Mit dreißig Mark in der Tasche war Ute angekommen, mit Zweitausend reiste sie wieder ab. Sie hatte gute Laune, durch die euphorische Hoffnung, dass sie bald wieder auf die Füße kommen werde.
Aber ihre gute Stimmung schlug in panische Angst um, als Annette ihr berichtete, dass Vito sich Zutritt zu ihrer Wohnung verschafft hatte. Er hatte Annette gezwungen Utes Schlüssel rauszugeben, mit der Drohung, sonst das Kind mitzunehmen und zu seiner Frau zu bringen.
Vorsichtshalber ging Ute daraufhin mal erst ohne die Kleine nach Hause. Das war ein Fehler. Vito prügelte sie auf dem Boden fest, als sie ihm gesagt hatte, wo sie gewesen war. Zum Schluss trat er auf sie ein. Dann nahm er ihr das Geld ab, steckte es in seine Tasche und stampfte gelassen ins Bad.
Nur durch einen Anruf ihrer Nachbarin bei der Polizei, wurde Ute von dem Gewalttäter befreit. Die Beamten kannten Vito wohl, denn sie sprachen ihn mit Namen an, als sie ihn aufforderten freiwillig mitzugehen. Ute rieten sie zur Strafanzeige.
Annette und Ramona kamen gleichzeitig und erschraken sich über Utes verbeultes Gesicht. Sie hatte zugeschwollene Augen, konnte nur noch durch Schlitze sehen und blutende aufgesprungene Lippen, aber am schlimmsten schmerzten ihre Rippen, denn Vito hatte wie ein Irrer zugetreten. Während Annette auf die Kleine aufpasste begleitete Ramona sie ins Krankenhaus.
Der Notarzt konnte ihr nur Salbe fürs Gesicht und Schmerzmittel geben und feststellen, dass 2 Rippen gebrochen waren.
„Viel machen kann sie nicht“, sagte der Arzt, „das Gesicht wird wieder in Ordnung sein, und wenn sich die Blutergüsse zurück gebildet haben. Auch an den Rippen-Brüchen kann sie nichts machen, die müssen ganz alleine wieder zusammen wachsen. Sie dürfen nur nicht schwer heben, möglichst ruhig liegen, sich nicht unruhig im Bett wälzen, dann heilt das von alleine. Aber ein paar Wochen wird das schon dauern. Nehmen Sie was gegen die Schmerzen und schonen Sie sich.“ Sagte der junge Arzt mitleidig.
Dann fragte er ob sie eine Krankmeldung benötige, als sie verneinte, gab er mir ein Attest, und sagte dabei: „Falls Sie Anzeige erstatten wollen.“
Ute verneinte, sie dachte nur: >Meine Krankmeldung ist bestimmt schwierig, weil ich meinen ersten Arbeitsantritt verschieben muss. Hoffentlich gibt es da kein Problem<.
Als sie mit Ramona zu Hause reinkamen erwartete Ute eine Überraschung. Ihre Mutter saß mit versteinerter Miene in der Küche und hielt die Kleine im Arm.
Sie sagte zu Annette: „Wenn du arbeiten musst, kannst du ruhig gehen, ich kümmere mich um die Kleine.“
Man vereinbarte, dass Annette die Kleine besser zu sich nehmen solle, während Utes Mutter vorerst blieb, besorgte Ramona Utes Einkäufe und andere Erledigungen. Natürlich brauchte sie dafür noch mal Utes Auto.
Als Ute alleine war rief sie in Amsterdam an. Sie meldete sich krank und bat später antreten zu dürfen, wenn es ihr besser ginge. Zum Glück hatte ihr zukünftiger Chef Verständnis.
Über das Erscheinen ihrer Mutter war Ute besonders erfreut, weil es zeigte, dass deren Abkehr endlich vorbei war.
Annette brachte ihr täglich Mittagessen vorbei, bevor sie zur Arbeit fuhr. Sie beruhigte Ute, dass die Kleine auch in ihrer Abwesenheit durch ihre großen Kinder gut versorgt werde.
Als Ute sich langsam wieder bewegen konnte, ging sie zur Polizei und erstattete Strafanzeige wegen Körperverletzung gegen Vito. Die Polizei fügte den Zusatz „schwer“ der Anzeige hinzu, denn Vitos Vorstrafen wegen Körperverletzung waren dort bestens bekannt. Wegen seines Hobbys „Kickboxen“ stufte man seine Tritte als sehr gefährliche Waffe ein.
Wechselbad der Gefühle
Zwei Wochen später trat Ute ihren neuen Arbeitsplatz an. Mangels Wohnung konnte sie bei dem befreundeten Ehepaar, John und Marga unterkommen. Sie kannte John durch Ulf, da er auch einmal bei ihr in Wülfrath gewohnt hatte, nahm sie das Angebot gerne an.
Leider hatte sie nur drei Wochen Ruhe, dann stand Vito plötzlich vor ihr. Er bettelte und schwor dass sich so ein Ausraster nie wieder ereignen werde. Dummerweise bot John auch Vito die Unterkunft an. Er glaubte wohl dass er Ute damit einen Gefallen tat. Das Gegenteil war der Fall. Dadurch hatte sie diese Klette wieder am Hals.
Es wurde ihr unsäglich peinlich, weil Vito versuchte sich bei dem Chef einzuschmeicheln, was ihm allerdings nicht gelang. Heribert blieb auf Distanz.
Leider machte Vito mir durch seine penetrante Anwesenheit diesen Job kaputt, da er an meiner Schleppe kleben blieb, weil seine Geschäfte in Deutschland mal wieder der polizeilichen „Schließung“ zum Opfer gefallen waren.
Es dauerte nicht lange, bis die beiden Veranstalter „Heribert und der Tübinger“ diese „Wanze“ loswerden wollten, weil sie erkannten, dass Vito ein lästiges Hindernis war. Deshalb wurde Ute gekündigt und war erneut ohne Arbeit. Ute wusste, dass ihr Chef lieber auf sie verzichtete, als ihren herumlungernden arbeitslosen Anhang, Vito und John im Casino sitzen zu haben. Das konnte Ute ihm nicht einmal übel nehmen.
Da auch John arbeitslos war, kamen er und Vito auf den Gedanken ihr Glück in Breda zu versuchen. Angeblich kannte John einen dortigen Veranstalter sehr gut, sodass sie dort alle vier Arbeit fänden, versicherte er.
Ob Ute wollte oder nicht, sie musste mit, weil ja auch Johns Frau mitkam.
In Breda gab es keine Arbeit, nur Vito wurde überraschender Weise fündig. Ein paar Tage hockten auch John und Freundin mit Ute in einem Ferien-Bungalow, dann reisten die beiden ab. Nun saß sie alleine dort, weit außerhalb von dem Ortskern, und Vito arbeitete die ganze Nacht und schlief am Tage. Damit sie nicht heimlich abreiste, beauftragte Vito Annette, die Kleine zu uns zu bringen. Ute wurde einfach nicht gefragt. „Ich bin der Mann – ich bestimme, Basta!“ war sein einziger Kommentar.
Dann hockte Ute mit Kleinkind in einem dünnwandigen Sommer-Bungalow und fror. Zu ihrem Glück bekam Vito nach einer Woche plötzlich die Kündigung, weil er einen größeren Verlust verschuldet hatte. Einen Tag später hatte die Heimat sie wieder.
Leider hatte Ute ab dem Moment ihr Bett wieder belegt. Denn Vito zog ungefragt wieder bei ihr ein. Dass seine Ehefrau ihn rausgeworfen hatte, erfuhr sie durch Gerüchte, was ihr aber nichts nützte. Für Vito war es selbstverständlich, dass er sich seine Wohnung aussuchte.
So ging das Hin und Her zwei Jahre lang weiter. Vito wechselte die Seiten, wo es ihm gerade besser ging oder gefiel. Wenn Ute sich weigern wollte flog er auch durch die geschlossene Etagentür, schlug sie und warnte sie dabei, sollte sie noch einmal Anzeige erstatten, das werde er ihr nicht noch einmal verzeihen. Er drohte, wenn er noch einmal ihretwegen eine Geldstrafe bezahlen müsse, werde er sie töten. Sie hatte keinen Grund ihm nicht zu glauben.
Auch geschäftlich und dadurch finanziell ging es Bergauf und Bergab. Mal Würfelzock, mal Roulette-Casino, mal in Deutschland oder wenn das gerade nicht ging, in Holland. Überschnitt es sich, dass Vito gerade gut im Würfelgeschäft war, und sie wieder einen Job in Holland angefangen hatte, kam er hinterher sobald seine „Anschaffe“ zu Ende war. Sie stand immer unter dem Druck, egal wie, sie musste ihr Kind ernähren.
Vito klebte an ihr wie eine Klette, er saugte ihre gesamte Abwehrkraft und Energie aus. Und Ute hatte keine Möglichkeit sich zu befreien, dazu hätte sie ihn töten müssen. Sie war verzweifelt, aber wehrlos.
Sie schwankte zwischen Angst und Hass, zerbrach sich den Kopf nach einem Ausweg, vergebens.
Allerdings dauerten ihre wechselnden Gefühle nicht lange, denn als Vito sich wieder ausschließlich mit „seinen“ Geschäften befasste, und plötzlich wieder umzog, erwachte erneut ihre Energie.
Er ging zu seiner Ehefrau zurück, weil er sich dort wohl mehr finanzielle Unterstützung erhoffte. Dadurch hatte Ute ihre Freizeit und die Möglichkeit sich nach neuer