Mirabella stutzte. „Echt? Möglich“, das war eine ganz neue Variante, über die sie nachdenken musste. „Was meinst du, wie man euch mit Futter helfen könnte?“
„Verhandlungen mit dem Norden, würde ich sagen.“
„Aber das wollen die Götter nicht.“
„Ich weiß.“
„Und was ist mit den Veden?“
„Wir vertragen die exotischen Pflanzen nicht, leider. Meine Freunde und ich haben schon ein paar Mal nachts auf irdischen Wiesen gegrast, aber die Gefahr ist riesig gesehen zu werden, in großem Maßstab können wir das nicht machen.“
„Ich verspreche, ich werde eine Lösung finden, wir müssen eine finden!“
„Danke, Mirabella, ich weiß, dass du uns helfen willst.“
Palatina landete sanft in der Nähe ihrer Herde und blieb stehen. Sie drehte ihren Kopf und riss sich mit dem Maul eine kleine taubenflügelgroße Feder aus dem linken Flügel und streckte den Kopf zu Mirabella. „Nimm diese Feder von mir. Wenn du mit ihr meinen Namen schreibst, werde ich zu dir kommen, sofern ich kann.“
„Oh, danke!“, rief Mirabella begeistert. „Leider kann ich dir gar nichts geben, womit du mich rufen kannst.“
„So ist es nicht gedacht, das Pferd kommt zu seinem Herrn oder seiner Herrin.“
„Ich bin deine Herrin?“, fragte Mirabella erstaunt.
„Wenn du es willst.“
„Ich möchte deine Freundin sein.“
„Und ich die deine.“
Glücklich stieg Mirabella ab, streichelte Palatinas Hals und kraulte sie noch etwas an den Ohren, als Minerva sie rief.
Mirabella verstaute die kleine Feder in ihrer Hosentasche und schritt zu den drei Göttinnen, Palatina folgte ihr.
„Wir sind hier für heute fertig, wir gehen jetzt.“
Alle verabschiedeten sich und die vier Olympier stiegen in die von Diana kreierte Blase.
„Habt ihr eine Lösung gefunden?“, fragte Mirabella neugierig.
„Noch keine endgültige“, sagte Vesta etwas ausweichend, „vorerst werden wir Energie sparen müssen und Zusatzfutter generieren.“
„Schon wieder Energie sparen, das passiert ständig!“, platzte es aus Diana raus. „Wieso können die anderen eigentlich nicht haushalten?“
Minerva sah Diana missbilligend an, schien jedoch inhaltlich nichts auszusetzen zu haben. „Viele Olympier leben über ihre Verhältnisse, es wird zu viel teleportiert und mehr Energie verschwendet als generiert. Auch solche Feiern, wie die im letzten Monat, müssten in einem gemäßigteren Rahmen stattfinden, aber ‚das wäre unter unserer Würde‘ findet Jupiter.“
„Unser Kurs das ganze Jahr ist dann wahrscheinlich auch sehr aufwendig, oder?“ Jeder Schüler wurde teleportiert, der Unterricht fand außerhalb der normalen Zeit statt, da die meisten Eltern anfangs nichts über die wahre Herkunft ihrer Kinder wussten. Zahlreiche Simulationen und Besuche der Zwischenwelten schrieb der Stundenplan zudem vor.
„Euer Kurs ist jedes Mal der Supergau, aber er findet ja nur alle paar Jahre statt.“
„Werden dann die Kampfübungen mit Mars ausfallen?“, Mirabella hätte sich gefreut, wenn sie Mars nicht regelmäßig sehen musste, allerdings würde sie das Training mit ihren Freunden vermissen.
„Nein“, sagte Diana bestimmt, „sie sind wichtig, aber sie werden wohl hauptsächlich in den Zwischenwelten stattfinden, allerdings unter Aufsicht, nicht so wie euer Abenteuer heute Nachmittag.“
Da bei diesem Treffen nichts mehr zu tun war, wurde Mirabella zurück nach Sansibar geschickt. Weil sie selbst auf einen Blasentransport bestanden hatte, um Energie zu sparen, flog sie zu der Insel. Minerva gab ihr jedoch Athena mit, da es bereits fast Mitternacht war und Mirabella wahrscheinlich nie allein die Insel, geschweige denn das Hotel gefunden hätte. Der kleine Steinkauz hatte bereits am Anfang ein paar Wochen bei Mirabella gelebt und erkundigte sich nun nach Bert und war erfreut zu hören, dass Maya und Bert Nachwuchs hatten. Mirabella war etwas traurig, die allererste Zeit zu verpassen, aber in zwei Wochen würden die drei kleinen Beos auch noch nicht flügge sein.
Mirabellas Eltern saßen noch auf der Veranda ihres Strandbungalows, als sie in ihrer Blase heran schwebte. Da sonst niemand zu sehen war, verabschiedete sie sich von Athena und stieg direkt neben ihren Eltern aus.
„Guten Abend!“
Yasmin und Marcus schraken leicht auf, dann lachten sie erleichtert. „Ich hab mir schon Sorgen gemacht. Alles gut?“
Mirabella nickte grinsend und holte die weiße Feder aus der Tasche. „Ich habe eine neue Freundin!“
4 – DIE GEBURTSTAGSÜBERRASCHUNG
Am nächsten Tag schlief Mirabella aus. Als sie verschlafen nach ihrem Amulett um den Hals fingerte und nichts fand, saß sie plötzlich kerzengerade im Bett, bis ihr einfiel, dass sie Nikolaos ihr Amulett ausgeliehen hatte. Sie wusste, dass es in guten Händen war, sie vertraute ihrem Bruder, sie hätte ihm ihr Leben anvertraut, aber dennoch war ihr nicht wohl dabei, Jupiters Haar nicht griffbereit zu haben. Ihr Blick fiel auf das Buch über den Großen Krieg und sie beschloss, baldmöglichst darin zu lesen, auch wenn heute ihr Geburtstag war. Heute war ihr Geburtstag? Mirabella lächelte, sprang aus dem Bett und lief auf die Terrasse, wo ihre Eltern saßen.
„Guten Morgen, Schlafmütze!“, grüßte Marcus, dann gratulierten ihr beide stürmisch, Yasmin hatte einen wundervollen Frühstückstisch mit lokalen Spezialitäten gedeckt. Mirabella aß genüsslich die frischen Früchte, während sie ihre Geschenke auspackte. Das Hauptgeschenk, wie Yasmin es nannte, war eine kleine Armbanduhr mit braunem Lederarmband und hübschem Zifferblatt.
„Oh, danke, eigentlich brauche ich gar keine Uhr – mit dem Handy, aber die ist echt schön.“
Yasmin lächelte. „Sie ist nicht nur hübsch. Wir haben Greta gebeten, mit deinem Vater zusammen eine Uhr zu schenken, welche die irdische und die kosmische Zeit anzeigt.“
„Was? Wow!“ Mirabella betrachtete erneut die Uhr. Sie erinnerte sich, dass Jupiter eine Kugel bei sich trug, die ihm die kosmische Zeit anzeigte.
„Ich hoffe, Jupiter erklärt mir das noch mal, wie das funktioniert.“
„Das hoffe ich auch, ich habe es nämlich nicht verstanden…“, gab Marcus lachend zu.
Mirabella umarmte beide vergnügt und packte noch ein paar Kleinigkeiten aus.
„Mirabella, macht es dir etwas aus, wenn wir heute noch mal für zwei Stunden zum Gewürzmarkt gehen? Ich weiß, es ist dein Geburtstag, aber übermorgen fliegen wir schon heim und morgen fahren wir zum Nationalpark.“
„Klar, kein Problem, ich lese bisschen, heute brauche ich einen ruhigeren Tag als gestern!“
„Oh, aber ein bisschen Action gibt es nachher mit den Delphinen schon, äh, ich meine …“ Yasmin sah betreten zu Marcus, der amüsiert den Kopf schüttelte.
Mirabella musste lachen. „Delphine? Cool, dann kann ich mich jetzt die ganze Zeit darauf freuen!“
Als ihre Eltern gegangen waren, legte sich Mirabella an den Strand und sah auf ihr Handy.
Antonia und Lukas hatten ihr lustige animierte Geburtstagsgrüße geschickt und versprachen eine Party zuhause nach Rückkehr. Die Olympischen Kinder aus ihrer Klasse schickten herzliche Grüße mit Bildern und netten Sprüchen, Lorenzo hatte sich besonders viel Mühe gegeben, nur Nikolaos hatte noch nichts geschrieben. Mirabella starrte enttäuscht aufs Meer, als ihr Handy piepte. Eine Nachricht von Nikolaos.