Unendlich. Katie Sola. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Katie Sola
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754180525
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dass du so denkst?“

      „Nichts.“

      „Wie meinst du das? Nichts?“ Ich zog die Augenbrauen zusammen. „Es muss doch irgendeinen Auslöser dafür gegeben haben. Von allein kommst du doch nicht auf so etwas.“

      „Doch. Ich war quasi schon immer so.“ Leise lachte er auf.

      „So?“

      „So, wie ich eben bin. Anders als meine Freunde und Klassenkameraden und mit einem ganz anderen Blick auf die Dinge, die um mich herum geschehen. Ein wenig sonderbar eben.“

      „Du bist nicht sonderbar“, erwiderte ich ohne groß darüber nachzudenken.

      „Nicht?“ Die Überraschung war ihm deutlich anzumerken. „Wie würdest du es dann nennen?“

      „Keine Ahnung. Darüber habe ich nicht nachgedacht. Aber sonderbar bist du nicht. Das klingt so… abwertend.“

      „Wie lebst du dein Leben, Jo? Ich habe dir jetzt so viel von mir erzählt und weiß nur, dass du meine Ansichten nicht teilst.“ In dem schwachen Licht sah ich das schiefe Grinsen auf seinen Lippen. „Wer bist du?“

      „Ich bin Jo, aber das haben wir ja schon vor einer Weile geklärt.“

      „Das… Egal. Erzähl mir von dir. Was ist deine Einstellung zum Leben?“

      „Ich sitze nicht herum und warte darauf, dass irgendetwas zu mir kommt, sondern ich gehe auf die Suche danach. Ich lebe mein Leben. Ich gehe aus und treffe Menschen und hab Spaß und genieße es in vollen Zügen.“

      „Und was davon macht dein Leben lebenswert?“

      Ich zögerte. Das kam unerwartet. Und die Frage erfüllte mich mit einer unerwarteten Ratlosigkeit und Leere. „Ich… keine… Wie meinst du das?“

      „Was lässt dich morgens aufstehen? Ist es die nächste Party? Oder deine beste Freundin? Das Studium? Was ist der Grund, warum du hier bist.“

      „Ich… ich denke, dass es einfach der Spaß und die Freude an meinem Leben ist. Die Partys, mein Studium, meine Freunde. Alles zusammen.“ Ich sagte es, aber irgendetwas ließ mich die Stirn runzeln. Ich konnte es selbst nicht beschreiben. Das Gefühl in meiner Magengegend war komisch, flau. „Was ist es bei dir?“

      „Das Vertrauen, dass ich Liebe finden werde.“

      Warum hörte sich diese Aussage von einem Jungen, der deutlich jünger war als ich, so viel reifer an als meine eigene? „Also suchst du nach etwas im Leben.“

      „Nein, ich finde. Das ist ein großer Unterschied.“ Leise lachte er auf. „Ich bleibe nicht Zuhause und tue gar nichts, sondern vertraue einfach darauf, dass das Schicksal mich dorthin führen wird, wo ich etwas oder jemanden finden werde. Jetzt kann ich ja nicht wissen, was das Leben noch für mich bereithalten wird.“

      Wir passierten das Ortsschild zu dem Vorort, in dem wir wohnten. Es war nicht mehr weit bis nach Hause. Die Zeit war wie im Flug vergangen.

      „Jetzt habe ich dich wahrscheinlich ziemlich schockiert, oder?“

      „Ich bin eher schockiert, dass wir schon hier sind“, lachte ich. „Es kam mir gar nicht so vor, als wären wir schon so lange gelaufen.“

      „Bei guten Gesprächen vergeht die Zeit immer schnell.“

      „Nur gut, dass du überhaupt nicht eingebildet bist“, entgegnete ich trocken.

      „Bin ich auch nicht. Ich habe dich als gute Gesellschaft bezeichnet.“

      „Ähm, danke?“ Meine Selbstsicherheit bröckelte. Er brachte mich total aus dem Konzept. Dabei tat er noch nicht einmal irgendetwas.

      „Eine Frage habe ich noch an dich, Jo“, begann Benny.

      „Ja?“

      „Wie geht es dir?“

      „Was?“

      „Wie geht es dir?“, wiederholte er die Frage ruhig und geduldig. „Wegen all dem, was du mir von dem Typen erzählt hast, in den du verliebt warst oder bist.“

      „Erstens, ich war nicht verliebt, ich fand ihn gut. Das ist ein Unterschied.“ Zumindest wollte ich mir das weiterhin einreden, dadurch wurde es leichter. „Zweitens hat er eine Freundin, was mich ärgert, weil ich ihn eben gut fand und ihn gerne kennengelernt hätte. Und drittens geht es mir bestens, danke der Nachfrage“, antwortete ich ruppiger als beabsichtigt. Bei dem Gedanken an Konstantin krampfte sich mein Magen zusammen und ich schaltete in einen Abwehrmodus. Ich hatte ihn erfolgreich verdrängt und in den letzten Stunden alle Gedanken an ihn und seine bezaubernd langweilige Freundin beiseite schieben können und jetzt erinnerte mich Benny wieder daran. Nein, ich wollte nicht mehr daran denken. Ich brauchte das alles nicht.

      „Warum sagst du, dass du nicht verliebt warst? Daran ist doch nichts schlimm.“

      „Ich bin niemand, der auf so Gefühlszeug steht, egal auf welche Art. Ich bin niemand, der sich verliebt. Ich… Nein, ich war noch nie verliebt und brauche es auch nicht. So ein Mensch war ich noch nie.“ Meine Kiefer pressten sich fest aufeinander. Mein Blick war starr geradeaus gerichtet. Mein Herz pochte schneller. Ich war froh, dass meine Hände fest in meinen Taschen vergraben waren. Benny konnte nicht sehen, dass meine Fäuste zitterten.

      „Was ist passiert? Warum denkst du so?“ Bennys Stimme war sanft und einfühlsam. Genau das, was ich nicht haben wollte. „Die Liebe ist doch der Grund, warum wir hier sind.“

      „Nicht alles hat einen tieferen Grund. Ich bin einfach so, wie ich bin. Akzeptiere es und versuch bitte nicht, nach irgendetwas zu suchen, das es nicht gibt“, entgegnete ich schnippisch.

      Benny erwiderte nicht direkt etwas auf meine Worte. Mein Puls beruhigte sich langsam wieder. Einige Meter später schaffte ich es schon wieder, tief durchzuatmen. Die kalte Nachtluft tat mir gut und brachte mich wieder runter.

      „Okay“, war das Einzige, was Benny nach einigen Metern dazu sagte.

      „Nichts weiter?“ Erstaunt schaute ich ihn an.

      „Nein. Ich glaube nicht, dass ich im Moment so viel sagen könnte, was dir irgendwie weiterhilft. Aber… wenn du reden möchtest, dann kannst du zu mir kommen. Immer und überall. Ich bin für dich da.“ Er lächelte.

      Synchron verlangsamten wir unsere Schritte. Wir waren fast an meiner Haustüre angekommen.

      „Warum? Warum sagst du so etwas? Warum bietest du mir all das an? Wir kennen uns doch kaum.“

      „Ich hab dich gern, Jo. Das allein sollte Erklärung genug sein.“

      „Aber…“ Ich blieb stehen, die Stirn gerunzelt. Die Fenster bei mir Zuhause waren dunkel. Ich wusste nicht, ob mein Vater Zuhause war oder nicht und es war mir auch egal.

      „Warum brauchst du noch eine weitere Erklärung? Denk darüber nach, Jo, dann wirst du die Antwort darauf finden.“

      „Aber…“, setzte ich erneut an.

      Mit einem leisen Lachen legte er mir den Finger auf die Lippen. Abrupt stoppte ich, mein Puls schnellte wieder in die Höhe.

      „Das waren genug Fragen für heute. Du bist klug. Wenn du darüber nachdenkst und ehrlich mit dir selbst bist, dann wird es nicht schwer sein für dich, die Antworten auf deine Fragen zu finden.“ Noch immer war da dieses schiefe Grinsen auf seinen Lippen. Er beugte sich zu mir vor. Halb erwartete ich, dass er versuchen würde, mich zu küssen, aber er hauchte mir nur einen sanften Kuss auf die Wange. „Gute Nacht, Jo. Schlaf gut.“

      „Er hat dich geküsst?“

      „Nein, hat er nicht.“ Ärger stieg in mir auf. Ungeduldig wippte ich mit meinem Fuß. Beinahe bereute ich, dass ich spontan zu Milena gefahren war, um ihr alles zu erzählen, was gestern Abend passiert war. Es wäre besser gewesen, wenn ich Zuhause geblieben wäre. „Er hat mich auf die Wange geküsst. Wobei das kein richtiger Kuss war.“

      „Also