Traumtänzer. M. A. Audren. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: M. A. Audren
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754907252
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unverwüstlich. Oder ein Stern. Ungebunden am Firmament, tausende Lichtjahre entfernt von ätzenden Kunden und doch nah genug um jede Nacht nach dir zu sehen.« Ein kurzer Schauer begleitete ihre Worte und Ellie blickte irritiert um sich. Ihr Vater hatte sich nicht von der Stelle gerührt, doch seine Haltung schien verkrampft. Die Schatten der wenigen Bäume hatten sich über ihn gelegt und als er sprach, war seine Stimme belegt.»Die Sterne sehen einladender aus, als sie sind, Ellie.«»Du sprichst von diesem Mond auf dem es waagrecht Glassplitter regnet, oder?«»So in etwa.« Bevor Ellie den komischen Stimmungsumschwung ansprechen konnte, war er schon wieder verschwunden und Charles winkte Ellie mit dem üblichen Schalk in seiner Stimme zu sich. »Sieh her, das wird dir gefallen.«»Besser als ein Schokoladenstern?«»Wer hat dich nur erzogen, Kind?« Ellie antwortete nur mit einem leisen Kichern, bevor sie an Charles vorbei an das andere Teleskop trat - es war nicht viel größer als ihr eigenes und dabei weitaus mehr von der Zeit gezeichnet. Der bunte Lack hatte durch Jahre in Wind und Wetter seine Farben eingebüßt und schälte sich nun in fadem Grau von dem dunklen Karbon-Chassis.Von außen schien es kaum noch seiner Bezeichnung wert, doch die Linsen des Sternenguckers waren wohl gewartet und offenbarten den Blick auf rot-blaue Nebel die im dunklen All von strahlenden Sternen durchzogen wurden. »Warte, das ist - « Ellie schien kurz überrascht, bevor sich ein zufriedenes Lächeln auf ihren Lippen ausbreitete.»Der Orionnebel!«»Dein Liebling, nicht wahr?«»Du zeigst ihn mir auch ständig, da muss ich ihn ja lieben.« Entgegen ihrer Worte, lag vollkommene Glückseligkeit in ihren Zügen. Heimeliges, mollig warmes Glück, das nur ein Augenblick so simpel wie dieser hervorrufen konnte. Nicht einmal das Rascheln hinter ihr konnte Ellie von dem Anblick losreißen, erst als ihr Vater die Stimme erhob kehrte ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihren eigenen Planeten zurück.»Sieh kurz her, Wildfang, ich habe etwas für dich.«»Für mich?« Sie wollte sich sichtlich nicht von dem Teleskop trennen, aber die Neugier gewann schließlich Überhand und Ellie drehte sich nach ihrem Vater um. Er blickte ihr geradezu erwartungsvoll entgegen, in seinen Händen ein kleines, rundliches Objekt, das sie in der Dunkelheit nicht richtig erkennen konnte. Wieder spürte sie Kälte über sich ziehen, doch sie schüttelte das Unbehagen von sich und starrte lautlos auf das unbekannte Kleinod.»Elena. Vor zwanzig Jahren, kurz nach deiner Geburt, habe ich ein Geschenk bekommen … von jemandem, der mir sehr wichtig war. Er hat seitdem gut auf mich aufgepasst, aber jetzt will ich, dass du ihn bekommst. Er soll dich beschützen wenn ich - er soll einfach auf dich aufpassen, ja?« Vorsichtig nahm Ellie den Gegenstand entgegen und drehte ihn mit wachsender Skepsis in ihrem Griff. Ein Metallring, umwickelt mit rotem Garn, darin ein komplexes Gespinst aus allerlei Fäden und Perlen. Er war alles andere als symmetrisch und die Zeit hatte ihre Spuren hinterlassen - und doch fühlte er sich irgendwie warm an … vertraut.»Ist das … ein Traumfänger?« Nicht, dass sie an solche Dinge glaubte - Ellie war prinzipiell Skeptikerin - aber der Blick ihres Vaters war so ernst, dass sie in ehrfürchtigem Schweigen versank. Sie blickte noch einmal auf das Kleinod, besah jeden Knoten und jedes noch so kleine Detail mit aufmerksamen Augen. Die Berührung sandte ein warmes Kribbeln durch ihre Fingerspitzen und obgleich sie immer noch fror, breitete sich Wärme über ihre Haut. »Dad … Danke.« Als sie wieder auf blickte, hatte er bereits begonnen, ihr Teleskop abzubauen. »Wir gehen schon zurück?«»Ich bin alt, Ellie. Ich kann nicht mehr die ganze Nacht herum tollen, das machen meine müden Knochen nicht mit.« Charles Tonfall war bemüht ernst, aber sein breites Lächeln machte den Effekt schnell wieder wett.»Du willst nur pünktlich zum Bingo zu Hause sein.« Er schaute kurz schuldbewusst drein, räusperte sich und hielt ihr dann auffordernd eine Hand entgegen. Mit einem ergebenen Seufzen packte Ellie das zweite Teleskop und hing es sich über die Schulter. Sie sprintete Charles hinterher, hing sich ein und folgte ihm auf den Pfad von der Lichtung. Langsam stiegen sie den dunklen Hügel hinunter und gingen den erleuchteten Fenstern der Stadt entgegen.Noch am selben Abend schlief Charles ein. Divider Image»Es ist spät … ich werde dann mal ins Bett gehen.« Behutsam schloss Ellie die grünen Fensterläden, versuchte das Chaos an Vorhängen gerade zu richten und warf dabei noch einen letzten, besorgten Blick auf den schlafenden Mann. Er wirkte, als hielte er nur ein Nickerchen. Friedlich schlummernd lag er da, sichtbar nur das regelmäßige Heben und Senken seiner Brust. Ellie ließ sich auf den weichen Futon neben dem Bett sinken und beobachtete wie der Schnurrbart ihres Vaters im Takt seines Atems wackelte - zumindest ein kurzes Lebenszeichen. »Anne hat geschrieben, es scheint ihr gut zu gefallen im Süden. Die Karte sieht aus wie eine Vase und es kleben Plastik-Tulpen drauf, die musst du wenigstens nicht gießen. Ich hab‘ sie auf den Kühlschrank gehängt.« Sie deutete vage hinter sich, natürlich versperrte die Wand den Blick in die Küche, doch geschlossene Augen konnten ohnehin nichts sehen. »Oh und Cain kommt morgen nach der Arbeit vorbei, wir wollen die Trilogie endlich fertig ansehen, das ist doch okay? Ich wollte eigentlich bis zu den Feiertagen warten aber du weißt ja, wie er ungeduldig er ist. Seine Großmutter freut sich bestimmt wenn sie sich auch mal einen ruhigen Abend machen kann.« Wie erwartet kam keine Antwort - das allein wog in ihrer Brust wie tausend Felsen. »Alles wird gut Dad, ja?« Mit einem tiefen Seufzen erhob Ellie sich und zog sich aus dem kleinen Raum zurück. Die Tür schloss sie dabei bedacht vorsichtig - auch wenn sie vor Glück in die Luft gesprungen wäre, wenn der Ärger über eine zuknallende Tür ihn wecken könnte. Sie hatte seine Stimme schon so lange nicht mehr gehört, dass ihr jede Tirade Recht wäre.Ihr Blick fiel auf den Stapel Papiere auf dem Küchentisch: Rechnungen für Untersuchungen und Krankenschwestern über denen sie mittlerweile fast durchgehend brütete. Im Vorbeigehen leerte sie die Überreste ihres erkalteten Tees auf der Anrichte in die Spüle - Ihr Handrücken streifte das Teleskop, das hinter der Tür lehnte … es schien so ungewohnt sauber und ungenutzt in der einsamen Ecke. Ellie bemühte sich, es nicht anzusehen als sie durch den Türrahmen und die nahe Treppe zum Dachboden hinauf schlurfte. Sie nannte den ‚Dachboden‘, der kaum mehr als ein niedriges erstes Stockwerk war, erst seit kurzem ihr Eigen. Charles und sie hatten Wochen damit zugebracht, den verwahrlosten Dachstuhl in etwas Bewohnbares zu verwandeln. Die patzigen Farbstriche und schrägen Fußbodenleisten waren dabei beständige Zeugen ihres handwerklichen Ungeschicks. ‚Damit du etwas mehr Platz hast‘, hatte ihr Vater gesagt, als er eines Abends mit einem Anhänger voll Verputz, Brettern und Nägeln aus dem Baumarkt zurückgekommen war. Sie war der Überzeugung, dass er nur keine Erde mehr auf der Küchentheke wollte und sie und ihre Pflanzen deswegen einen Stock höher abschob. Eben jenen Pflanzen war es zuzuschreiben, dass sie selbst kaum Platz hatte, sich in den weiten Raum hinter der Tür am Treppenende zu schieben. Nicht dass sie sich beschwerte, sie hatte schließlich jedes einzelne Blatt selbst hier einquartiert, aber ein anklagender Blick entkam ihr dennoch als sie beinahe zwei Kakteen und die große Efeutute umstieß, nur weil sie sich auf ihr Sofa fallen ließ. Mit einem zufriedenen Lächeln schob sie eine der Pflanzen etwas zurück und ließ ihre Finger durch die großen Farnfächer gleiten, die von ihrer Decke wachsen zu schienen. Zumindest wurde er jetzt nicht mehr mit Limonadenresten gefüttert - Charles Talente lagen in der Sternenkunde, nicht in der Botanik. Schon waren Ellies Gedanken wieder einen Stock tiefer und sie zog die Hand wieder an sich.‚Die Stationen sind voll genug - wir können keine Plätze verschwenden. Es ist schließlich kein richtiges Koma.‘ Die Erinnerung trieb ihr immer noch die Galle hoch. ‚Beim momentanen Stand der Dinge können wir nichts für ihn tun. Wir müssten erst eine Ursache haben.‘ Energisch unterbrach Ellie ihre Gedanken bevor sie nur noch wütender wurde und versuchte sich abzulenken, indem sie aus dem Fenster starrte. Die Straße konnte sie kaum sehen, nur die viel zu bunten Vorhänge ihres Nachbarn und einige lose Blätter, die der Wind an der Scheibe vorbei trieb. Durch den offenen Spalt ging eine angenehme Brise durch den kleinen Raum und Ellies Blick verfing sich bald an dem alten Traumfänger, der von innen gegen das Fensterglas klopfte. Sachte stand sie auf, trat neben das alte Ding und nahm es in die Hände, beobachtete das komplexe Muster der Fäden in der untergehenden Sonne. Das letzte Geschenk ihres Vaters, kaum zu glauben dass es jetzt schon ein Monat war. Kurz streifte sie ein Gedanke, die Erinnerung an seine Worte, am Abend bevor er in sein Koma fiel, als er das letzte Mal die Aurora sah … bevor sich seine Augen schlossen. Ob er wohl von den Sternen träumte?Sie wünschte nur, sie könnte ihn erreichen.

Divider Image Kapitel 2 - Calea

      Ellie