Mirabella und die Neun Welten. Isabelle Pard. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Isabelle Pard
Издательство: Bookwire
Серия: Mirabella
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754172490
Скачать книгу
ein Stück zurück. Das Wildschwein zog sich quiekend zurück und scharrte verärgert mit seinen Hufen vor dem Felsbrocken.

      „Ich suggeriere jetzt dem Anführer, dass es woanders etwas zum Fressen gibt“, erläuterte Nikolaos und schloss die Augen.

      Durch den Spalt fiel kaum Licht in die Höhle. Mirabella sah sich misstrauisch um, ihr Instinkt gebot Vorsicht. Sie kreierte einen Energieball, der ein warmes Licht in die Höhle warf. Im Schein des Lichtes nahmen die Schatten Gestalt an und sie erschrak mit einem leisen Schrei des Entsetzens. Ein riesiger Stuhl samt Tisch und ein riesiges Bett ließen keinen Zweifel darüber aufkommen, dass dies die Höhle eines riesenhaften Diplopoden, eines Zweifüßlers, war.

      „Was ist?“, fragte Nikolaos irritiert und öffnete die Augen. Sein Blick fiel auf Mirabella, dann auf den Stuhl und zurück zu ihr.

      „Riesen?“

      „Oder ein Zyklop“, antwortete sie schwer. Zyklopen, riesige einäugige humanoide Wesen, waren in der Regel nicht so aggressiv wie die Riesen und hielten sich auch besser an die Vereinbarungen mit den Göttern, aber schwören hätte Mirabella darauf auch nicht wollen. „Wenn es Zyrron oder Pyr wären, wäre es kein Problem, aber wie wahrscheinlich ist das…“

      Kaum hatte sie dies ausgesprochen, erzitterte die Erde. Bam, bam, bam, die Schritte eines riesigen Wesens erschütterten den Boden.

      „Was macht ihr denn hier?“, schnauzte eine rauhe unbekannte Stimme die Wildschweine draußen an. In Riesensprache. Es konnte immer noch ein Zyklop sein, die Monster sprachen jeder ihre eigene Sprache, wie auch die Tiere. Mirabella verstand sie automatisch, das lief über ihre göttliche Hälfte, sie hätte nicht erklären können, wie es genau funktionierte, ihr Gehirn verstand direkt, was gesagt wurde. Die verschiedenen Monster untereinander sprachen jedoch in der Sprache der Riesen, sie stellte ihre Verkehrssprache dar. Riesen und Zyklopen beherrschten meist auch Griechisch oder Latein, wodurch sie sich mit den antiken Helden hatten verständigen können.

      „Zeit zu verschwinden!“, zischte Mirabella und ergriff ihr Amulett, küsste und öffnete es. „Te aper-i!“

      Nikolaos wollte es ihr gleichtun, aber sein Amulett ließ sich nicht öffnen. „Es ist verbogen. Ich schätze, als du mich durch den Spalt gezogen hast.“

      Mirabella sah entsetzt zu ihrem Bruder. „Können wir mit einem zusammen reisen?“

      „Keine Ahnung“, Nikolaos sah nervös zum Spalt, der sich plötzlich vergrößerte. Sie gab ihm ohne weiteres Überlegen ihre Kette. Ihre Eintrittskarte zum Olymp.

      „Benutze sie, mach schnell, ich nehme das Armband.“

      Sie konzentrierte sich auf den Mond und brachte ihn zum Glühen, dann drehte sie ihn dreimal. „Minerva!“

      Verschwommen nahm sie wahr, wie ein Riesenkopf hinter dem Felsen erschien und Nikolaos das Jupiterhaar in der Hand hielt, dann befand sie sich in einem dunklen Raum, nur ihr kleiner Mond am Armband leuchtete. An der Wand machte Mirabella ein Bildnis der Minerva aus und atmete erleichtert aus. „Nick?“

      Wenn alles gutgegangen war, dann sollte Nick nun im Nebenraum, in Jupiters Cella, materialisiert sein. „Mira?“

      Gleichzeitig stürmten sie aus ihren Kammern und fanden sich im Säulengang wieder, jeder mit einem breiten Lächeln der Erleichterung auf dem Gesicht.

      3 - FLÜGELPFERDE IN NOT

      „Interessante Trainingsstunde…“, meinte Nikolaos grinsend.

      „Du wolltest doch immer Abenteuer erleben!“, gab Mirabella zurück. „Das ist doch besser als Dixon Hill oder Blood Bowl?“

      Nikolaos lachte. „Viel besser!“ Er wollte Mirabella den Anhänger aushändigen, als er in der Bewegung innehielt. „Darf ich mir den vielleicht ausborgen, bis meiner repariert ist? Ich bringe ihn so schnell wie möglich zu dir.“

      Sie zögerte etwas. Ohne Jupiters Haar würde sie vielleicht den Olymp nicht betreten können, leichte Panik stieg in ihr hoch, dann nickte sie aber.

      „Klar, ich habe ja noch das Armband, mit dem ich reisen kann.“

      „Danke!“ er lächelte erleichtert. „Was machst du eigentlich an deinem Geburtstag?“, fiel ihm dann ein.

      Mirabella wurde morgen fünfzehn. „Meine Eltern haben eine Überraschung für mich.“

      Nikolaos nickte lächelnd. „Hast du jetzt noch Zeit? Wir könnten ein echt italienisches Eis essen.“

      „Das wäre…“ In dem Moment stand Minerva vor ihnen. Sie hatte den Lehrplan für die Jugendlichen letztes Jahr gestaltet und die meisten Unterrichtseinheiten übernommen. Ihre menschliche Erscheinungsform entsprach der römischen Göttin der Weisheit mit streng hochgestecktem dunklem Haar. Trotz ihrer offiziellen Jungfräulichkeit trug sie meist eine lange Stola über der kurzen Tunika. Ihr Antlitz war schön, es fehlte jedoch jegliches Weiche, Sanfte in ihrer Erscheinung. Auf Helm, Speer und Schild verzichtete sie oft, doch Athena, ihr kleiner Steinkauz, saß meist auf ihrer Schulter, so auch heute. „Guten Abend ihr beiden, was macht ihr denn hier?“

      „Lange Geschichte…“, winkte Nikolaos ab.

      „Ich möchte sie trotzdem hören“, insistierte Minerva mit erhobener Augenbraue.

      Mirabella schilderte von ihrer Absicht gemeinsam zu trainieren, den Energieproblemen im Olymp und dem Angebot von Mars.

      „Unverantwortlich!“, sagte Minerva kopfschüttelnd. „Ich werde mal wieder ein ernstes Wort mit Mars sprechen müssen. Wahrscheinlich hat er euch auch noch im Gebiet der Riesen ausgesetzt?“

      „Zumindest sind wir auf unserer Flucht vor den Wildschweinen in einer Riesenhöhle gelandet, daher haben wir uns auch hierher teleportiert.“

      „Wildschweinen?“

      „Sie sahen so ähnlich aus, aber größer und wilder…“

      „Und fleischfressend“, ergänzte Nikolaos. Minerva nickte und schüttelte erneut verärgert den Kopf.

      „Davor konnten wir aber Aikido trainieren. Oh, da fällt mir ein. Wir haben eine Jakla getroffen, der habe ich Kühe versprochen. Könntest du das Diana ausrichten…“

      Minerva zeigte ihr seltenes Lächeln, das strenge Gesicht wirkte gleich wesentlich liebreizender. „Du kannst ihr das selbst sagen. Wir müssen jetzt sowieso zum Treffen.“

      In diesem Moment fing Mirabellas Mond an zu leuchten. Sie hatte gerade noch Zeit, Nikolaos zu winken, dann stand sie schon im Diana- Tempel auf dem Aventin Hügel, einem der sieben Hügel Roms, ein paar Kilometer weiter.

      „Guten Abend“, grüßte Diana, die Göttin der Jagd. Sie trug eine kurze Tunika, ebenfalls hochgesteckte, mit goldenen Bändern gehaltene blonde Haare. Ihre Schulter zierte ein Bogen, ihr Markenzeichen, an ihrer Seite stand eine kleine braune Hirschkuh, die Mirabella mit sanften Augen anblickte. Die beiden Göttinnen berührten sich zur Begrüßung kurz mit den Fingerspitzen, es kam Mirabella vor, als würde Energie bei der Berührung fließen.

      Im nächsten Moment traf Vesta ein. Sie trug ebenfalls eine Stola und ein Tuch über dem Kopf, ähnlich wie Inderinnen ihren Sari drapieren, wenn der Kopf bedeckt sein soll, oder wie die heilige Maria dargestellt wird. Ihre schulterlangen gelockten dunklen Haare mit dem Pony umrandeten das schöne nicht mehr jugendliche Gesicht. Sie nickte allen freundlich zu, schenkte Mirabella sogar ein Lächeln. Wenn Mirabella eine Eigenschaft zu Vesta einfiel, dann war es Güte. Vielleicht würde sie ihr Urteil auch revidieren müssen, wenn sie Vesta mal in Verhandlungen mit dem Norden gesehen haben würde, wahrscheinlich konnte sie durchaus hart verhandeln. Sie genoss das Vertrauen der Götter, den Kurs zu bestimmen und war auch für die Bewachung der Zwillingsstatue zuständig, sie war sicher eine harte und schwierige Gegnerin, vor allem aber fand Mirabella sie weise und besonnen. Minerva war klug und gebildet, aber geriet leicht in Zorn, etwas, dass sich Mirabella bei