Der Strohmann. Dietmar Füssel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dietmar Füssel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754177150
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ganze war natürlich nur ein dummer Lausbubenstreich. Aber ihr habt darin einen Versuch subversiver Elemente gesehen, das Ansehen der USA in der Welt zu untergraben.“

      „Was wollen Sie?“, entgegnete der Agent gekränkt. „Immerhin ist es uns im Zuge unserer Ermittlungen gelungen, im Haus des Außenministers eine Maus aufzuspüren, deren Fell total verwanzt war.

      Ganz so harmlos, wie Sie denken, war diese Angelegenheit also auch wieder nicht. Und diesmal ist die Bedrohung noch tausendmal ernster.“

      „Geben Sie es auf“, sagte Winston. „Die Wahrscheinlichkeit, dass ich wieder als Detektiv arbeite, ist ungefähr so groß wie die Wahrscheinlichkeit, dass ... nun, dass zum Beispiel plötzlich auf der Straße vor meinem Laden Milch und Honig fließen.“

      „Entschuldigen Sie, ich muss ganz dringend mal telefonieren“, sagte der Agent hastig, zog sich den linken Schuh aus und bemerkte gerade noch rechtzeitig, dass er unterwegs in ein Häufchen Hundekot getreten war.

      „Sie haben nicht zufällig ein Stückchen Küchenrolle?“

      „Aber gern. Moment. Hier bitte“, erwiderte Winston, und nachdem der Agent den Schuh notdürftig gereinigt hatte, hielt er ihn sich ans Ohr und sprach in den Absatz:

      „Zentrale! Hier 003! Zentrale? Zentrale? Komisch, ich höre nichts.“

      „Wenn ich Ihnen einen kleinen Tipp geben darf: Das liegt vermutlich daran, dass sich das Telefon in Ihrem rechten Schuh befindet“, bemerkte Winston. „Es gibt zwar Leute, die glauben, man könne links und rechts nicht verwechseln, aber das ist ein Irrtum.“

      „Möglich wäre es“, gab der Agent zu und zog sich auch noch den rechten Schuh aus. „Ich hoffe, Sie halten mich jetzt nicht für einen kompletten Idioten, aber wissen Sie, wir bekommen so oft neue Ausrüstungsgegenstände, dass es unmöglich ist, sich alles immer ganz genau zu merken. Entschuldigung. Einen Moment bitte.

      Zentrale? Hier 003. Es geht um Folgendes, ich bin gerade bei James Winston, und ich habe ihn fast schon so weit.

      Es gibt da nur noch ein kleines Problem, und zwar brauche ich jetzt unbedingt von euch einen Tankwagen, der mit einem Gemisch aus Milch und Honig gefüllt ist. Die Sache ist nämlich die, dass er sich einen Bach aus Milch und Honig wünscht, der...“

      „Schluss mit dem Unsinn!“, rief Winston ärgerlich und entriss dem Agenten das Schuh-Telefon. „Hallo, Zentrale? Hier James Winston.

      Ihr Agent hat da etwas missverstanden. Ich habe dieses Beispiel nur gewählt, um zu verdeutlichen, dass ich auf gar keinen Fall wieder als Detektiv arbeiten werde. Also sparen Sie sich bitte diese idiotische Aktion.“

      Er gab dem Agenten seinen Schuh zurück, der ihn wieder an seinen Fuß steckte.

      „Tja, ich schätze, das war’s dann wohl“, sagte Winston. „Aber falls Sie irgendwann einmal einen Fisch kaufen wollen, können Sie mich selbstverständlich herzlich gerne wieder besuchen.“

      „Sie wollen ja bloß nicht mehr als Detektiv arbeiten, weil Sie sich bei Ihrem letzten Fall bis auf die Knochen blamiert haben“, behauptete der Agent. „Und was Sie doppelt schmerzte, war, dass ausgerechnet Ihr Erzfeind, der Gangsterboss Chinchilla, Ihnen diese Niederlage zugefügt hat, um Sie vor den Augen der ganzen Welt bloßzustellen.“

      „Woher wollen Sie das wissen?“, fragte Winston.

      „Da staunen Sie, was? Wir haben natürlich unsere Erkundigungen eingezogen, bevor ich zu Ihnen geschickt wurde.

      Die CIA arbeitet gründlich, das sollten Sie eigentlich wissen, Winston.“

      „Für Sie immer noch Mister Winston, 003.“

      „Mister 003, Mr. Winston. Aber zurück zur Sache. Glauben Sie nicht, dass es besser wäre, nach einem glorreichen Sieg abzutreten als nach einer blamablen Niederlage?“

      „Im Prinzip schon. Aber mir wurde damals bewusst, dass ich alle Freude an meinem Beruf verloren hatte. Also beschloss ich, mein Detektivbüro dicht zu machen und mich stattdessen ganz meiner großen Leidenschaft zu widmen, nämlich der Fischzucht.

      Und Sie dürfen mir glauben, dass ich diesen Entschluss bisher noch keine Sekunde lang bereut habe.“

      „Nun, wenn das so ist, dann sind Sie auch bestimmt nicht daran interessiert, Chinchilla diese bittere Niederlage heimzuzahlen“, sagte der Agent listig, während er sich zum Gehen wandte. „Der Fall, mit dem wir Sie beauftragen wollten, wäre dazu die beste Gelegenheit gewesen. Deshalb haben wir uns ja an Sie gewandt, weil kein anderer Chinchilla so gut kennt wie Sie.

      Da Sie aber lieber Fischzüchter bleiben wollen – was ich verstehen kann, denn das ist eine sehr schöne, friedliche, beschauliche Tätigkeit - bleibt uns nichts anderes übrig, als uns an einen anderen zu wenden. Schade. Nun denn: Schönen guten Tag noch, Mr. Winston.“

      „Warten Sie!“, rief Winston.

      „Was gibt’s denn noch?“, fragte der Agent. „Ach ja, ich habe ganz auf das Guppyweibchen vergessen, das Sie mir liebenswürdigerweise zu einem Sonderpreis angeboten haben.“

      „Nein, darum geht es nicht. Kommen Sie mit, ins Hinterzimmer. Ich muss zugeben, dass es Ihnen gelungen ist, mich neugierig zu machen. Natürlich denke ich nach wie vor nicht daran, den Fall zu übernehmen, aber möglicherweise könnte ich Ihnen einige wichtige Informationen zukommen lassen.“

      ***

      3. Kapitel

      „Also, schießen Sie los“, befahl Winston, nachdem sie im Hinterzimmer Platz genommen hatten, und schenkte sich einen vierfachen Whisky ein.

      Seinem Gast bot er vorsichtshalber nichts zu trinken an, weil er befürchtete, dass dieser das Angebot annehmen könnte.

      „Haben Sie sich zufällig die Rede unseres Präsidenten zur Lage der Nation angesehen, Mr. Winston?“

      „Leider nein. Wissen Sie, ehrlich gesagt interessiere ich mich nicht für Politik. Aber ich habe gehört, dass er keinen besonders guten Tag erwischt haben soll...“

      „Ganz recht, Mr. Winston. Diese Rede war eine einzige Katastrophe. Spätestens nach dieser Rede wird kaum noch jemand daran zweifeln, dass unser Präsident tatsächlich an hochgradiger Oligophrenie leidet.“

      „Entschuldigung. Oligo...“

      „Oligophrenie. Das ist der medizinische Fachausdruck für Schwachsinn.“

      „Alles klar. Aber eigentlich habe ich nicht den Eindruck, dass er besonders darunter leidet. Auf mich wirkt er eigentlich immer ziemlich zufrieden und ausgeglichen. Die Leidtragenden dürften doch wohl eher diejenigen sein, die die Folgen seiner schwachsinnigen Entscheidungen ausbaden müssen.

      Und das sind glücklicherweise meistens irgendwelche Ausländer.“

      „Das stimmt natürlich, Mr. Winston. Aber trotzdem hat diese völlig missglückte Rede seine Chancen auf eine zweite Amtsperiode nicht gerade verbessert. Nach jüngsten Umfragen halten ihn nur noch knapp 30 % für einen guten Präsidenten, und wenn der Kandidat der Demokraten auch nur einigermaßen attraktiv ist...“

      „Alles gut und schön, aber was geht mich das an?“, unterbrach Winston. „Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich habe nichts gegen unseren Präsidenten. Ganz im Gegenteil, ich habe ihn sogar selbst gewählt. Aber ich würde schön langsam gerne wissen, was das alles mit Chinchilla zu tun haben soll.“

      „Dazu komme ich gerade, Winston... äh... Mr. Winston.

      Für die Vorwahl der Demokraten haben sich bisher drei Kandidaten angemeldet:

      Dr. James Black, der Nobelpreisträger für Medizin, dem es gelungen ist, Heilmittel gegen AIDS, Krebs und Altersschwäche zu finden, dann der ehemalige Bodybuilder und nunmehrige Filmschauspieler Charlton Davis und, last not least, Willy, der weltberühmte dressierte Schimpanse.

      Dr.