Auf der Heimfahrt durfte Vito aber nicht ans Steuer, darüber waren die drei Führerschein-Inhaber sich einig. Nach einer heftigen Diskussion auf Italienisch musste Vito einsehen, dass er noch nicht genügend Fahrpraxis hatte. Vito maulte zwar, fügte sich aber.
Die Männer hatten einen Zwischenstopp in Rom geplant, weil Vitos Lieblings- Fußball-Verein „Inter Mailand“ dort am nächsten Tag gegen „AC-Rom“ spielte. Da die Vier erst um Mitternacht dort ankamen, und die Brüder sich in Rom auch nicht auskannten, fuhren sie kreuz und quer durch die Stadt, auf der Suche nach einem günstigen Hotel.
Einer zivilen Polizeistreife war die Rumfahrerei aufgefallen, weil sie mehrmals im Kreis gefahren waren. Plötzlich überholte sie ein dunkler Wagen und die Kelle mit dem roten Stopp-Signal befahl ihnen zu halten.
Ute verstand zwar das Wort „Policia“ aber sonst nichts, von der hektischen Diskussion. Der jüngste Bruder, der am Steuer saß, versuchte den Zivil-Polizisten das Verhalten zu erklären. Dennoch mussten alle aussteigen.
Als die Beamten Vito, sahen, richteten beide Polizisten ihre Pistolen auf Vito und befahlen ihm sich breitbeinig an eine Hauswand zu stellen. Die beiden Brüder und Ute blieben unbeachtet. Nachdem die Beamten Vito abgetastet, und gründlich durchsucht hatten, durften alle wieder einsteigen. Dann loste die Polizei die Vier zu einem einfachen Hotel.
Der Schreck saß ihr noch lange in den Gliedern darüber, dass die Polizei ihren Lebensgefährten wie einen Verbrecher behandelt hatte, aber die beiden Brüder unbeachtet gelassen hatten. Warum war ihr zu der Zeit noch nicht klar.
Das Fußball-Spiel am nächsten Nachmittag war ein besonderes Erlebnis für Ute, obwohl sie sich nie für diesen Sport interessiert hatte. Aber für die Italiener war dieser Sport heilig. Es wunderte Ute sehr, dass an einem normalen Sonntag-Nachmittag das Stadion, mit einem Fassungsvermögen von Achtzigtausend, bis zum letzten Platz ausverkauft war. Deshalb musste Vito viel Überredungs-Kunst aufbringen, um noch vier Karten zu bekommen, und in letzter Minute rein gelassen zu werden.
Als einzige „Inter-Mailand-Fans“ saßen die Vier dann zwischen den ganzen Römern, die drohend aufsahen, als die Vier bei einem Tor von Inter jubelnd aufsprangen. Zum Glück gewannen die Römer dieses Spiel.
Als sie das Stadion verließen begann es zu regnen. Voller Staunen sah Ute mehrere Regenschirm-Verkäufer am Ausgang stehen, die verschiedene Schirme anboten. Die Schnelligkeit, mit der diese Verkäufer, wie aus dem Boden gewachsen, ihr Geschäft wahr nahmen, fand Ute sehr bewundernswert.
Das Gesamterlebnis: Fußballspiel in Rom blieb ihr unauslöschlich im Gedächtnis.
In dieser Nacht in Rom wurde sie schwanger.
Die Nachricht ihrer Schwangerschaft nahm Vito mit seltsamer Reaktion auf, er fragte, ob sie denn nach so langer Pause ein Kind wolle, schließlich sei ihr jüngstes Kind schon Vierzehn. Sie war so enttäuscht über diese Frage, dass sie sich unschlüssig gab, sodass beide sich nicht gleich darüber im Klaren werden konnten, ob sie das Kind haben wollten.
Weil Vito während der Schwangerschaft sein Hin-und Her beibehielt, überlegte sie bald abzutreiben, denn sie zweifelte inzwischen an einer gemeinsamen Zukunft, weil ihre Vernunft wieder erwachte. Weil es Niemand gab, mit dem sie hätte reden können, der sie hätte beraten können, fühlte sie sich hilflos und verlassen.
Zu allem Überfluss wandte sich sogar ihre Mutter von ihr ab, weil sie das „Kind von so einem Verbrecher“ austragen wollte. Beistand und Trost erhielt sie nur von ihrer damals einzigen Freundin Annette.
Deshalb war die Schwangerschaft eine nervige Zeit für sie, geprägt von Angst vor der Zukunft und Hass auf alles was ihr das Leben schwer machte. Sie hatte keinerlei Halt wurde von Hoffen und Bangen hin und hergerissen. Sie war allein gelassen, nur auf sich gestellt und hatte nur eine Zuhörerin und tröstliche Ratgeberin, ihre Freundin Annette.
Vito wohnte zu der Zeit mal wieder bei seiner Ehefrau, hielt aber heimlich den Kontakt zu Ute aufrecht. Als diese davon Wind bekam klingelte die eines Morgens bei Ute Sturm. Und damit hörte sie nicht auf, bis Ute endlich ans Fenster kam.
„Schick meinen Mann raus, ich weiß dass er bei dir ist. Ihr könnt mich doch nicht verarschen. Wie dumm bist du eigentlich? Glaubst du wirklich, dass es Liebe bei ihm ist? Ha, da lache ich mich ja tot. Der ist doch nur wegen dem Casino bei dir, weil du die Beziehungen hast. Wenn er dich mal nicht mehr braucht ist der sowieso weg. Also schick ihn raus, oder lass mich rein, dann hol ich ihn aus dem Bett. Ich weiß, dass er sich vor mir versteckt, der Feigling.“ Schrie sie so laut, dass es die ganze Nachbarschaft nicht überhören konnte.
„Schrei doch nicht so du dumme Kuh! Ist es dir egal wie du dich damit blamierst? Die ganze Nachbarschaft kann hören, dass du irre bist! Geh nach Hause, oder zur Arbeit, in deine Fischbude.“ Knurrte Ute zornig. Als diese jedoch nicht aufgab, ging Ute raus um die Randerliererin zur Ruhe zu bekehren. Aber als die Utes kleines Bäuchlein sah, das den Zustand schon deutlich zeigte, schrie sie um so lauter: „Was? Du bist schwanger? Bist du von allen guten Geistern verlassen? Willst du allen Ernstes von meinem Mann ein Kind kriegen? Damit er sich auch um das Kind genauso wenig kümmert wie um unsere Tochter? Wie kann eine Frau in deinem Alter noch so blöd sein?“
Sie machte Ute damit klar, dass mit ihr kein vernünftiges Gespräch möglich war, also schlug Ute ihr die Haustür vor der Nase zu, und ging rein. Noch lange schrie die verlassene Ehefrau, denn sie war noch zorniger, seit sie um Utes Zustand wusste.
Noch am gleichen Tag entschloss Vito sich, das Versteckspiel zu beenden, holte seine Sachen, und zog ganz selbstverständlich wieder bei Ute ein. Sie war glücklich darüber, denn endlich hatte er sich für das Kind und ihre gemeinsame Zukunft entschieden.
Sein wahres Gesicht
Als die Schwangerschaft deutlich sichtbar wurde, zeigte Vito seine negativen Seiten. Anstatt liebevolle Anerkennung und Behandlung untersagte Vito ihr plötzlich den Zutritt zu ihrem Geschäft. Obwohl sie beide Inhaber waren, hatte sie somit keinerlei Einblick mehr in das Geschehen. Sie musste hinnehmen, was er ihr über Gewinn oder Verlust erzählte. Noch dazu hielt er sie finanziell sehr knapp, sie hatte gerade das Nötigste zum Leben.
Wenn sie rebellierte ohrfeigte und beschimpfte er sie vor allen Leuten. Er behandelte sie wie seine Sklavin. Und sie war völlig hilflos. Zum ersten Mal im Leben hatte sie nicht den Mut sich zur Wehr zu setzen, denn seine Brutalität kannte sie schon. Sie war einmal zugegen gewesen, als er einen Randalierer zusammen geschlagen hatte, und als der schon kampfunfähig am Boden lag, noch zusammen getreten hatte. Zwar hatte dieser Mann es verdient, aber diese rücksichtslose Härte, einen Gegner, der schon außer Gefecht war, brutal zusammen zu treten, fand sie sehr erschreckend.
Nun traf sie die gleiche Härte, und versetzte sie in Angst.
In dieser Zeit entstand so ein abgrundtiefer Hass in ihr, dass sie ihm heimlich den Tod wünschte. Zudem wuchs in ihr die Angst, dass sie das Kind ebenfalls hassen könne, weil es dem Erzeuger ähnelte und sie dann auch in Hass- Gefühle versetzen werde.
Zwischenzeitlich versank sie in Depressionen, weil Vito ihr klipp und klar erklärte, dass es ein ungeschriebenes sizilianisches Gesetz sei, dass der Mann allein bestimme, was seine Frau dürfe und was nicht. Das werde er ihr jetzt beibringen. Das bedeutete für sie, dass sie ihn nicht wieder los werden könne, was eine düstere Zukunfts-Aussicht war.
In dieser depressiven Zeit reifte in ihr jedenfalls der Entschluss, das Kind zur Adoption freizugeben, denn sie wollte das Kind nicht alleine groß ziehen, weil sie hoffte, wenn sie keine Kind von ihm hätte, dann nicht mehr diesen brutalen Mann im Nacken zu haben. Nur die Adoption erschien ihr als Garantie geeignet, endlich wieder ein freies, selbstbestimmtes Leben führen zu können.
Das resultierte auch aus den Meinungen einiger bekannter Leute, die sagten, Vito habe sich mit der Schwangerschaft die Aussicht geschaffen, sie durch ein Kind unter totaler Kontrolle zu halten, sodass er sie geschäftlich nützen könne, um endlich finanziell weiter zu kommen.
Sie gab sich die größte Mühe, diese Probleme von ihren