2050. Jennifer Schumann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jennifer Schumann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783754927403
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Geräusche. Ich vermute, sie haben auch den Rest des Bunkers in die Luft gejagt, was mit den anderen ist, weiß ich nicht. Ob sie überlebt haben, ob sie gerettet wurden oder einfach unter den Trümmern begraben wurden. Der Hubschrauber landete nach einem langen Flug in einem versteckten Hangar, aber von hier an wissen Sie alles.«

      »An mehr können Sie sich nicht erinnern?«

      »Nein, alles, was ich weiß, habe ich gerade erzählt.«

      »Okay, vielen Dank für Ihre ausführliche Beschreibung des Geschehens.«

      »Solange ich Ihnen damit in einer Weise helfen kann.«

      ⁂

       Der Mann, der die Befragung durchführte, verlässt den Raum, schließt die Tür hinter sich und wendet sich einem Kollegen zu.

      »Scheint gut gelaufen zu sein, er erinnert sich nur an das, was wir ihm vorgegeben haben. Die neue Technik scheint Wirkung zu zeigen, die Probleme sind anscheinend verschwunden. Es hat sich gelohnt, die Behandlung zu wiederholen. Ich denke, wir können ihn bald entlassen. Er scheint stabil zu sein.«

      »Wir sollten noch ein paar letzte Tests durchführen, doch danach spricht nichts mehr dagegen, dann kann er zu den anderen und sich eine neue Identität aufbauen. Hoffen wir, dass es auch beim Kontakt zu anderen zu keinen unerwünschten Nebenwirkungen kommt.«

      »Bisher hat alles funktioniert. Es wäre schlecht, wenn einer der Geheilten sich erinnert, das darf einfach nicht passieren. Sie dürfen nicht erfahren, wie es wirklich war und warum sie hier sind. Nur wenn wir das garantieren können, kann unser Projekt hier weitergeführt werden.«

      »Hoffen wir, dass das bei den anderen auch so gut funktioniert.«

      Ich, Jonas, wurde am 10.12.2004 in Würzburg geboren und bin aktuell Schüler in der 10. Klasse. Hier nehme ich an einem Schreib-Kurs teil, und habe anlässlich dieses den obigen Text verfasst.

      Apocalyptica

       Galax Acheronian

      Genüsslich strecke ich mich in alle Richtungen. Die halbe Nacht gezockt, den ganzen Morgen geschlafen. Einzig der Hunger treibt mich aus den Federn. Kraftlos taste ich nach der Lampe neben meinem provisorischen Bett, inmitten dieses ebenso provisorisch hergerichteten Kellerraumes, ohne Fenster und Heizung, stets ein wenig muffig.

      Wie spät es wohl ist? Eigentlich egal, denn inzwischen ist jedes Gefühl und Bewusstsein von Zeit ohne Bedeutung. Während des Dienstes in der Armée française riss mich der Wecker zu einer Zeit aus dem Schlaf, die heute meinen Bettgang stellt. Monate ist meine Fahnenflucht nun her, verfolgt werde ich noch immer. Im Grunde absurd, denn die Notwendigkeit einer Armee und insbesondere meinen damaligen Befehl gibt es nicht mehr. Denn all die ach so wichtigen Persönlichkeiten unserer Welt sind längst entkommen und gelangten, wenn auch nur zum Teil unbehelligt, auf ihre verdammte Arche. Der letzte weltweite Befehl an alle Militärs war es, diese Leute während ihrer Flucht zu schützen.

      Zurück blieben wir Diener, Befehlsempfänger und Arbeiter. Einzig, um auf den Tod zu warten.

      Ich taste nach der Bedienung des Mediasystems. Es streamen nicht mehr viele Sender, aber einige machen noch immer ihren Job, stellen sich quasi in den Dienst der Menschheit. Ein wenig erinnern sie an die Musiker auf der Titanic, die der Überlieferung nach bis zuletzt gespielt haben sollen.

      Ich lade die nach meinen Interessengebieten, Regional-, Welt- und Fortschrittsberichten, vorsortierte Auswahl aktueller Nachrichten, welche mit jedem Tag weniger werden. Die Strukturen von einst sind noch immer vorhanden, digital wie real. Die Menschen nutzen sie nur anders, werden von lästiger Werbung verschont und müssen nirgendwo mehr Gebühren oder Freischaltungen zahlen. Nur zwei verfügbare Berichte stehen in meinem Angebot, die ich beide zum Abspielen auswähle.

      »Ich grüße Sie«, beginnt eine Sprecherin mit trauriger Stimme. »Wir schreiben den fünfzehnten Mai 2050 und es bleiben uns nur noch wenige Tage. Also machen Sie das Schönste daraus. Tun Sie, was auch immer Sie jemals tun wollten.« Bilder von überfüllten Stränden werden eingeblendet. Überall auf der Welt sind Menschen auf der Suche nach Ausgleich und Vergnügen, solange es geht. Sie feiern, singen, liegen sich in den Armen, weinen oder trinken.

      Seit Jahren das gleiche Bild. Niemand ist mehr daran interessiert, einen Konflikt herbeizurufen, sich zu bereichern oder langfristige Ziele zu verfolgen. Vergnügungsparks wurden von den Menschen übernommen und haben daher rund um die Uhr geöffnet. Berge werden bestiegen, Schiffe, Panzer oder Flugzeuge von einfachen Menschen ausprobiert. Aus dem Off setzte die Stimme der Sprecherin wieder ein. »Knapp fünf Jahre ist es inzwischen her, dass der Asteroid Apocalyptica entdeckt und als Bedrohung erkannt wurde«, erinnert sie unnötigerweise an den Felsbrocken, der beinahe ein Viertel des Mondes misst, und einen direkten Kurs auf die Erde hält. Wie ein zweiter Erdtrabant wandert er über das Firmament und kündigt schweigend das nahende Ende an.

       »Abermals verließen in der zurückliegenden Nacht einige der letzten verbliebenen Persönlichkeiten unsere Welt. Zwei private Raumshuttles wurden bei dem Versuch, der Arche nachzufliegen, aufgrund eines Antriebsfehlers zerstört.«

      Bilder eines zerbrochenen und abstürzenden Schiffes dominieren den Bildschirm.

      Die zweite Meldung enthält die Berichterstattung betreffend der Arbeiten am Projekt Orion, und die Erkenntnis, dass die Stadt am Grund des Ozeans nicht rechtzeitig fertig wird. Einige wenige Milliardäre unserer Welt, die, die sich schon immer sozial engagierten, weigerten sich damals, die Arche mitzufinanzieren und zu betreten. Stattdessen nutzten sie ihr Vermögen für das Orionprojekt, um so vielen Menschen wie möglich das Überleben zu sichern. Die Zeit war jedoch zu knapp, und ehrlich gesagt hätte es mich auch überrascht, wenn ein solches Vorhaben tatsächlich gelungen wäre.

      Noch im Pyjama entriegele ich die Tür zum eigentlichen Keller meines Elternhauses. Von außen ist die Tür als solche nicht zu erkennen. Vater montierte einfach ein leeres Weinregal an die Außenseite; simpel und genial zugleich. Wenn es nicht so ernst wäre, würde ich es cool finden, denn schon als Kind wollte ich genauso wie Batman ein Geheimversteck haben.

      Ich nehme die Treppe in die erste Etage und spähe in den Wohnbereich, der in einem hellen Rotton erstrahlt. Dazu passend ist es spürbar warm hier oben, da die Sommersonne seit dem frühen Morgen auf das Haus niederschlägt. Rotbraune Vorhänge verdecken die Fenster, nicht wegen der Hitze, sondern um mich vor möglichen Augen und Sensoren zu verbergen.

      Zähneputzen, waschen mit sonnengewärmtem Wasser und anschließend die Morgentoilette – in dieser Reihenfolge. Der nächste Fluss befindet sich einen halben Tag entfernt, daher sparen wir unser Wasser, wo immer es möglich ist. Mein nächstes Ziel ist die Küche im vorderen Bereich des Hauses. Bereits im Korridor höre ich Geschirr klappern.

      »Salut«, begrüße ich André, meinen kleinen Bruder, der offenbar schon länger auf den Beinen ist. Gestern Abend versprach ich ihm, im Laufe des heutigen Tages endlich unsere aktuelle Serie abzuschließen. Es gibt noch so vieles, das er sehen sollte und nichts bedeutet mir mehr, als ihm sein viel zu kurzes Leben so angenehm wie nur möglich zu machen. Täglich muss ich still mit dem Gedanken kämpfen, dass er sein dreizehntes Lebensjahr nie erreichen und ihm alles Lebenswerte verwehrt bleiben wird. Niemals würde er sich verlieben oder jemanden ausführen können. Auch wird er nie alle Schönheiten dieser Welt kennenlernen und ebenso keine der Erfahrungen machen, die jeder Mensch einmal gemacht haben sollte. Es zerfrisst mich, wie es auch Mutter zerfressen hatte. Manchmal glaube ich, dass die tägliche Ablenkung aus Spaß und Abenteuer, die ich André biete, mir weit mehr hilft als ihm.

      »Salut«, grüßt er mit einem Lächeln zurück und schiebt sich sein schulterlanges Haar hinter sein Ohr. Vor zwei Jahren sind wir das letzte Mal bei einem Friseur gewesen; Dienstleistungen dieser Art gibt es einfach nicht mehr.

      Ich nehme