💎 Guten Morgen, mein Herz. Bin gelandet und stehend k. o. – furchtbarer Flug. Warte auf meinen Koffer und denke an dich. Habe die ganze Zeit an dich gedacht ... 💋
Was sollte sie ihm auch mehr mitteilen? Zumindest für den Anfang gab es nichts zu erzählen. Das Kofferband begann zu rotieren und bereits nach den ersten Gepäckstücken sah sie ihren silbernen Alutrolley, hievte ihn herunter und zog den Griff aus.
Ihr Handy piepste.
🏎 Hobbi, ich warte vor der Ankunftshalle. Bis gleich. H.
Hakim. Ihr Herz raste. Victoria hatte sich noch keine Gedanken gemacht, wann und wie sie ihm erklären wollte, dass es tatsächlich endgültig aus war. Als sie durch den Zoll und die Ankunftshalle lief, fühlte sie sich wie in Watte gehüllt, nahm kaum Notiz von den Dingen um sich herum. Im Flugzeug hatte sie Radio gehört. Und wie auf Bestellung lief das Lied, das sie seit vorgestern automatisch mit Magnus verband. Chicago – You’re the inspiration. Ein Ohrwurm. Bis zu dem Moment, in dem sie Hakim draußen durch die Glastür erspähte. Sie öffnete sich und die angezeigten 34 Grad schlugen Victoria wieder entgegen. Hakim hatte sie gesehen und lief auf sie zu. Er nahm sie bei der Hand und drehte Victoria einmal um ihre eigene Achse, als wollte er mit ihr tanzen.
»Schön dich zu sehen ...« Ein breites Lächeln huschte über sein gebräuntes Gesicht.
»Hi ...« Sie lächelte müde und schüchtern zurück. Er winkte einen seiner Bodyguards heran, deutete auf den Koffer und blickte Victoria an. Sie standen sich gegenüber, er hielt ihre Hand, aber war einen Schritt zurückgegangen. Seine goldbraunen Augen musterten sie, er legte die Stirn in Falten.
»Hobbi, was ist mit dir passiert? Du hast dich verändert.«
»Nein, alles wie immer: gleiche Größe, gleiches Gewicht, nicht mehr oder weniger Stress, keine neue Frisur ...«
»Ich sehe es in deinen Augen, deinem Blick ...«
»Ich weiß nicht, was du meinst ...«, log sie. Und sie wusste, dass er ihr ansah, wenn sie log.
»Victoria, wer hat dein Herz geraubt? In deinem Blick liegt plötzlich etwas, das ich sehr lange nicht gesehen habe ...«
»Hakim, können wir das später besprechen? Der Flug war nicht gerade arm an Turbulenzen und ich würde liebend gern erst frühstücken.« Das fängt ja gut an.
»Verzeih, Hobbi. Das war unhöflich von mir. Natürlich.« Er küsste sie auf die Stirn und deutete auf den Wagen, vor dem sie standen. »Komm!«
»Moooment.« Sie hielt die Luft an. »Das ist ein McLaren P1 GTR. Das ist unmöglich ...« Der weiße Supersportwagen glänzte in der noch tief stehenden Sonne und zog einige Blicke auf sich.
»Doch. Wie du siehst.«
»Wow.«
Hakim hielt ihr den Schlüssel hin. »Möchtest du?«
»Später, ich bin so müde, ich setz den Wagen vor die Wand, bevor sich überhaupt eine auftut.«
»Schon gut. Spring rein, mal sehen, ob und wie wir die Jungs abgehängt bekommen.« Er wusste, dass seine Leibwächter notwendig waren, es gab in diesen Tagen zu viele Verrückte auf der Welt und leider auch hin und wieder in seiner Nähe. Aber es konnte nicht schaden, sie ein bisschen auf die Probe zu stellen. Er bog auf die Autobahn ab, beschleunigte.
Victorias Herz schlug bis zum Hals. Sie wurde förmlich in den Sitz gepresst und hielt die Luft an. Hakim lachte laut und rief: »Von Null auf Hundert in 2,8 Sekunden, Null auf Dreihundert in 16,5. Ist das was für dich, Hobbi?«
Victoria schrie nur noch, halb aus Spaß, halb aus Panik. Hakim fuhr wie ein Irrer. Sie zweifelte nicht daran, dass er den Wagen unter Kontrolle hatte, aber nach dem unangenehmen Flug war ihr eigentlich nicht nach einer Schleuderfahrt auf der Autobahn in einem Geschoss, das ihrer Meinung nach auf die Rennstrecke gehörte und nicht in den Straßenverkehr.
Hakim drosselte die Geschwindigkeit und blickte zu ihr hinüber. »Du bist sooo tapfer.«
Er sah, wie blass sie geworden war und lächelte sie aufmunternd an. Im Rückspiegel versuchte er, seine Leibwächter auszumachen, aber von ihnen war weit und breit keine Spur.
»Und du bist so ein Kindskopf!«
Er kicherte. »Hey, werd nicht frech!«
»Ich war immer frech und ich werde immer frech bleiben ...«, gab sie zynisch zurück.
»Hobbi, was ist nur mit dir passiert ...?« In seinem Blick lag Sorge.
»Später.«
Als sie vor den Toren des Palastes ankamen, schwangen diese wie von Geisterhand auf. Die Leibwächter hatten sie vor ein paar Kilometern eingeholt und fuhren hinter ihnen auf das Gelände. Vor Victorias innerem Auge flammten beim Anblick des Arabischen Golfs plötzlich die Erinnerungen an ihren letzten Besuch auf. Sie sah den blauen Himmel, die Palmen, das kristallklare Wasser, schmeckte mit einem Mal das Salz in der Luft, grünen Tee und Granatapfel. Hakim und sie hatten im Sonnenuntergang am Strand gesessen, waren einander ein letztes Mal näher gekommen.
Victoria schüttelte sich. Es war keine unangenehme Erinnerung, aber eindeutig vorbei. Von der Seite lächelte sie Hakim an, er wiegte den Kopf und schwieg. Er schwieg auch, als sie vor dem Palast hielten, er ihr beim Aussteigen behilflich war, seine Angestellten ihn und Victoria begrüßten, er schwieg, als sie durch die kühle Eingangshalle kamen, an den Marmorsäulen vorbeigingen, durch das Portal zum Atrium ins Freie schritten und sich an den Tisch setzten, der bereits für sie gedeckt war. Hakim schüttete ihr einen Kaffee ein und lehnte sich mit seiner Tasse im Stuhl zurück. Und er schwieg.
Erst, als Victoria ihr Croissant aufgegessen und den Joghurt ausgelöffelt hatte, beugte er sich wieder vor, nahm ihre Hand und sah ihr tief in die Augen.
»Hobbi, wer ist es?«
Nun war sie es, die sich zurücklehnte, dabei seine Hand langsam losließ und sich hinter der Kaffeetasse verschanzte.
»Weißt du ... Wenn ich das so einfach sagen könnte. Natürlich hat er einen Namen. Magnus ... Aber das ist nicht, was du meinst. Ich weiß.«
»Also?«
»Er hat mich verzaubert. Völlig in seinen Bann gezogen. War plötzlich da und hat restlos Besitz von mir ergriffen. Einfach so. Und das, ohne es irgendwie zu forcieren. Du würdest sagen: Erwischt!«
Hakim lachte. Obwohl ihm eigentlich nicht zum Lachen zumute war. Das Spiel war aus, er sah Victoria an, dass er sie verloren hatte. Doch er konnte nicht böse mit ihr sein, wie auch? Sie hatten es lose gehandhabt, sich gegenseitig Zeit und Raum gelassen und keinerlei Ansprüche aneinander gestellt. Er hatte ihr Ultimatum verstreichen lassen. Bewusst? Vielleicht. Ärgerte er sich? Nein. War er traurig? Ja.
»Erzähl mir mehr, Hobbi. Oder möchtest du, dass ich aufhöre, dich so zu nennen, Victoria?«
»Du hast mich fast zehn Jahre so genannt, mein eigener Name klingt aus deinem Mund so fremd ...« Ihr war es kalt den Rücken hinunter gelaufen, als er »Victoria« gesagt hatte. »Wenn es dir gefällt, nenn mich gern weiter so.«
»Nichts lieber als das, Hobbi. Magnus also. Klingt so ›groß‹, wenn ich mich an meine spärlichen Lateinkenntnisse erinnere.«
»Du erinnerst dich richtig. Und ja, er ist groß. Und großartig.«
»Du vermisst ihn jetzt schon, hab ich recht?«
»Ja, hast du.«
»Hobbi, warum so verschwiegen?«
»Was soll ich sagen? Ich kenne ihn seit Montag. Aber es ist, als wäre er schon ewig da. Wir sind uns noch nicht einmal wirklich nahegekommen bisher und trotzdem übt er diese wahnsinnige Anziehungskraft auf mich aus. Er ist so zurückhaltend und überlegt. Trotzdem weiß ich, dass ich ihm vertrauen kann und ...«
»Dass