Bitte, gib nicht auf.. Denise Docekal. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Denise Docekal
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752923889
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er hob wieder seinen Blick: „Ist ein toller Job. Und wenn nichts zu tun ist, darf ich lernen, lesen oder sonst was machen.“, er zuckte mit den Schultern: „Also eine Win-Win-Situation.“

      „Ich glaube dir, dass das ein toller Job ist.“, ich drehte mich um, um einen Blick auf all diese wunderbaren Bücher werfen zu können: „Den ganzen Tag von ihnen umgeben zu sein muss wirklich schön sein.“

      „Du sprichst über Bücher, als wären sie deine Freunde.“

      Ich zuckte mit den Schultern und wandte mich ihm wieder zu: „Sind sie auch irgendwie. Sie haben mir in vielen Situationen geholfen. Und sie sind loyal, was man nicht von allen Freunden sagen kann.“

      Adam nickte zustimmend: „Versteh mich nicht falsch, ich mag das. Ich rede auch meistens von ihnen so, als wären sie Menschen.“

      Ich grinste ihn glücklich an.

      Ich hatte noch nicht sehr viele Menschen getroffen, die in diesem Bereich ähnlich dachten wie ich.

      Bisher waren es immer mein Bruder und ich gewesen, die unsere Bücher als Kumpels betrachtet hatten.

      Ich machte wieder einen Schluck von meinem Kaffee. Mir brannte schon seit heute Morgen eine ganz spezielle Frage auf der Zunge. Die ganze Zeit schon überlegte ich, ob ich sie ihm stellen soll oder wie ich sie ihm stellen sollte.

      Nun atmete ich tief durch und sprach sie aus: „Du hast gesagt, dass du weißt, wie es ist, sich die Schuld am Tod eines geliebten Menschen zu geben. Woher weißt du, wie sich das anfühlt?“

      Adams Finger, die gerade noch über die Tastatur geflogen waren, erstarrten. Seine gesamte Körperhaltung wirkte direkt angespannter als zuvor. Er räusperte sich, sprach aber trotzdem mit einer rauen Stimme, als ob er gerade eine Packung Zigaretten geraucht hätte: „Meine Mutter ... also, sie ist gestorben, weil sie mich geboren hat. Sie hat meine Geburt damals nicht überlebt. Ihr Herz hat einfach aufgehört zu schlagen.“, er schluckte hart: „Wenn du Geburtstag hast, am Todestag deiner Mutter, dann fängst du an darüber nachzudenken und dir die Schuld dafür zu geben.“, sein Blick glitt zu mir: „Ich habe wirklich lang gebraucht, um zu verstehen, dass ich keine Schuld an ihrem Tod hatte. Die hatte niemand. Auch wenn es unglaublich weh tut, sich das einzugestehen, aber es gab keine Möglichkeit zu sie zu retten.“

      Oh mein Gott.

      Das war eines der letzten Dinge, mit denen ich gerechnet hatte. Eigentlich hatte ich eine Geschichte über seinen Hund aus Kinderzeiten oder ähnliches erwartet.

      „Tut mir leid, dass du sie nie kennen lernen konntest.“, flüsterte ich leise, weil ich das Gefühl hatte, dass ein zu lautes Wort die Welt einstürzen lassen würde.

      Adam schien so, als wolle er das ganze abtun, aber dann sah er mir in die Augen und nickte: „Danke.“, sprach er genauso leise weiter: „Und Mary, wir sind nicht an dem schuld, was anderen passiert. Wir können das Leben nicht beeinflussen. Es passiert einfach.“

      Ich wollte ihm so gern glauben. Ihm zustimmen und sagen „Ja, alles wird wieder gut.“, aber es ging nicht. Denn ja, er war nicht schuld am Tod seiner Mutter. Er hätte den Ausgang nie beeinflussen können. Aber ich hätte Markus retten können. Ich hätte dafür sorgen können, dass er heute noch am Leben wäre.

      Aber auch das sprach ich nicht aus.

      Stattdessen trank ich weiter meinen Kaffee und fing an, mich ein wenig durch die Bücher zu wühlen.

      Adam zeigte mir in den nächsten paar Stunden einen ganzen Haufen Neuerscheinungen – er hatte recht, da waren wirklich viele nach meinem Geschmack dabei – kümmerte sich um vereinzelte Kunden, die kamen und unterhielt sich die restliche Zeit mit mir über Bücher. Er kannte sich wirklich gut aus – bei so gut wie jedem einzelnen Genre. Als hätte er von jedem einzelnen eine Vielzahl an Büchern gelesen. Irgendwann fing er an mich auszufragen, bei welchen Genres ich mich am wohlsten fühlte.

      Zwischendurch holte ich uns vom asiatischen Take-Away Mittagessen und Adam nahm eine Lieferung entgegen, die wir gemeinsam in die Regale räumten.

      Er hatte Recht behalten.

      Ich fühlte mich in diesem Buchladen wirklich pudelwohl. Selbst, wenn Adam sich um Kunden kümmerte oder kurz ins Hinterzimmer ging, fühlte ich mich nicht ein einziges Mal einsam. Das war eine nette Abwechslung, auch wenn mich kurz darauf schon wieder das schlechte Gewissen plagte.

      Es war nicht fair, Markus für so viele Stunden in die hinterste Ecke meines Kopfes zu rücken. Es war nicht fair, ohne ihn zu lachen.

      Ich fühlte mich wie die schlechteste Schwester der Welt.

      „Als ich fünfzehn war, habe ich diesen Autor über alles geliebt. Jedes seiner Bücher habe ich auf einen Zug verschlungen. Ich war ein paar Wochen echt down, als mir klar geworden ist, dass ich alles von ihm gelesen hatte.“, sagte Adam gerade, während er die Neuerscheinungen ins Regal räumte.

      „Dann hast du ja was zu tun.“, ich sah ihn mit einem eingefrorenen Grinsen an. Meine Gedanken waren gerade noch wo ganz anders gewesen, wodurch ich einen Moment brauchte, um verstehen zu können, von welchem Autor Adam sprach.

      Lachend legte er eines der Exemplare zur Seite und räumte den Rest ein. Nun warf ich einen genaueren Blick auf das Buch.

      Der Autor war auch einer von Markus‘ Lieblingsschriftstellern gewesen. Auch er hatte eine Phase gehabt, in der er nichts anderes gelesen hatte, als seine Bücher.

      Die Erinnerung an damals schmerzte. Markus hatte immer total begeistert von den Büchern gesprochen, hatte mir stundenlang von der Handlung berichtet. Und da das Ende meist offen war, haben wir uns anschließend ständig darüber unterhalten, wie das Buch wohl weitergehen würde.

      Ich vermisste diese Unterhaltungen.

      „Hast du auch solche Autoren? Ich meine solche, von denen du nicht genug kriegen kannst?“, Adam nahm den leeren Karton und faltete ihn zusammen.

      Ich überlegte einen Moment. Hatte ich solche Autoren gehabt. Klar, von einigen hatte ich mehrere Bücher gelesen. Aber es gab nur eine Autorin, bei der ich wirklich heulen musste, als ich gemerkt habe, dass es von ihr keine weiteren Bücher mehr gab.

      Ich kratzte mich verlegen am Hinterkopf: „Es ist ein wenig mainstream.“

      Adam grinste: „Oh, doch nicht etwa diese Twilight-Tante, oder?“

      Ich schüttelte lachend den Kopf: „Nein. J.K. Rowling. Harry Potter hat mich durch meine Kindheit begleitet und auch ihre anderen Bücher habe ich aufgesaugt.“, wurde ich gerade rot?

      „Das muss dir nicht peinlich sein. Ich habe Harry Potter auch geliebt. Hin und wieder lese ich einzelne Bücher heute nochmal.“, er musterte mich einen Moment lang: „Du erinnerst mich sogar ein wenig an Hermine.“

      Augenverdrehend ging ich an ihm vorbei, um den Müll von der Leseecke aufzusammeln, den wir vorhin mit unserem Essen gemacht hatten.

      „Wirklich.“, rief er aus der Kammer, in der er gerade die Kartons entsorgte: „Du bist eine genauso große Klugscheißerin wie sie!“

      „Hey!“, ich stemmte meine Hände in die Hüfte, als er wieder rauskam: „Ich will dich nur daran erinnern, dass Hermine öfter als einmal die Ärsche von Harry und Ron gerettet hat. Für mich war sie die eigentliche Heldin der Bücher. Rowling hätte die Bücher ‚Hermine Granger‘ und nicht ‚Harry Potter‘ nennen sollen.“

      Grinsend kam Adam näher: „Dann würden die Bücher von einem Schlammblut handeln, die die ganze Zeit ihren besonderen Freund retten muss. Hört sich für mich nach einer etwas komischen Storyline an.“

      „Schlammblut? Sag mir nicht, dass du Pro-Slytherin bist.“

      Adams Lachen wurde lauter: „Na und ob. Gut, Schlammblut habe ich nur gesagt, um dich aufzuziehen. Lass mich raten, was du bist. Ich tippe auf Ravenclaw.“

      Ha: „Falsch geschätzt. Gryffindor.“

      Augenverdrehend