Unendlich. Katie Sola. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Katie Sola
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754180525
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tut er nicht. Wir haben uns nur sehr gut unterhalten. Er hat keinerlei Fragen gestellt oder Andeutungen in diese Richtung gemacht.“ Verärgert seufzte ich. Warum musste Milena auch nur alles so kompliziert sehen? Sie könnte es mir auch einfach glauben, wenn ich ihr etwas erzählte. „Wie geht es dir?“

      „Wie soll es mir schon gehen? Ich niese und huste die ganze Zeit und mein Kopf tut weh und es ist einfach nur ätzend.“ Wie um ihre Worte zu unterstreichen putzte sie sich geräuschvoll die Nase.

      „Ich meine wegen dem Typen von der App. Habt ihr nochmal geschrieben?“

      „Nein, haben wir nicht.“ Dieses Mal war es Milena, die den Mund fest zusammenkniff.

      Ich schaute sie an. Richtig. Ihre Augen waren rot geädert. Sie sah blass aus. Die Augen glanzlos und traurig. Es war nicht allein der Schnupfen, der ihr zusetzte. Ich kannte sie zu gut, sie konnte mir nichts vormachen.

      „Dann ist es besser so, denke ich. Es gibt noch andere, Milena. Das war mit Sicherheit nicht der letzte Mann auf der Erde, den du getroffen hast.“

      „Du hast leicht reden. Dich will ja jeder mit deinen langen blonden Haaren und deiner Figur.“ Sie rollte mit den Augen. Wieder putzte sie sich die Nase.

      „Ach was, das stimmt nicht. Du weißt, dass du die Hübschere bist von uns beiden und die bessere Figur hast. Erinnerst du dich nicht mehr daran, wie dir im Sommer am See die Kerle die ganze Zeit nachgeschaut haben?“ Ich grinste. „Und die haben definitiv nicht auf meinen Hintern geguckt.“

      „Aber warum meldet sich dann keine von den Modelagenturen mehr, bei denen ich war?“, jammerte sie. Tränen stiegen ihr in die Augen.

      „Ach Milena.“ Ich setzte mich neben sie auf ihr Bett und legte den Arm um ihre Schultern. „Du bist toll und das weißt du auch. Manche Leute brauchen eben länger, bis sie das merken. Und wenn der Typ zu blöd ist, um zu sehen, was du für ein toller Mensch bist, dann ist es definitiv sein Pech. Glaub mir, da draußen sind noch viel bessere Kerle, mit denen du glücklich werden kannst.“ Wenn du nur offen bist für das Leben und es auf dich zukommen lässt anstatt kontrollieren zu wollen, wo und wie du deinen Freund kennenlernst. Das Gespräch mit Benny von gestern Abend war mir noch lebhaft im Gedächtnis. So schnell würde ich es auch nicht mehr vergessen können.

      „Vielleicht“, gab sie kleinlaut zu und lehnte den Kopf an meiner Schulter an. „Aber er war so toll, weißt du? Ich habe noch nie einen Kerl gehabt, der so gut ausgesehen hat wie er.“

      Beruhigend strich ich ihr über den Rücken. Für den Moment sagte ich nichts dazu. Was sollte ich auch tun? Unweigerlich dachte ich wieder an das, was Benny dachte. Dass ihr die Offenheit gefehlt hatte. Nein. Ich dachte zu viel an das, was ein Sechzehnjähriger sagte. Aber das Alter ist nur eine Zahl, die nichts über dich selbst aussagt. So wie dein Aussehen nichts über deinen Charakter aussagen kann.

      Wie schaffte er es, dauerhaft so präsent in meinem Kopf zu sein?

      „Schreibt ihr jetzt gerade wieder?“, riss Milena mich aus meinen Gedanken.

      „Wen meinst du?“, stellte ich mich dumm. Es gab ja nur einen, auf den sie dauernd anspielte.

      „Na wen wohl.“ Ich hörte ihr geradezu an, wie sie mit den Augen rollte. „Dein kleiner Nachhilfeschüler und du natürlich.“

      „Nein. Warum sollten wir?“

      „Weil er dich mag. Deshalb.“

      Jetzt war ich wieder an der Reihe, mit den Augen zu rollen. Es gab keinen Grund, warum ich mit Benny schreiben sollte. Den nächsten Termin für die Nachhilfe hatten wir schon ausgemacht. Ansonsten gab es nichts weiter zu besprechen. Und über alles andere konnten wir schwer schreiben.

      „Du solltest ihm besser klar machen, dass du nicht auf ihn stehst. Nicht, dass du dem Kleinen unnötig lange falsche Hoffnungen machst.“

      Schweigend strich ich ihr weiterhin über den Rücken, den Blick ins Leere gerichtet. Ganz egal was ich noch sagen würde, es würde nicht bei ihr ankommen.

      „…und dann teilst du am Ende noch einmal durch vier Komma fünf“, erklärte ich und deutete auf die Rechnung.

      „Vier Komma fünf? Nicht die siebzehn von hier?“ Benny deutete mit dem Stift auf den Anfang der Aufgabe.

      Ich unterdrückte ein Seufzen und begann mit meinen Erklärungen noch einmal von vorne. Wir saßen schon eine ganze Weile hier und es ging nicht sonderlich voran, aber ich übte mich in Geduld. Er tat es ja nicht mit Absicht. Mathe und er hatten sich einfach schon vor einer ganzen Weile auseinander gelebt. „Versuch es noch einmal von vorne“, meinte ich und lehnte mich zurück, mit einem halben Auge aber noch immer auf seinem Aufgabenblatt.

      Es war das erste Mal, dass wir uns seit dem Kinobesuch wiedersahen. Und Milena hatte falsch gelegen. Diese Verabredung im Kino hatte rein gar nichts verändert zwischen uns. Höchstens, dass wir uns besser verstanden als vorher und noch ein wenig länger geredet hatten als sonst, bevor wir tatsächlich mit Mathe angefangen hatte. Aber er hatte keinerlei Andeutungen gemacht oder sich anders verhalten als sonst. Wir waren einfach Freunde. Mehr nicht. All diese Anspielungen von den anderen waren vollkommen unberechtigt gewesen. Es war kein Date gewesen. Benny hatte auch nichts mehr darüber gesagt. Ich auch nicht. Warum auch? Es war nichts vorgefallen.

      Die Haustür fiel laut ins Schloss und die Stimmen von Bennys Mutter und seiner Schwester hallten durch das Haus.

      „Oh, hallo Joanna. Ich wusste gar nicht, dass ihr noch am Lernen seid.“ Frau Winter bleib kurz stehen, als sie uns am Tisch sitzen sah. Ariane balancierte eine übervolle Einkaufstüte weiter in die Küche.

      „Hallo Frau Winter.“ Höflich stand ich auf und reichte ihr die Hand.

      „Einfach nur Marianna, ja? Für diese Förmlichkeiten haben wir uns jetzt wirklich schon zu oft gesehen.“ Lachend drückte sie meine Hand. Um ihre Augen bildeten sich kleine Fältchen.

      „Dann einfach nur Jo.“ Ich grinste ebenfalls. Die gute Laune im Haus der Winters war ansteckend. Es musste wohl in der Familie liegen, dass alle lächelten und gut drauf waren.

      „Wie macht er sich so?“ Marianna hatte die Hände in die Hüften gestemmt und blickte zu ihrem Sohn, der noch immer über der Aufgabe grübelte.

      „Denk dran, dass ich alles hören kann“, sagte Benny laut ohne zu uns zu schauen. „Und es ist demotivierend, wenn du etwas Falsches sagst.“

      Ich lachte. „Es wird langsam.“

      „Sehr schön. Ich danke dir, dass du ihm hilfst.“

      Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. „So schlimm ist er ja meistens nicht.“

      „Ja? Er kann sich benehmen?“

      „Das habe ich gehört, Mama.“ Jetzt warf er seiner Mutter doch einen vernichtenden Blick zu. Naja, ganz gelang es ihm nicht.

      Und dieses Mal lachten wir alle zusammen. „Bleibst du noch zum Abendessen, Jo?“

      „Das ist nett, aber…“

      „Überleg es dir gut, wir machen Lasagne. Und nichts ist so gut wie Mamas Lasagne“, rief Ariane aus der Küche.

      „Ich esse kein Fleisch, von daher wäre das sowieso nichts für mich.“

      „Wir machen den vegetarischen Teil einfach etwas größer. Ariane isst auch kein Fleisch.“

      „Wirklich, überlege es dir gut. Du verpasst sonst etwas“, meinte Ariane. Sie lehnte locker in der Tür zum Wohn- und Esszimmer.

      „Ich möchte euch keine Umstände machen“, erwiderte ich zurückhaltend.

      „Tust du nicht, keine Sorge. Und jetzt macht ihr beide weiter. Ariane und ich haben das Kommando in der Küche.“ Marianna zwinkerte mir zu.

      „Kann ich euch nichts helfen? Wenn ich schon zum Essen bleibe?“ Ich biss mir auf die Lippe. So viel Offenheit und Freundlichkeit war ich nicht gewohnt.