"Nein, wenn schon kurz, dann Rosana Jiménez. Der letzte Teil ist immer der Nachname der Mutter.", Fragen nach dem woher, wohin, Schule, Eltern, Geschwister, Vorlieben, politische Anschauungen usw. gingen hin und her. Hier trafen zwei völlig verschiedene Welten aufeinander und dabei war das Klima noch der geringste Unterschied. Rosana wollte so viel von den beiden wissen, und die beiden von ihr. Wenn Rosana erzählte, dann immer mit Händen und Füßen. Als wäre Deutsch die Sprache eines Urvolkes, bei der das gesprochene Wort erst einen Sinn ergibt, wenn man die zugehörige Handbewegung sieht, musste sie jede Bemerkung mit einer Geste verbinden. Etwas Besonderes wurde durch einen Kuss auf ihre zusammengepressten Daumen und Zeigefinger untermalt, bei heiklen Dingen "ui, jui, jui" schüttelte sie ihre Hand, als wäre diese eingeschlafen. Das Logische kam nicht ohne nach außen gekehrte Handflächen aus, bei jeder Redepause strich sie mit dem kleinen Finger das Haar hinter ihr Ohr. Sprachen die Jungs für ihr Verständnis zu schnell, hob sie beide Hände, als wollte sie sich ergeben. Zählte sie mit gewichtiger Miene Dinge auf, 1-2-3, dann verwendete sie dazu nicht wie jeder normale Mensch Daumen, Zeige- und Mittelfinger, sondern hob erst den kleinen Finger, dann den Ringfinger und schließlich den Mittelfinger. Atsche versuchte dies hinter seinem Rücken nachzumachen, es wollte ihm nicht gelingen.
Wenn Rosana ihnen zuhörte, dann immer mit großen Augen und einem erwartungsvollen Lächeln auf dem Gesicht, wie ein kleines Kind, das staunend den Geschichten der Erwachsenen lauscht, als hätte sie derartige Dinge noch nie gehört. Was Atsche nicht vermutet hätte: Hier waren er und Hecki die Exoten für sie. War Rosana von irgendeiner Bemerkung besonders beeindruckt, legte sie wie selbstvergessen ihre Hand auf das Knie oder den Unterarm ihres Gegenübers und hörte gespannt zu, oder sie rüttelte gar mit ihren dünnen, braunen Ärmchen an seiner Schulter: "Erzähl weiter.". Atsche war von so viel Temperament und Offenherzigkeit überfordert und er wusste nicht, wie er dies deuten und noch weniger, wie er darauf reagieren sollte. Bei einem deutschen Mädchen hätte er ein derartiges Verhalten anders und eindeutig interpretiert. Aber ein innerer Instinkt gebot es ihm, auf Rosanas selbstverständlich erscheinende körperliche Berührungen nicht in gleicher Weise zu reagieren.
3. Das Paradies im Nebel
Als Atsche am nächsten Morgen erwachte, brummte ihm gehörig der Schädel. Einstweilen hielt er die Augen noch geschlossen und kramte aus seinem Gedächtnis hervor, was an Erinnerung vom letzten Abend hängengeblieben war. Umgehend stellte sich ein zufriedenes Gefühl bei ihm ein. Der gestrige Einstieg in sein neues Leben als Student war vollends nach seinem Geschmack verlaufen. Nun blinzelte er etwas, öffnete erst das linke, dann das rechte Auge und blickte an sich hinunter. Er sah sich in voller Kampfmontur auf dem Bett liegen, hatte noch all seine Sachen am Leibe und die Schuhe an den Füßen. Etwas hilflos orientierte er sich in der neuen, viel zu hellen Umgebung. Die Gitarre lag neben seinem Schrank, das arme Stück hatte er gestern also auch noch gequält. Seine beiden Mitbewohner waren verschwunden, ihre Betten gewissenhaft gemacht und ihre Hauslatschen in Reih und Glied. Die Streber waren doch tatsächlich zu der banalen Begrüßungsveranstaltung gegangen. Nicht ganz zu ihrem ordentlichen Abgang wollte der Umstand passen, dass die Tür sperrangelweit offenstand und Holzsplitter auf dem Boden lagen. Oh ja, langsam erinnerte er sich wieder. Es musste jetzt gegen zehn sein. Seine Klamotten stanken bestialisch nach Rauch, und er selbst? Er schnüffelte unter seinen Achseln: Der eigene Geruch ist leicht zu ertragen, aber vielleicht sollte er ausnahmsweise etwas Wasser an seinem Körper lassen.
Mühsam erhob er sich, ging die zwei Schritte zum Schrank und kramte aus seinem Rucksack Handtuch, Seife und Zahnbürste hervor. Gestern war einfach keine Zeit gewesen, alles auszupacken. Also los jetzt, ab in die Waschkaue. Mit seinen Hygieneartikeln unterm Arm trat er entschlossen vor die Tür: er sah auf einen langen Gang, beidseitig von Zimmertüren gesäumt. Wo ist die Dusche? Gibt es hier überhaupt eine Dusche oder musste er sich in einem primitiven Waschraum der Ganzkörperwäsche unterziehen, wie bei der Armee? Zuerst ging er nach rechts. Das Wohnheim hatte seine besten Zeiten bereits hinter sich. Obwohl an Jahren noch nicht alt, machte es einen vernachlässigten Eindruck. Selbst bei Tageslicht war es auf den Gängen dunkel. In der gewählten Richtung fand Atsche nur die Gemeinschaftsküche. Er machte kehrt. Auch auf der anderen Seite nichts weiter als Zimmertüren. Am Treppenaufgang angekommen gab es wieder zwei Möglichkeiten: nach oben oder nach unten? In den oberen Geschossen würde es sicher genau so aussehen wie hier, also stieg er die Treppe hinab. Im Kellergang führten dicke, isolierte Rohre an der Decke entlang, an den Wänden platzte die Farbe in handtellergroßen Fladen ab. Eine einzige Lampe spendete trübes Licht. Modriger, feuchter Geruch hing in der Luft. Das war für Atsche das Signal, dass er hier auf der richtigen Fährte war. Seiner Nase folgend gelangte er an eine offenstehende Tür. Drinnen hörte er es plätschern, warmer Dampf schlug ihm entgegen. Kein Hinweis "Dusche", kein Männlein/Weiblein-Schild wie auf Toiletten. Er ging hinein. An der Wand stand eine lange Holzbank, darauf ein Häuflein Kleidungsstücke und eine Kulturtasche, offenbar von dem Studenten, der gerade duschte. Er zog sich aus und warf seine Sachen auf die Bank. Die Duschreihe selbst war nicht zu erkennen, dichter Nebel nahm die Sicht. Es war viel zu heiß, wie überall ließ sich wohl auch hier die Heizung nicht abstellen. Mit einem Stück Seife in der Hand tastete er sich in Richtung des Geräusches einer Dusche und als er auf wenige Meter etwas erkennen konnte, stand vor ihm Katrin - splitternackt! An ihren Namen erinnerte er sich tatsächlich noch, sie hatten sich gestern auf der Feier kennengelernt. Er war verwirrt. Noch nie hatte er ein erwachsenes Mädchen nackt gesehen. Bei seinem ersten und bisher einzigen Sex hatte er der Willigen gerade mal den Rock hochgeschoben.
"Hey Atsche. Auch nicht aus den Federn gekommen?", begrüßte sie ihn beiläufig, als würden sie sich lange kennen und zufällig auf der Straße begegnen. Sie schlug nicht, wie er erwartet hätte, die Arme vor der Brust zusammen, um ihren Busen zu verdecken. Sie hielt nicht schreckensbleich eine Hand vor ihre Muschi, während er selbst schon die Intension hatte, sein Gemächt und die riesige, hässliche Narbe von einer verpfuschten Operation an seinem Bauch zu bedecken. Nein, sie lächelte ihn einfach nur an und fuhr mit ihrer Körperpflege fort, ohne ihn weiter zu beachten. Sie seifte sich am ganzen Körper ein, als wäre sie allein auf der Welt. Ihre langen braunen Haare hatte sie hochgesteckt. Nur einige kürzere Strähnen, die von der Spange nicht erfasst wurden, formten in ihrem Nacken einen feinen Kranz, der ein unartiges spielerisches Gegenstück zu dem strengen Knoten bildete. Instantamente verspürte Atsche das animalische Verlangen, ihre Schultern zu packen und sich in diesem nun bloßgelegten Hals festzubeißen. Ihre Brüste waren gerade so groß, dass eine davon genau in seine Hand passen würde und sie schienen so fest, als wären sie ein Produkt der Stahlindustrie. Das Mädchen hatte eine nur spärliche Schambehaarung, und da in jenen Zeiten niemand nichts von der körpereigenen Behaarung kürzte, das Haupthaar ausgenommen, war dies der natürliche Zustand, den sie freimütig preisgab. Vor Atsche stand hier nicht irgendetwas, das war ein perfekter Körper, eine achtzehnjährige Puppe aus Fleisch und Blut - und das ganz und gar nackt! Er versuchte, sich zusammenzunehmen.
"Katrin, tut mir leid, ich wusste nicht, dass das hier die Mädchendusche ist.", nichts tat ihm leid.
"Hast du gestern nicht geduscht? Das hier ist nicht die Frauendusche. Es ist auch nicht die Männerdusche. Es ist die einzige Dusche, für alle.", gnädiger Gott, dachte Atsche, ich danke dir! Das hieße, er würde ALLE Mädels aus diesem Wohnheim früher oder später nackt sehen, und irgendwann auch die rassige Rosana! Das war sensationell, einfach unglaublich.
Mit Mühe fand Atsche seine Fassung wieder. Er überlegte, ob er sich aus Anstand weit von ihr entfernt postieren sollte, verwarf diesen Gedanken aber sofort und stellte sich direkt neben Katrin unter den nächsten Duschkopf.
"Du willst dir deine Haare doch wohl nicht mit Seife waschen?", sagte Katrin mit Blick auf Atsches mittellange, blonde Haare und das Stück Seife in seiner Hand.
"Ich habe bei der Abfahrt so eilig gepackt, da ist etliches liegengeblieben."
"Willst du mein Shampoo?"
"Himmel nein, dann rieche ich ja wie ein Mädchen.", natürlich wollte er das Shampoo.
"Ach was, hier nimm!", sie streckte ihm ihren Arm entgegen, das Shampoo in der Hand. Da brach der Schalk in seinem Gemüt durch.
"Geh