Nach kurzer Unterredung ritt die Garde wieder zurück.
„Was gibt es zu berichten, Hwyrdun?“
„Die Kundschafter meinen, einen berittenen Bogenschützen auf der Flucht gesehen zu haben.“
„Wie weit entfernt?“
„Von der Spitze des Trupps aus gesehen, links, hinter den nächstgelegenen Hügeln. Der vorderste der Männer erblickte den Reiter durch einen Taleinschnitt.“
Das war genau die Nachricht, auf die er gewartet hatte.
„Richte den Spähern aus, sie sollen uns im gestreckten Galopp die Richtung vorgeben.“
Hwyrdun machte kehrt und holte erneut mit der Vorhut auf. Mraeghdar wendete sein Streitroß in die andere Richtung, und während er es vor der wartenden Reiterschar hin und her tänzeln ließ, rief er ihnen zu:
„Khyltrische Krieger! Aedhwyn und die Seinen schlagen die Beodhrim in die Flucht.“
Ratloses Schweigen schlug ihm entgegen. Mraeghdar wartete ein wenig, um die ernüchternde Nachricht ihre volle Wirkung entfalten zu lassen.
„Und wir?!“ brüllte er dann. „Lassen wir die Bastarde so einfach davonkommen?“
Jetzt ertönte als Antwort ein ohrenbetäubendes Gejohle. Lanzen wurden mit ausgestreckten Armen in die Höhe gereckt, Schwerter und Äxte streitlustig über Köpfen geschwungen. Vom plötzlichen Lärm aufgeschreckt, bäumten sich hie und da Reitpferde auf, andere schüttelten ihre Mähnen oder brachen zur Seite hin aus dem Verband hervor. Der Tumult war großartig, und Mraeghdar liebte den Anblick.
„Dhwyrd will es!“ stimmte er schließlich den Kampfschrei an.
„Ehre dem Kriegsgott!“ donnerte es wie aus einer Kehle zurück.
Der Großkönig hatte Mühe sein Roß zu bändigen, bis die beiden vorderen Späher ihre Abteilung und somit ihre eigenen, den yildrischen Kameraden in Obhut gegebenen Pferde erreicht und aufgesessen hatten. Dann wiederholte er mit erhobenem Schwert den Kriegsschrei, drückte seinem Hengst die Fersen in die Flanken und preschte im gestreckten Galopp bergan, den vorausreitenden Yildhrim hinterher. Im Rücken hörte er das erneut anschwellende Johlen und hundertfach dröhnenden Hufschlag. Im Sturm fegten sie über die erste Anhöhe hinweg, in die dahinterliegende Talsenke hinunter und wieder eine Anhöhe hinauf. Mraeghdar spürte, wie der feine Regen seine von Kriegslüsternheit erhitzten Wangen streifte.
Und dann sah er sie: wild auseinanderstiebende Scharen von Beodhrim, viele von ihnen beritten, in der Mehrheit aber Fußvolk. Wie es schien, hatte keiner der Bhyandrim die Verfolgung aufgenommen; dies war zweifellos der Umsicht Aedhwyns zu verdanken, der unfreiwillige Zusammenstöße mit Mraeghdars Leuten zu vermeiden suchte.
Auf dem höchsten Punkt der weitläufigen Kuppe angekommen, hielt der Großkönig an, band sich straff die Zügel um die Taille und griff überkreuz nach seinen beiden links und rechts gegürteten Schwertern. Dann drückte er seinem Hengst mit aller Macht erneut die Fersen in die Seiten, und nachdem sich das Tier wiehernd aufgebäumt hatte, galoppierte es voran, mitten in die beodrischen Horden hinein. Ringsum ergoß sich Mraeghdars Gefolge in das sanft auslaufende Tal und begann sein blutiges Werk zu verrichten. Während er auf einen berittenen Bogenschützen zuhielt, drangen bereits das Klirren aufeinanderprallender Waffen und erste Todesschreie an sein Ohr. Der Beodhir versuchte ihm noch auszuweichen und griff verzweifelt nach seinem Kurzschwert, mit dem er für den Fall eines Scharmützels ebenfalls bewaffnet war, aber es war zu spät. Zu überraschend kam Mraeghdars frontaler Angriff, und nach einem weitausholenden, mit dem rechten Arm ausgeführten Schwertstreich fiel er mit einer klaffenden Seitenwunde vom Pferd.
Unverzüglich sprang Hwyrdun aus dem Sattel. Er wollte dem Gefallenen den Todesstreich versetzen und ihm den Kopf vom Rumpf trennen, um ihn für seinen Herrn als Kriegstrophäe mitzuführen; dazu kam es jedoch nicht, da er zwei weitere Beodhrim abzuwehren hatte, die ihrem verletzten Stammesbruder zu Hilfe eilten. Tatsächlich war er den Bogenschützen im Nahkampf überlegen genug, um es mit beiden aufnehmen zu können. Dem von links auf ihn einstürmenden schlug er krachend den Schild ins Gesicht, während er den anderen in sein blitzschnell gezogenes Schwert rennen ließ. Die meisten der Beodhrim trugen weder Helm noch Rüstung, und Hwyrdun traf ihn in der Herzgegend, womit er ihn auf der Stelle tötete. Jetzt brauchte er nur noch dem anderen, vom Schildstreich benommenen von hinten am Schopf zu packen, ihm den Kopf in den Nacken zu reißen und ihm die Kehle zu durchtrennen.
Den nächsten Beodhir köpfte der Großkönig von eigener Hand. Der Mann war unberitten, weswegen es für Mraeghdar vom Pferd herab ein leichtes war, ihm die linkshändig geführte Klinge durch den Hals gleiten zu lassen. Es war grotesk anzusehen, wie der enthauptete, Blutfontänen aus dem Hals stoßende Rumpf noch einige Schritte weiterrannte, ehe er leblos in sich zusammensackte. Hraedlin laß den Kopf vom Boden auf und befestigte ihn am Zaumzeug seines Pferdes. Hwyrdun gab ihm derweil Rückendeckung. Es war ein in zahlreichen Kämpfen eingeübtes Zusammenspiel, und während des weiteren Schlachtverlaufs würden sie darin mehrmals die Rollen tauschen, je nachdem wie es die Lage gerade erforderte.
Unerbittlich hieb der Großkönig derweil die Feinde nieder.
Seine Schwertstreiche trafen ungeplant, aber nicht planlos. Kämpfen und Denken waren eins, der Verstand wohnte jedem einzelnen Glied des Leibes inne. Mraeghdar verzog keine Miene. Sein Atem ging heftig, aber gleichmäßig. Der Puls wurde von der körperlichen Anstrengung beschleunigt, während jede innerliche Regung einem kalten, leidenschaftslosen Kampfgeist gewichen war. Auf welches Ziel sich der Blick auch heftete, folgte ihm unweigerlich die Klinge. Als führte das Schwert den Arm, und nicht umgekehrt. Um Mraeghdar herum versank alles in einen purpurnen, dumpf lärmenden Nebel, und nur die von ihm zur Höllenfahrt ausersehenen hoben sich klar und deutlich daraus hervor.
Bis er sich irgendwann wie verwirrt umsah. Sein Reittier, mit dem er vorübergehend fast zu einem Wesen verschmolzen war, tänzelte führungslos auf der Stelle. Links und rechts ragten die abwärtsgeneigten Schwerter aus seinen Fäusten. Blut rann an den Klingen entlang und tröpfelte auf die Erde. Kein kampftüchtiger Feind war mehr in Sicht, und die Besiegten lagen am Boden, ihr Ende erwartend. Manche röchelten in ihren letzten Zügen. Die wenigsten baten um Gnade. Dann sah Mraeghdar seine eigenen Leute, wie sie Todesstöße versetzten, dabei ihre Trophäen einsammelten und sich vereinzelt darum stritten. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, wenn einige sich deswegen gegenseitig erschlügen. Und genau das brachte ihn jetzt endgültig zur Besinnung.
„Her zu mir, ihr Hunde!“
Augenblicklich wandten sich ihm aller Köpfe zu, zumindest in einem gewissen Umkreis, als er so unerwartet über das Schlachtfeld brüllte. Er ließ eines der Schwerter in die Scheide gleiten und lenkte sein Pferd zu zwei Kriegern hin, die bis vor wenigen Augenblicken lautstark und mit erhobenen Waffen das Recht beansprucht hatten, einen zu Boden gestreckten Beodhir zu enthaupten. Einem versetzte er aus dem Sattel heraus einen Tritt vor die Brust, dem anderen schlug er mit seiner linkshändig geführten Klinge klirrend das Schwert aus der Hand.
Der Beodhir beobachtete alles stumm und regungslos in einer Blutlache liegend, die sich mählich vergrößerte. Er atmete schwer und hielt, so gut er es vermochte, mit beiden Händen eine Wunde bedeckt, die sich vom Bauch bis zur rechten Hüfte zog. Neben ihm lag ein Rundschild, der einem der beiden im Streit um die Kopftrophäe aneinandergeratenen Krieger gehörte. Mraeghdar steckte auch das andere Schwert in die Scheide, löste die Zügel, stieg vom Pferd und bückte sich nach dem Schild. Er war aus Lindenholz, und seine Beschläge zogen sich über den gesamten Rand, von wo aus sie kreuzförmig zum Schildbuckel in der Mitte zusammenliefen. Den Schild an den Lederriemen an der Innenseite packend, die als Halterung für Unterarm und Griffhand dienten, stellte sich Mraeghdar mit gespreizten Beinen über den Beodhir. Jetzt hörte er ihn einen leisen, mühsam angestimmten Singsang vor sich hin murmeln und vermied es, ihm in die Augen zu sehen. Er