Für von Horst war es keine Frage, was er als nächstes tun sollte. Er konnte nicht einfach tatenlos zusehen, wie ein Mensch von den grausamen Reißzähnen eines Hyaenodons in Stücke gerissen wurde, und so trat er hinter dem Felsen, der ihn sowohl vor dem Mann als auch vor dem Tier verbarg, hervor, damit er einen ungehinderten Schuss auf die Kreatur abgeben konnte. Er hob seine Pistole, zielte sorgfältig und feuerte. Es war kein Glückstreffer. Es war ein perfekt platzierter Schuss. Die Kugel bohrte sich geradewegs durch die linke Brust des Tieres und vergrub sich in ihrem Herzen. Mit einem Schmerzens- und Wutgeheul sprang das Raubtier vorwärts, fast bis zu von Horst, dann sackte es tot zu seinen Füßen zusammen.
Der Mann, den es verfolgt hatte, blieb erschöpft stehen. Mit weit aufgerissenen Augen und zitternd stand er da und starrte von Horst verwundert und erstaunt an. Als dieser sich zu ihm umdrehte, wich er zurück und umklammerte sein Messer noch fester.
»Geh weg!«, knurrte er. »Ich töte!« Er sprach dieselbe Sprache, die Dangar von Horst gelehrt hatte, die, wie er erklärt hatte, die gemeinsame Sprache aller Pellucidarer war.
»Du tötest was?«, fragte von Horst.
»Na dich.«
»Warum solltest du mich töten wollen?«
»Damit ich nicht von dir getötet werde.«
»Warum sollte ich das tun?«, fragte von Horst. »Ich habe dir gerade das Leben gerettet. Wenn ich gewollt hätte, dass du stirbst, hätte ich dich einfach dieser Bestie überlassen.«
Der Mann kratzte sich am Kopf.
»Da hast du wohl Recht«, gab er nach einigem Nachdenken zu. »Aber verstehen tue ich es nicht. Ich gehöre nicht zu deinem Stamm. Deshalb gibt es keinen Grund, warum du mich nicht töten solltest. Ich habe noch nie einen Mann wie dich gesehen. Alle anderen Fremden, die ich getroffen habe, haben sofort versucht, mich umzubringen. Außerdem bedeckst du deinen Körper mit eigenartigen Fellen. Du musst wohl aus einem fernen Land kommen.«
»Das tue ich«, versicherte ihm von Horst, »aber die Frage ist nun, ob wir Freunde oder Feinde sind.« Wieder fuhr sich der Mann nachdenklich mit den Fingern durch seinen schwarzen Haarschopf. »Das ist jetzt sehr eigenartig«, sagte er. »Ich habe noch nie von so etwas gehört. Warum sollten wir Freunde sein?«
»Warum sollten wir Feinde sein?«, fragte von Horst verblüfft. »Keiner von uns beiden hat dem anderen je etwas zuleide getan. Ich stamme aus einem sehr fernen Land, ein Fremder in deinem. Würdest du in mein Land kommen, würde man dich gut behandeln. Keiner würde dich töten wollen. Man würde dir eine Unterkunft und Essen geben. Die Menschen würden dir gegenüber freundlich sein, einfach weil sie von Natur aus freundlich sind und nicht, weil du ihnen von irgendeinem Nutzen sein könntest. Es wäre doch viel praktischer, wenn wir hier Freunde wären, denn wir sind von gefährlichen Bestien umgeben. Und zwei Männer können sich besser schützen als einer.
»Wenn du aber mein Feind sein willst, so liegt das an dir. Ich kann meinen Weg gehen und du deinen. Wenn du versuchen willst, mich zu töten, ist auch das deine Sache, aber vergiss nicht, wie leicht ich diese Bestie hier getötet habe. Genauso leicht könnte ich dich töten.«
»Deine Worte sind wahre Worte«, sagte der Mann. »Wir werden Freunde sein. Ich bin Skruf. Wer bist du?«
In seinen Gesprächen mit Dangar war von Horst aufgefallen, dass kein Pellucidarer mehr als einen Namen hatte – abgesehen von gelegentlichen Zunamen wie der Haarige, der Schlitzohrige, der Killer oder ähnliches. Und da Dangar ihn gewöhnlich Von nannte, hat er diesen Namen zu akzeptieren begonnen. So war dies der Name, den er Skruf nun angab.
»Was machst du hier?«, fragte der Mann. »Das ist ein schlechtes Land, wegen der Trodons.«
»Ich habe diesen Ort nicht gesucht«, antwortete von Horst. »Ich wurde von einem Trodon hierher gebracht.«
Der andere beäugte ihn skeptisch. »Du wärst jetzt tot, wenn dich wirklich ein Trodon geschnappt hätte.«
»Einer tat es und nahm mich mit in sein Nest, um seine Jungen zu füttern. Ich und ein anderer Mann entkamen.«
»Wo ist er?«
»Unten am Fluss in unserem Lager. Ich war auf der Jagd, als ich dich traf. Ich bin ein paar Schafen durch die Schlucht gefolgt. Was hast du hier gemacht?«
»Ich war auf der Flucht vor den Mammutmenschen«, antwortete Skruf. »Einige von ihnen haben mich gefangen genommen. Sie wollten mich zurück in ihr Land bringen, um einen Sklaven aus mir zu machen, aber ich konnte ihnen entkommen. Sie verfolgten mich, aber als ich diese Schlucht erreichte, war ich in Sicherheit. Die Schlucht ist an vielen Stellen zu eng für Mammuts.«
»Was hast du jetzt vor?«
»Ich warte wohl so lange, bis sie die Verfolgung aufgegeben haben und werde dann in mein Land zurückkehren.«
Von Horst schlug vor, dass Skruf zu seinem Lager kommen und dort warten sollte. Danach konnten sie zu dritt so weit gehen, wie ihr Weg in dieselbe Richtung führte. Zuerst aber wolle er etwas Wild erlegen. Skruf bot an, ihm dabei zu helfen, und mit dessen Kenntnissen über die Schlucht dauerte es nicht lange, bis sie die Schafe gefunden und von Horst einen jungen Bock erlegt hatte. Skruf war sehr beeindruckt und nicht wenig erschrocken über den Knall der Pistole und die, für ihn, wundersamen Ergebnisse, die von Horst damit erzielte.
Nachdem sie den Bock gehäutet und das Gewicht des Kadavers zwischen ihnen aufgeteilt hatten, machten sie sich auf den Weg zum Lager, das sie ohne ernsthafte Zwischenfälle erreichten. Einmal griff ein Hirschbulle sie an, aber sie kletterten auf Bäume und warteten, bis er weg war, und ein anderes Mal kreuzte ein Säbelzahntiger ihren Weg; aber sein Bauch war bereits voll, und er zog unbeeindruckt weiter. So bahnten sie sich durch die primitive Wildheit von Pellucidar ihren Weg zum Lager.
Dangar war erfreut, dass von Horst sicher zurückgekehrt war, denn er kannte die vielen Gefahren, die einem Jäger in dieser wilden Welt drohten. Er war jedoch sehr überrascht, als er Skruf sah. Als ihm die Umstände erklärt wurden, stimmte er zu, den anderen ebenfalls als Freund zu akzeptieren, obwohl diese Beziehung zu einem Fremden seinem Kodex ebenso fremd war wie dem von Skruf.
Skruf kam aus einem Land namens Basti, das in der gleichen Richtung wie Sari lag, wenn auch viel näher, also wurde beschlossen, dass sie gemeinsam in Skrufs Land reisen würden, sobald Dangar sich erholt hatte.
Von Horst konnte nicht begreifen, woher diese Männer wussten, in welcher Richtung ihre Länder lagen, da es keine Möglichkeit gab, die Himmelsrichtungen zu bestimmen, noch konnten sie ihm das Phänomen erklären. Sie zeigten lediglich auf ihre jeweiligen Länder, und die lagen offenbar in derselben Richtung. Wie weit sie von zu Hause entfernt waren, wussten aber beide nicht, sie nahmen jedoch an, dass Sari sehr viel weiter entfernt lag als Basti. Was von Horst zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, war, dass jeder von ihnen, wie alle anderen Bewohner von Pellucidar, einen gut entwickelten Heimkehrinstinkt besaß, der mit dem der meisten Vögel identisch war und der sich besonders bei Brieftauben zeigt.
Als der Schlaf kam und ging und weitere Jagdausflüge notwendig wurden, um ihre Vorräte aufzufüllen, wurde Skruf immer ungeduldiger. Er war bestrebt, baldmöglichst in sein eigenes Land zurückzukehren, erkannte aber die größere Sicherheit, die eine Reise zu dritt mit sich brachte. Vor allem im Anbetracht von von Horsts Wunderwaffe, die auf beträchtliche Entfernung so leicht tötete. Er fragte Dangar oft nach, ob sich sein Zustand verändert hatte, und war auch nicht verlegen, seine Enttäuschung offen zu zeigen, wenn der Sarier zugab, dass er unterhalb seines Halses immer noch kein Gefühl hatte.
Bei einer Gelegenheit, als von Horst und Skruf weiter als gewöhnlich auf die Jagd gegangen waren, sprach der letztere seinen Wunsch an, in sein Land zurückzukehren. Und der Mann der äußeren Erdoberfläche erfuhr zum ersten Mal, warum Skruf so ungeduldig war.
»Ich habe meine Gefährtin gewählt«, erklärte Skruf, »aber sie verlangte den Kopf eines Tarag, um zu beweisen, dass ich ein mutiger Mann und ein großer Jäger bin. Während ich den Tarag jagte, nahmen mich die Mammutmenschen gefangen. Das