Tigermädchen. Delia Muñoz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Delia Muñoz
Издательство: Bookwire
Серия: Tigermädchen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748557203
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es könnte dunkel werden“, warnte sie ihn ironisch vor. Sie spreizte die Finger und der Schatten, den Melanie warf, verschwand vor ihren Füßen und legte sich dann über die Glühbirne, sodass es im Zimmer langsam dunkler wurde. Der Schatten hatte sich über die Lampe bewegt wie Rauch, wie etwas Greifbares. Nun konnte Daniel wahrscheinlich nicht viel mehr sehen als Melanies Umrisse, auch wenn es für sie selbst keinen Unterschied machte.

      Daniel grinste breit. „Das ist echt genial, mi amor.“

      Melanie errötete und ließ es abrupt wieder hell werden. „Ich bewege einfach die Schatten im Raum oder lasse sie dunkler werden.“ Sie deutete auf den Schatten, den der Computer warf. „Ich stelle mir vor, wie der Schatten dunkler wird, sich meinem Willen gemäß verformt und dann passiert das.“ Während sie sprach, wurde der Schatten des Computers immer dunkler und nahm eine dreieckige Form an. Melanie lachte vergnügt und Daniel stimmte mit ein.

      Dann befahl sie dem Schatten mit einem scharfen Blick, wieder die gewohnte Form anzunehmen.

      John war ihr aus einem unergründlichen Grund sympathisch. Er war eher klein, glatzköpfig und muskulös, aber er gab einem gleich das Gefühl, zu Hause zu sein.

      Daniel und Melanie waren ins Land der Nacht zurückgekehrt und Melanie lernte nun den Leiter des Gebäudes 3.1 kennen. Dort würde sie einziehen, hatte ihr Daniel auf dem Rückweg erklärt. Das Camp Cataara hatte 10 Areale, welche wiederum je fünf Hütten hatten. John war laut Daniel der Leiter des Gebäudes 3.1.

      „Würdest du bitte die Waffen ablegen?“, bat John, als sie eintraten.

      Daniel, der hinter ihr stand, blickte sie total irritiert an. Er ließ seinen Blick erfolglos auf der Suche nach einer Waffe über ihren Körper gleiten, doch auch beim zweiten Durchgang wurde er nicht fündig.

      Melanie jedoch schaute leicht verdutzt und bückte sich verlegen. Sie griff in ihren Stiefel, wo sie ein Messer versteckt hatte, und reichte es John. Dann legte sie die Hand an ihre Hüfte und dort manifestierte sich aus ihrer schwarzen Jacke ein rabenschwarzes Wurfmesser, welches sie ebenfalls John gab. Sie hörte, wie Daniel hinter ihr verwundert die Luft ausstieß und wurde noch röter.

      „D-das ist bloß Gewohnheit“, verteidigte sie sich.

      John nickte beschwichtigend. „Hier laufen viele mit Waffen herum. Bitte setz dich. Daniel, du darfst den anderen Bescheid geben, dass wir jemand Neues bei uns haben.“

      Daniel nickte, verließ den Raum und zog die Tür hinter sich zu. Nervös setzte sich Melanie John gegenüber auf einen Stuhl, zwischen ihnen stand ein schwerer Schreibtisch. Ohne Daniel an ihrer Seite fühlte sie sich unwohl, so fremd in einem Zimmer mit einem unbekannten Mann, auch wenn er noch so sympathisch wirkte.

      Doch John erwies sich als ausgesprochen charmant und freundlich. Sie musste ihm erzählen, was sie im Zeugnis für Noten hatte, welche Fächer sie besucht hatte und welche sie besuchen wollte.

      Bei Spanisch war das ein wenig kompliziert, denn sie hatte nur ein halbes Jahr Spanisch gehabt; ihre Spanischlehrerin war schwanger geworden und das Jahr darauf hatte sie das Fach durch Selbstverteidigung ersetzt. Jedoch würde sie kein Französisch mehr haben, worüber sie nicht traurig war.

      „Du kannst dennoch in denselben Kurs wie die anderen in deinem Alter gehen, Emma und Daniel werden dir bestimmt helfen. Falls es trotzdem Probleme geben sollte, kannst du jedoch ungeniert zu mir kommen“, erklärte John.

      In den anderen Fächern konnte sie zum Glück gut mithalten. John gab ihr Unmengen von Schulbüchern und während sie die Bücher stapelte, verkniff Melanie sich die Frage, weshalb nicht alle Schulen längst Online-Lernmaterial hatten.

      John warf einen Blick auf die Uhr. Es war bereits nach fünf.

      „Nun ist der Unterricht schon vorbei, ich bringe dich am besten in den

      Gemeinschaftsraum, wo gewöhnlich die Hausaufgaben gemacht machen.“

      Der Gemeinschaftsraum war ein gemütlicher, großer Raum im Parterre des Gebäudes 3.1. Anders als erwartet war er stilvoll eingerichtet: Mehrere beigefarbene Sessel, Sofas und Tische standen herum und hier und da hingen Lampen von der Decke. Durch ein großes Fenster flutete Sonnenlicht in den Raum und ersetzte das Lampenlicht. Die meisten Sofas waren von Schülern besetzt, nur ein paar Sessel und Stühle standen frei herum. Überall wurden Hausaufgaben gemacht oder für Tests gelernt, nur wenige lasen ein Buch oder unterhielten sich mit dem Nachbarn über belangloses Zeug. Melanie ließ ihren Blick suchend über die Schüler gleiten, sie schätzte sie zwischen 13 und 20 Jahren ein. Endlich fand sie Daniel auf einem Sofa mit ein paar Kumpels sitzend.

      John deutete in seine Richtung und senkte die Stimme. „Dort ist ein Stuhl frei, am besten wendest du dich dann an deine Mitschüler, damit sie dir das Nötigste erklären können.“

      Melanie nickte nervös. „Okay.“ Sie bahnte sich möglichst unauffällig einen Weg durch die Schüler und setzte sich auf den freien Platz. Etwa gleichzeitig schloss John die Tür wieder und war verschwunden. Obwohl es mitnichten still war im Raum, hallte ihr das Geräusch der zufallenden Tür in den Ohren wieder.

      Sie hatte keine Ahnung, was sie jetzt machen sollte. Was, wenn das hier doch nur eine Anstalt für Verrückte war? Wieso hatte sie sich bloß an einer Schule angemeldet, in einem Land, das es nicht mal geben sollte? Mit Schülern, die unter Wasser atmen konnten und kämpfen lernten? Sie kannte Daniel erst seit knapp einer Stunde und vielleicht waren er und alle anderen hier nur Verrückte, die sich gut verstellen konnten! Melanie kniff die Augen zusammen. Sie durfte sich jetzt nicht zu viele Gedanken darüber machen. Vielleicht war das Ganze ja auch nur ein sehr fantasievoller Traum.

      Zum Glück drehte sich in dem Moment Daniel zu ihr um und lächelte freundlich.

      „Hey, auch schon hier?“

      Melanie schrak aus ihren Gedanken auf und erwiderte sein Lächeln. „Ja, hab schon Bücher bekommen.“ Sie verzog gespielt leidend das Gesicht.

      Daniel lachte, dann wandte er sich an seine Freunde. „Jungs, das ist Melanie, sie wohnt jetzt auch hier.“ Vier Köpfe drehten sich zu ihr um und sie fuhr sich nervös durch die Haare.

      „Hey.“ Derjenige, der Daniel am nächsten saß, hob grüßend die Hand. „Ich bin Emanuel.“

      Ein braunhaariger Junge mit gleichfarbigen Augen stellte sich als Ramón vor und einer, der eher am Rand des Sofas saß, hieß Jack. Er hatte dunkle, nach hinten gegelte Haare, schwarze Augen und sah ziemlich gut aus, fand Melanie.

      „Kennst du zufälligerweise den Aufbau der Körperzelle einer Ratte?“, fragte Jack und hob kurz sein Heft hoch.

      „Ähm, nein ...“ Melanie hob amüsiert die Augenbrauen. „Sind das Hausaufgaben?“

      Jack nickte. „Kein Mensch weiß das. Und Ratten sind hier nicht zugelassen.“

      Melanie lachte. „Irgendwer hier weiß das bestimmt.“

      Daniel nickte grinsend. „Ja, ganz bestimmt sogar.“

      Melanie runzelte verwirrt die Stirn. „Und wieso fragt ihr sie oder ihn dann nicht?“

      Die Jungs schauten sich an. Emanuel schüttelte heftig den Kopf, jetzt sah Melanie, dass er zu den dunklen Haaren blaue Augen hatte. „Vergesst es“, sagte er bestimmt.

      Melanie verkniff sich ein Lachen. Sie konnte sich vorstellen, was sich hier abspielte. „Wer ist es denn?“

      „Die mit den Augen dort drüben“, antwortete Emanuel und nickte irgendwo in den Raum hinein.

      Alle brachen in Lachen aus.

      „Ach was, hat sie Augen?“, witzelte Melanie mit gespielt erstaunter Stimme.

      „Ich schwör‘s, sie hat welche!“, bestätigte Emanuel.

      „Er meint Emma“, erklärte ihr Daniel.

      „Ach so.“ Emma hatte wirklich schöne Augen, musste Melanie zugeben. „Dann frag ich sie eben.