Louisa nickte lächelnd. »Ja, ich mag Tiere lebendig.«
Ich musste lachen. »Versteh ich. Meinst du, es gibt genug vegetarisches Angebot in dem All you can eat hier?«
»Hm… ich habe einen Vorschlag. Kennst du Gimbap?«
Ich schaute sie fragend an.
Sie lachte nervös – eine Emotion, die ich bei ihr noch nie gesehen hatte. »Das ist koreanisch… Ähnlich wie Sushi, aber meistens ohne Fleisch oder Fisch.« Sie zögerte. »Also, man kann es schon auch mit Fisch bestellen, wenn man will.«
Ich hob interessiert eine Augenbraue. Ich kannte bisher nur koreanische Fernsehserien, aber dieses Gimbap hörte sich interessant an. »Ich brauche auch nicht täglich Fleisch«, beruhigte ich sie rasch. »Und das hört sich gut an! Kann man das in der Stadt essen?«
Louisa nickte erfreut und deutete nach rechts. »Ja, dort drüben gibt es ein koreanisches Restaurant.«
»Dann lass uns das ausprobieren!«, meinte ich aufgeregt. Ich liebte neue Kulturen und fragte mich nun, ob Louisa Koreanerin war.
Louisa schien überglücklich, was fast schon süß war. »Yeah, ich hatte das schon ewig nicht mehr.«
»Bist du denn aus Korea?«, fragte ich vorsichtig.
»Südkorea«, erwiderte sie nickend. »Aber ich bin hier geboren.«
»Cool«, kommentierte ich. Ich wünschte mir manchmal, dass ich aufregendere Wurzeln hätte als zwei deutsche Eltern, in Deutschland aufgewachsen, Deutsch als Muttersprache. Vielleicht war das der Grund, warum ich in der Schule Spanisch und Dänisch gewählt hatte und Geld verdiente, um mir später Reisen finanzieren zu können. Allgemein genoss ich es, via Bücher, Filme oder Musik mehr über fremde Kulturen und Sprachen zu lernen. »Dann kannst du Koreanisch sprechen?« Mittlerweile gingen wir in die Richtung, in die Louisa zuvor gedeutet hatte.
Louisa nickte wieder. »Ja, ich spreche mit meinen Eltern immer koreanisch.«
»Wow, ich verstehe Koreanisch nur mit Untertiteln«, lachte ich und rollte mit den Augen.
Louisa lachte und stieß mir spielerisch in die Hüfte. »Hey, das ist ja auch was.«
»Vielleicht lerne ich irgendwann ein paar Wörter«, erwiderte ich schulterzuckend. »Lange genug Serien schauen.«
Louisa schaute mich überrascht an. »Du schaust koreanische Serien?«
Ich nickte lächelnd. »Ja! Descendants of the sun, sag ich da nur.«
Louisa lächelte breit, sie sah aus, als würde sie mich dafür am liebsten küssen. Stattdessen legte sie mir kurz die Hand auf die Schulter. »Yeah, die gefällt mir auch sehr! Die Protagonistin, wow.« Sie machte eine wedelnde Geste mit der Hand, die wohl darstellen sollte, dass sie die Schauspielerin Song Hye-Kyo toll fand. Zugegebenermaßen sah sie ganz gut aus. »Wir müssen die mal zusammen schauen!«
»Definitiv!«, stimmte ich sofort zu und schaute lächelnd nach vorne. Ich sah, dass wir uns nun dem Restaurant näherten, da ich ein koreanisches Schild über dem Eingang entdeckte. Zwar konnte ich es nicht lesen, aber ich erkannte die Schrift. Louisa steuerte in der Tat darauf zu.
»Ich hoffe, du magst es«, meinte Louisa auf einmal, als wir davorstanden. Sie schien beunruhigt.
Ich legte ihr ermutigend eine Hand auf die Schulter. »Bestimmt, Louisa«, beteuerte ich. »Ich probiere gerne neue Sachen aus.« Ich zögerte und grinste. »Außerdem vertraue ich deiner Einschätzung.«
Louisa lachte und nahm das als Ermunterung, das Restaurant zu betreten. Es war nicht sehr groß, sowohl der Raum als auch die Möblierung waren klein gehalten. Aber irgendwie gefiel mir die gemütliche Atmosphäre. Die Möbel waren aus dunklem Holz und es lag ein dunkelgrüner Teppich auf dem Boden. Die Wände waren in Beige und durch das Fenster fielen ein paar letzte Sonnenstrahlen. Es roch nach Essen – wenn auch nicht so, dass es unangenehm war -, und ich konnte Geräusche aus der Küche hören. Neben Louisa und mir waren nicht viele Gäste hier, bloß drei Tische waren besetzt. Sobald wir den Raum betraten, kam uns eine koreanisch aussehende Bedienung entgegen und Louisa bat auf Koreanisch nach einem Tisch. Aus irgendeinem Grund machte es mich stolz, dass Louisa hier authentisch bestellen konnte, und ich hielt mich während ihrer Konversation dezent im Hintergrund. Denn an den leuchteten Augen der koreanischen Frau konnte ich sehen, dass sie sich freute, dass Louisa ihre Sprache konnte. Dies war einer der Gründe, warum es mir so gefiel, neue Sprachen und Kulturen kennenzulernen – man konnte sich viel vertrauter unterhalten, als wenn wir alle in gebrochenem Englisch reden würden. Schlussendlich führte die Bedienung uns an einen Tisch und reichte uns sogleich die Karte. Ich lächelte Louisa an, sobald die Frau weg war. »Ich muss jetzt wohl die Insiderin von uns beiden um Rat fragen, was ich bestellen sollte?«
Louisa lächelte mich keck an. »Wenn du mir genügend vertraust, bestelle ich etwas für dich.«
Kurz darauf saßen wir beide vor unseren Tellern Gimbap. Gimbaps waren größer als Sushi und mit mehr gefüllt, als ich es kannte. Louisa hatte für uns beide die vegetarische Variante bestellt. Gespannt packte ich die Stäbchen aus und war stolz, dass ich noch wusste, wie man damit aß. Dennoch war ich leicht nervös, denn Louisa wirkte so, als ob sie mit den Stäbchen auch Linsen essen könnte.
Beide steckten wir uns das erste Stück in den Mund und ich sah, dass Louisa mich aus den Augenwinkeln heraus anschaute, wie um sicherzugehen, dass ich es nicht wieder ausspuckte. Ihre Augenbrauen waren leicht besorgt zusammengezogen. Doch es war tatsächlich köstlich und ich machte eine entsprechende Miene, um sie zu beruhigen.
»Was hast du eigentlich mit Mia angestellt?«, wollte Louisa nun mit amüsiertem Unterton wissen.
Ich musste über ihre Formulierung lachen. »Meine Tante wollte sowieso mal einen Abend lang auf sie aufpassen«, erklärte ich. »Und da dachte ich, ich nutze die Gelegenheit.«
Louisa nickte verstehend. »Praktisch«, meinte sie. »Wann musst du sie wieder abholen?«
»Ich muss nach dem Film schauen, was meine Tante mir schreibt. Wenn Mia dann schläft, lasse ich sie lieber schlafen und hole sie morgen früh ab. Ansonsten würde ich nachher direkt vorbei gehen.«
»Macht Sinn«, gab Louisa zu. »Sonst weckst du die Kleine auf.«
Ich nickte zustimmend. »Weißt du, ich hab´ meiner Tante gesagt, dass ich gerne ins Kino gehen würde, da heute ein guter Film läuft und ich von der Arbeit her Rabatt bekomme«, begann ich. In der Hand drehte ich die Stäbchen hin und her.
Louisa schaute mich abwartend an. Kurz blieb mein Blick in ihren Augen hängen, die von einem sanften Braun waren und mich aufmerksam betrachteten.
»Dann sagte sie bei der Verabschiedung: ‚Und viel Spaß dir mit deinem Date‘«, fuhr ich lachend fort. »Sie hat automatisch angenommen, dass ich mit meinem Freund ausgehen würde.«
Auch Louisa musste lachen, doch sie senkte dabei den Blick, kurz huschte eine Emotion über ihr Gesicht, die ich nicht ganz zuordnen konnte. »Hast du hinterhergerufen: ‚Nein, es ist ein Mädchen!‘?«
»So in etwa.« Kurz schaute ich sie an. Ich würde gerne fragen, ob sie einen Freund hatte, doch irgendwie traute ich mich nicht. Es könnte wertend rüberkommen, nachdem ich selbst von Nate erzählt hatte. Und ich hatte das Gefühl, dass sie momentan single war, sonst hätte sie schon von selbst etwas gesagt, oder?
»Was denkst du?«, fragte Louisa nun, die mir offenbar den inneren Konflikt angesehen hatte.
Ich spürte, wie ich ertappt errötete. »Ich wollte nur fragen, ob du einen Freund hast oder mal hattest«, sagte ich, ehe ich mich davon abhalten konnte.
Louisa zögerte. »Ja, ich hatte mal eine Beziehung«, sagte sie, ihr Blick lag intensiv in meinem. »Aber momentan bin ich single.«
Etwas an ihrem Unterton sagte mir, dass ich nicht nachfragen sollte, warum es auseinandergegangen war, und sofort tat mir die Frage wieder leid. In mir drin