch das Loch und späht in den Flur hinein.

      «Kommen noch mehr, Hüseyin?», fragt er aufgeregt flüsternd ins Telefon.

      «Nein. Ich sehe niemand», antwortet Hüseyin, während er aufgeregt umherschaut.

      Cemal drückt langsam die Türklinke nach unten und öffnet die Tür einen Spalt breit. Im Treppenhaus hört er schleichende Schritte, die er bei geschlossener Tür noch nicht wahrnahm. Es sind definitiv mehrere Personen, die Stufe für Stufe nach oben kommen. Cemal spürt sein Herz bis zum Hals schlagen. Er schließt die Tür wieder vorsichtig und rennt durch die Wohnung, schaut aus dem Fenster, doch die Wohnung liegt zu hoch. Er könnte sich beide Beine brechen oder Schlimmeres antun, wenn er springen würde. Cemal fasst einen Entschluss und beginnt das Wohnzimmer weiter zu durchsuchen. Am besten er findet die Ware vor den Bullen und schmeißt sie aus dem Fenster. Hüseyin kann den Stoff dann wegschaffen. Niemand wird ihm dafür etwas nachsagen können, dass er sich in der Wohnung eines Freundes aufhält. Aber, wenn die Bullen jetzt zu Flo kommen, dann müssen sie ihn ja gepackt haben. Aber wie soll er ihnen erklären, warum er in einer komplett durchwühlten Wohnung sitzt? Cemal grübelt über glaubwürdige Erklärungen, dabei wendet er sich vom Fernsehschrank ab und macht kehrt. Er rennt ins Schlafzimmer, schiebt den Schrank so leise es geht zurück an die Wand und beginnt die Kleidung von Flo wieder hineinzuwerfen. Hauptsache die Wäsche kommt runter vom Bett und es sieht hier einigermaßen normal aus, denkt sich Cemal. Er wird sich dann einfach auf die Couch werfen und vorher die Spielekonsole starten. Und falls die Bullen doch noch etwas finden in der Bude, dann wird Flo das auf sich nehmen müssen, dafür wird Cemal schon Sorge tragen.

      Im vierten Obergeschoss des Hauses angekommen, legt Ernie die Sporttasche mit der Ramme auf den Boden und öffnet vorsichtig den Reißverschluss. Das Ratschen der Zähne, die auseinandergezogen werden, hallt dabei leise durch das Treppenhaus und stört die Stille, die sich nach der Ankunft auf der Etage langsam aufgebaut hat.

      An der Klingel zur Wohnung steht in großen Buchstaben der Name KÖHLER. So ziemlich das einzige Klingelschild im Haus, das von einem Namen geziert wird. Obwohl in der einen oder anderen Wohnung auch Familien wohnen dürften, worauf man anhand der Anzahl und Größe der Schuhe vor den Türen schließen kann.

      Ernie übergibt die schwere Ramme an Bert, der die kühlen Stahlgriffe mit beiden Händen ergreift und sich mit sicherem Stand vor der Wohnungstür aufbaut. Scotty, Kuno, Blondie und Ernie stellen sich hinter ihm auf und Scotty gibt Bert ein Zeichen, dass sie bereit sind.

      Bert zielt zwei Mal mit der Ramme an, holt aus und schlägt gegen das Türblatt. Die Zarge reißt ein und wird mit dem folgenden Schlag endgültig gebrochen. An Bert laufen die anderen vier mit gezogenen Waffen vorbei in die Wohnung.

      «POLIZEI! POLIZEI! STOPP, NICHT BEWEGEN!», dröhnt es in den Hausflur hinaus. Bert tritt nun auch in die Wohnung ein und folgt seinen Kollegen.

      «ICH WILL DIE HÄNDE SEHEN! AUF DEN BODEN! AUF DEN BODEN!», schreit Blondie aus dem Wohnzimmer.

      «Was ist denn hier los? Leute, Leute, entspannt euch mal», sagt eine erschrockene, aber dennoch ruhige Stimme aus dem Wohnzimmer.

      Bert schließt die Tür zum Treppenhaus und stellt die Ramme davor auf dem Boden ab, so dass die Tür sich nicht mehr von alleine öffnet. Einen Moment später geht er zum Wohnzimmer.

      Am Boden liegt ein glatzköpfiger Mann, dem durch Kuno gerade die Handschellen auf dem Rücken angelegt werden.

      18

      Katalonien ist eine Region, die keine Grenzen kennt. Weder in der Lebensfreude seiner Einwohner noch in den staatlichen Vorstellungen. Die Europäische Union war aus Sicht der Katalanen der erste Schritt in die richtige Richtung. Man hat neben der Sprache eine gemeinsame Währung und die Möglichkeit zwischen dem spanischen und dem französischen Teil zu pendeln, ohne die Furcht vor Grenz- oder Zollkontrollen. Auch wenn weder die Franzosen noch die Spanier Katalonien als eigenen Staat anerkennen wollen, so ist man nicht nur im Geiste vereint. Man kann sich dank der Reisefreiheit und der gemeinsamen Währung durch ganz Katalonien bewegen, als wäre es ein eigenständiger Staat.

      Die Frühjahrssonne über der spanisch-französischen Grenze ist bereits kräftig. Umso mehr kann man sich darüber freuen, dass man keine langen Wartezeiten für Grenzkontrollen zu erwarten hat.

      Auch für die Lasterfahrer ist die Zollunion von Europa ein wahrer Segen. Sie mussten früher an jeder Grenze viel Geduld und Zeit mitbringen. Doch heute erkennt man die Grenzen zumeist nur noch an den Begrüßungsschildern der verschiedenen europäischen Staaten, gelegentlich an ungenutzten Grenzposten.

      Pawel Kaminski sitzt in dem blauen Führerhaus seines Sattelschleppers und wird gerade durch ein solches Schild auf der französischen Seite Kataloniens begrüßt.

      Auch er freut sich jedes Mal, wenn er ein solches Schild sieht, denn er kennt auch noch die anderen Zeiten, als die Grenzen zu vielen Ländern noch nicht offen waren. Er musste in jedem Land immer erst einmal Geld tauschen, um sich etwas zu essen kaufen zu können.

      In der Fahrerkabine läuft im steten Wechsel polnische Folklore und deutscher Schlager. Beide Musikrichtungen erfüllen ihn mit Energie und guter Laune. Gerne singt er die Lieder lauthals mit und klopft dazu auf dem Lenkrad im Takt. Dabei behält er stets den Blick konzentriert auf der Straße. Er hat schon vieles gesehen und erlebt auf Europas Straßen. Auch an Stellen, wo man keine Erklärung dafür hatte, wie es dort überhaupt zu einem Unfall kommen konnte.

      Der Mensch macht Fehler vor allem am Steuer, das weiß Pawel und darum achtet er auf seinen Vordermann und hält den nötigen Abstand ein.

      Gelegentlich überholt ihn ein skandinavischer Sattelzug, der zwei, drei Kilometer pro Stunde schneller unterwegs ist. Kamil selber findet diese Manöver unnötig, auch wenn er weiß, dass manche der Kollegen überholen, um ein wenig Abwechslung in den Fernfahreralltag zu bekommen.

      Pawels Laster rollt einfach so dahin, immer gleich schnell und immer auf der rechten Spur.

      Wenige Kilometer entfernt in Perpignan nimmt gerade Jaques Lebrédonchel den Platz am Schreibtisch ein und kontrolliert sein E-Mail-Postfach. Wie erwartet leuchtet dort bereits eine E-Mail von Claire fettgedruckt als Neueingang auf.

      Er klickt die E-Mail an und liest sie sich geruhsam durch.

      Währenddessen öffnet er auf dem Bildschirm das polizeiliche Kennzeichenerfassungssystem und gibt das erhaltene deutsche Kennzeichen dort ein. Bevor er auf die Eingabetaste drückt, steht er aber erst einmal auf und holt sich eine Tasse aus der Büroküche, um sie mit einem Café au lait an der Kaffeemaschine zu befüllen. Diese keucht und rauscht als würde sie gleich abheben, doch am Ende wird ein genießbarer Café au lait dabei herauskommen, auf dessen Genuss sich Jaques bereits freut.

      Mit der Tasse geht er zurück an seinen Platz, drückt die Eingabetaste und lehnt sich im Stuhl zurück, um den ersten Schluck zu sich zu nehmen.

      Doch