Bulle bleibt Bulle - Ein Hamburg-Krimi. Ben Westphal. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ben Westphal
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754161807
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rechts abbiegen. Halt an. Ich steige hier aus. Stell dich so auf, dass du mich warnen kannst, wenn die Bullen kommen. Am besten dort hinten. Da sehen sie dich nicht sofort. Ich bin in Nummer 22. Verstanden?», fragt Cemal nachdrücklich seinen Fahrer und zeigt dabei auf die Hausanschrift, in die er gleich gehen will. Dieser nickt und blickt zu der Parkbucht, in die er rückwärts einparken wird, um alles im Blick zu behalten.

      Während er noch schaut, entnimmt Cemal bereits aus der Mittelkonsole ein Schlüsselbund und steigt aus dem Fahrzeug aus. Mit schnellen Schritten läuft er zu der Anschrift und öffnet mit dem Schlüsselbund die Hauseingangstür. Er sprintet die Treppe hoch und bleibt an einem Treppenfenster stehen. Dort schaut er prüfend aus dem Fenster, ob ihnen jemand gefolgt ist oder sie beobachtet werden. Zwar hält er stets die Augen für Verfolger offen, doch heute fühlt er eine besondere Nervosität. Ein Unbehagen, das ihm Sorge bereitet. Zuletzt verspürte Cemal dieses Gefühl im Herbst, als er Faruk, ihren Bunkerort für Kokain und Marihuana und den besten Abnehmer an die Bullen verlor, wodurch er wieder von ganz unten anfangen musste.

      Ein Glück für Cemal, dass ihm die Albaner zur Seite standen und ihn mit Lieferungen unterstützten, die er in vollem Vertrauen zu guten Preisen auf Kredit erhielt. Die Geschäfte liefen wieder an und er begann auch ohne Faruk gutes Geld zu verdienen.

      Cemal zieht aus der Hosentasche ein Smartphone und entsperrt den Bildschirm. Noch immer keine Nachricht von Roadrunner. Er wird den Bunker leerräumen. Nur zur Sicherheit. So etwas wie im Herbst darf in dieser Situation nicht noch einmal passieren. Nicht mit einer Ware, die noch nicht bezahlt ist. Und vor allem nicht mit den Albanern, die auf ihr Geld warten. Außerdem würde es die gesamte nächste Lieferung gefährden, die ihm bereits in Aussicht gestellt wurde.

      Cemal reißt sich aus seinen Gedanken und blickt noch einmal über den Parkplatz vor dem Gebäude. Ihm fallen keine Fahrzeuge oder Personen auf, die ihm verdächtig erscheinen könnten. Er sieht nur ein paar halbstarke Jugendliche, die in weiten Jogginghosen und Kapuzenpullovern breitbeinig die Straße hinablaufen.

      Cemal wendet sich vom Fenster ab und streift mit der linken Hand den Schweiß von seiner Glatze, der sich auf der glatten Haut inzwischen gebildet hat.

      Von dem Treppenhaus geht jeweils immer eine Etage mit mehreren Wohnungen ab. Ein breiter Flur liegt zwischen den versetzten Eingangstüren. An kaum einer Tür ist der Nachname der Mieter verzeichnet. Davor stehen auf Schuhbänken diverse Turnschuhe oder Stiefel, die auf Grund ihrer Farbe oder Form vereinzelt Rückschlüsse auf die Bewohner zulassen. Gelegentlich steht auch ein Kinderwagen oder Buggy vor der Tür.

      Cemal weiß genau, zu welcher Tür er gehen muss. Er schleicht direkt auf sie zu und sucht am Schlüsselbund den passenden Schlüssel hervor. Er steckt ihn in das Schloss, dreht ihn bis es zwei Mal laut klackt und sich die Tür mit einem leichten Quietschen öffnen lässt.

      Scotty und ihre Kollegen sitzen inzwischen im Dienstwagen und jagen durch Hamburgs Straßen. Das Blaulicht auf ihrem zivilen Dienstwagen ist für viele Verkehrsteilnehmer schwer zu erkennen und sie machen nur verhalten Platz. Dennoch kurvt Scotty den Wagen gekonnt durch die aufbrechenden Gassen, während Ernie und Bert sich an allen verfügbaren Griffen im Fahrzeug festhalten.

      Sie haben ihr gerne den Vortritt gelassen. Keiner fährt schneller und sicherer als sie und es liegt immerhin Gefahr im Verzuge vor.

      Nachdem sie von der Autobahn abgefahren sind, passieren sie zunächst die Fischbratküche, wo alle Köpfe der Gäste dem blau aufblinkenden Zivilwagen aufmerksam mit ihren Blicken folgen. Scotty nimmt das Blaulicht vom Dach, als sie den Weg in Richtung der Veddel eingeschlagen haben. Ein wenig will sie sich das Überraschungsmoment für die Durchsuchung bei Florian Köhlers Wohnung aufsparen. Sie passieren die Kehre an der die Wohnanschrift liegt und fahren ein paar hundert Meter weiter. Scotty parkt direkt hinter dem Dienstwagen von Kuno und Blondie ein, stellt den Motor ab und öffnet die Fahrertür. Während Ernie und Bert sich für einen Moment blasshäutig anschauen und durchschnaufen, steigt Scotty aus dem Fahrzeug aus und setzt sich in den Fahrzeugfond von Kuno und Blondie.

      «Hallo. Da sind wir schon», begrüßt sie die beiden fröhlich.

      «Das ging ja flott», antwortet Blondie. «Wie ist dein Plan?»

      «Ich gehe vor und öffne die Haustür. Dann gebe ich euch Bescheid und ihr sickert in das Haus nach und nach ein. Wir treffen uns im Treppenhaus und suchen die Wohnung.»

      Kuno und Blondie schauen jeweils über ihre Schulter auf die in der Mitte der Sitzbank hockende Scotty, die konzentriert ihre Vorstellungen erläutert.

      «Einverstanden. Also wartet keiner draußen und schaut, ob jemand durch das Fenster flüchtet?», fragt Blondie.

      «Nein. Sonst sind wir in der Wohnung zu wenige. Wir rammen und betreten zügig die Wohnung. Und wer soll schon weglaufen. Köhler sitzt ja warm und trocken bei uns», erklärt Scotty und nickt den beiden Kollegen zu. Anschließend steigt sie auf der Beifahrerseite aus, um direkt auf den Fußweg zu gelangen. Sie geht entgegen der Fahrtrichtung zur Kehre, in der auch der Hauseingang liegt.

      Aus ihrer Zeit bei operativen Einheiten ist sie es noch gewohnt ohne Schlüssel in unterschiedlichste Haustüren zu gelangen. So konnte sie besser und konspirativer, manchmal auch einfach nur trockener, gegenüberliegende Wohnungen oder Lokalitäten beobachten. Kaum ist sie an der Hausnummer 22 angekommen und hat ihr Öffnungswerkzeug angesetzt, ist die Tür auch bereits offen. Als wäre es das Normalste der Welt, betritt sie das Treppenhaus. Niemand, der sie dabei beobachtet, würde Argwohn empfinden und davon ausgehen, dass sie diese Tür ohne rechte Mittel geöffnet hat.

      Während sie in das Haus geht, steckt sie ein kleines Stück Pappe in die Tür. Das Schloss der Tür kann dadurch nicht mehr in die Falle schnappen, sie schließt jedoch trotzdem und bleibt nicht offen stehen.

      Über Funk gibt sie die Freigabe an Ernie und Bert sowie Blondie und Kuno, dass sie nach und nach kommen können.

      Ein paar Etagen weiter oben läuft Cemal aufgeregt durch die Wohnung von Florian Köhler. Zunächst ging er vorsichtig vor und öffnete lediglich die Schränke, schaute unters Bett und in die Abstellkammer. Immerhin könnte es ja auch andere Gründe geben, dass sich Roadrunner nicht mehr bei ihm meldet.

      Doch nach und nach wird Cemal ungeduldiger, weil er einfach nicht finden kann, wonach er sucht. Die Furche zwischen seinen buschigen Augenbrauen wird immer tiefer. Der Gesichtsausdruck trägt eine Mischung aus Wut, Verzweiflung und Furcht. Warum erzählte Flo ihm auch nicht, wo er die Ware lagert. Cemal greift im Kleiderschrank nach den Kleidungsstücken und beginnt sie auf das Bett zu werfen, nachdem er jedes Einzelne ordentlich geschüttelt hat. Wo mag der Kerl die Kilogrammpakete nur versteckt haben. Sie sind zwar nicht so ausufernd wie Marihuana, das bei einem Kilogramm eine ganze Einkaufstüte ausfüllen kann, aber immerhin noch so groß wie eine Packung Mehl. Und davon sucht er schließlich gleich mehrere. So ein Paket kann man doch eigentlich kaum so gut verstecken, dass er sie nicht finden kann. Auch weil die Wohnung so leer und aufgeräumt wirkt. Flo hat kaum Möbel in den zwei Räumen stehen, die er zur Verfügung hat. Ein Bett, einen Schrank und einen Schreibtisch im Schlafzimmer. Eine alte, speckige Ledercouchgarnitur und einen großen LCD-Fernseher im Wohnzimmer, der auf einem flachen Fernsehschrank steht. Nachdem Cemal im Wohnzimmer den gesamten Schrank ausgeräumt und von der Wand weggezogen hat, blickt er noch einmal kopfschüttelnd im Schlafzimmer auf den Wäscheberg, den er auf dem Bett angehäuft hat. Er wendet sich ab und geht wieder ins Wohnzimmer.

      Am Ende der Parkbucht sitzt der Fahrer von Cemal in seinem weißen SUV und beobachtet den Eingang zur Anschrift. Eine ganze Weile passierte gar nichts. Niemand verließ die Anschrift oder betrat sie. Doch vor kurzem kam eine Frau mittleren Alters, mit schnellen Schritten um die Ecke gelaufen. Sie trug einen Rucksack und wirkte so, als wenn sie ganz genau wüsste, wohin sie gerade will. Sie zog etwas im Sonnenschein Aufblitzendes hervor, was Hüseyin auf Grund der Entfernung nicht genau erkennen konnte und betrat kurz darauf die Wohnanschrift.

      Schon wenige Momente darauf folgten ein etwas älterer Mann mit grau meliertem Vollbart und kräftiger Figur, in Begleitung einer wasserstoffblondierten Frau, die schon einige Stunden ihres Lebens im Solarium verbracht haben dürfte. Die Frau war deutlich jünger