»Es liegen nur drei Körper zwischen dir und dem Tod«, erinnerte ihn Dangar.
»Ja, das weiß ich. Alles hängt davon ab, wie schnell ich mich wieder vollständig bewegen kann.«
»Ich wünsche dir Glück, Von, auch wenn ich wohl nicht mehr erleben werde, ob du es schaffst oder nicht. Zwischen mir und dem sicheren Tod liegen nur zwei Körper. Die Lücke kommt immer näher.«
Von diesem Moment an konzentrierte sich von Horst mit all seinen Kräften auf die Überwindung der Lähmung. Er spürte, wie die Lebensglut allmählich in seine Glieder kroch, wenn auch nur langsam. Zwar konnte er seine Extremitäten bewegen, allerdings nur wenig.
Ein weiterer Trodon schlüpfte, so dass nur noch einer zwischen Dangar und dem Tod lag – und nach Dangar würde er an der Reihe sein. Als die schreckliche Kreatur, die im Sonnenlicht schlief, erwachte und durch die Krater-Öffnung davonflog, gelang es von Horst, seine Hände zu bewegen und seine Handgelenke zu beugen. Auch seine Füße waren jetzt frei; aber ach, wie langsam, wie schrecklich langsam kehrten seine Kräfte zurück. Konnte das Schicksal so grausam sein, diese große Hoffnung aufrechtzuerhalten und sie ihm dann im Augenblick der Verwirklichung zu entreißen? Kalter Schweiß trat auf seine Stirn, als er seine Chancen abwog – und die standen furchtbar gegen ihn.
Wenn er doch nur irgendwie die Zeit messen könnte! Dann könnte er nämlich die Intervalle des Schlüpfens der Eier herausfinden und so eine ungefähre Vorstellung von der Zeit gewinnen, die ihm noch blieb. Er war sich ziemlich sicher, dass die Jungtiere in einigermaßen regelmäßigen Abständen schlüpften, obwohl er es nicht genau wissen konnte. Er trug eine Uhr am Handgelenk, aber die war längst stehen geblieben. Aber selbst wenn, er hätte sie nicht zu Rate ziehen können, da er den Arm nicht heben konnte.
Langsam zog sich die Lähmung bis zu seinen Knien und Ellbogen zurück. Er konnte diese nun beugen, und darunter fühlten sich seine Gliedmaßen völlig normal an. Von Horst wusste, dass er, wenn ihm genügend Zeit blieb, irgendwann wieder alle Muskeln voll beherrschen würde.
Als er sich anstrengte, die unsichtbaren Fesseln zu durchbrechen, die ihn festhielten, zerbrach ein weiteres Ei, und kurz darauf lag Dangar ohne eine weitere Kreatur zu seiner Rechten – er würde der Nächste sein.
»Und nach dir, Dangar, komme ich. Ich glaube, ich werde vorher frei sein, aber ich wollte dich unbedingt retten.«
»Danke, mein Freund«, antwortete der Pellucidarer, »aber ich habe mich mit dem Tod abgefunden. Ich ziehe ihn dem Dasein vor, das ich jetzt friste – ein Kopf, der auf einem toten Körper sitzt.«
»So müsstest du nicht lange leben, da bin ich mir sicher«, sagte von Horst. »Meine eigene Erfahrung hat mich gelehrt, dass die Wirkung des Giftes irgendwann nachlassen muss. Normalerweise reicht es aus, um das Opfer lange über die Zeit hinaus gelähmt zu halten, in der es als Nahrung für die Jungtiere dient. Wenn ich mich nur befreien könnte, könnte ich dich sicher retten.«
»Lass uns von anderen Dingen reden«, sagte Dangar. »Ich möchte kein lebender Toter sein, und jetzt noch Hoffnungen zu hegen, lebend hier rauszukommen macht das unvermeidliche Ende nur noch bitterer.«
»Wie du willst«, sagte von Horst achselzuckend, »aber du kannst mich nicht davon abhalten, darüber nachzudenken – oder es gar zu versuchen.«
Und so sprachen sie von Sari und dem Land Amoz, aus dem Dian die Schöne gekommen war, und dem Land des Grossen Schattens und den unfreundlichen Inseln im Sojar Az. Von Horst spürte, dass es Dangar gefiel, diese für ihn angenehmen Orte in Erinnerung zu rufen, doch als der Sarier die wilden Tiere und Menschen beschrieb, die dort anzutreffen waren, spürte von Horst, dass sie als entspannende Aufenthaltsorte viel zu wünschen übrig ließen.
Während sie redeten, entdeckte von Horst, dass er seine Schultern und seine Hüften bewegen konnte. Ein angenehmes Lebensgefühl durchströmte seinen ganzen Körper. Er wollte Dangar gerade davon berichten, als das verhängnisvolle Geräusch einer zerbrechenden Eierschale an die Ohren der beiden Männer drang.
»Auf Wiedersehen, mein Freund«, sagte Dangar. »Wir von Pellucidar machen uns nur wenige Freunde außerhalb unserer eigenen Stämme. Alle anderen Menschen sind Feinde, die man töten oder töten lassen kann. Ich bin froh, dich Freund nennen zu dürfen. Schau, das Ende naht!«
Das frisch geschlüpfte Trodon hatte bereits seine eigene Schale verschlungen und beäugte nun Dangar. In einem Moment würde es sich auf ihn stürzen. Von Horst kämpfte darum, sich zu erheben, aber etwas schien ihn noch zurückzuhalten. Dann stürzte sich das Reptil mit klaffenden Kiefern auf seine Beute.
Kapitel 3: Die einzige Hoffnung
Noch einmal versuchte von Horst, sich aufzurichten. Noch einmal sank er erschöpft zurück. Der Schweiß klebte in kalten Perlen an seinen ganzen Körper. Er wollte fluchen und schreien, aber er blieb stumm. Schweigsam war auch Dangar. Er schrie nicht wie die anderen, als der Tod über sie hereinbrach. Das Biest kroch jetzt auf ihn zu – kam näher und näher. Von Horst stemmte sich auf den linken Ellbogen, dann sank er zurück, aber dabei versuchte er, nach der Waffe an seiner Hüfte zu greifen – der Waffe, die er schon vorher vergeblich versucht hatte zu erreichen. Diesmal gelang es ihm. Seine Finger schlossen sich um den Griff. Er zog die Pistole aus dem Holster. Wieder stemmte er sich teilweise auf einen Ellbogen. Der Trodon war fast über Dangar, als von Horst feuerte. Das Vieh stieß einen durchdringenden Schrei aus, sprang hoch in die Luft, flatterte einen Augenblick lang vergeblich mit den Flügeln und fiel dann schwer auf den Boden der Grube – tot.
Dangar sah von Horst erstaunt und dankbar an. »Das warst du«, sagte er. »Ich bin dir dankbar, aber was wird es uns nützen? Wie sollen wir jemals aus dieser Grube entkommen? Selbst wenn es einen Weg gäbe, könnte ich ihn nicht benutzen – ich, der ich nicht einmal einen Finger bewegen kann.«
»Das bleibt abzuwarten«, antwortete von Horst. »Wenn die Lähmung bei dir nachlassen wird, werden wir einen Weg finden. Du hast nicht erwartet, diesem Trodon zu entkommen, und doch bist du lebendig und der Trodon tot. Woher willst du also wissen, was möglich ist und was nicht?«
»Du hast recht«, antwortete Dangar. »Ich werde nie wieder an dir zweifeln.«
»Jetzt sollten wir versuchen, Zeit zu gewinnen«, rief von Horst. Dann hob er Dangar auf, trug ihn über den Spalt und legte ihn neben das letzte Opfer, das der erwachsene Trodon hereingebracht hatte. Als er sich neben ihn legte, bemerkte er: »Das nächste, das schlüpft, wird keinen von uns erwischen, denn es wird auf die andere Seite des Spalts gehen.«
»Aber was ist mit dem alten Vieh, wenn es das nächste Opfer bringt?«, fragte Dangar. »Wird es nicht bemerken, dass sich unsere Positionen verändert haben? Und dann ist da noch der Kadaver seines Jungtiers. Was meinst du, was es damit machen wird?«
»Ich bezweifle, dass der Trodon uns überhaupt bemerken wird«, antwortete von Horst, »aber wenn er es tut, werde ich darauf vorbereitet sein. Ich habe noch meine Pistole und reichlich Munition. Und was das tote Küken angeht, so werde ich es sofort entsorgen. Ich denke, wir können es sogar gebrauchen.«
Dann erhob er sich und schleppte den Kadaver zu einer Seite der Grube, wo er ihn hinter mehreren Eiern versteckte. Dann untersuchte er ihn genau und tastete seine Haut ab. Offenbar zufrieden, zog er sein Jagdmesser und machte sich an die Arbeit, die Haut vom Kadaver abzuziehen.
Er arbeitete zügig, aber sorgfältig. Er richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf diese Aufgabe gerichtet, so dass es erschrak, als das durch den Kratermund einfallende Sonnenlicht kurzzeitig unterbrochen wurde.
Als er aufblickte, sah er, dass der Trodon mit einem weiteren Opfer zurückkam. Sofort legte er sich am Rande der Grube hinter einigen Eiern, die er arrangiert hatte, auf den Boden, zog seine Pistole und wartete.
Nebst seinem Haarschopf und en Augen ragte nur noch etwas über eines der Eier empor – die kalte, schwarze Mündung seiner Waffe. Von Horst beobachtete, wie das ahnungslose Reptil sein Opfer