Der Gott des Zwielichts. Joachim Kurtz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim Kurtz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754187104
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die Geste, mit der er um Erlaubnis bat, sich entfernen zu dürfen. Augenblicke später hatte er den Schild angelegt und galoppierte, die rechte Faust um die Lanze geballt, in südöstlicher Richtung davon.

      Mraeghdar wendete sein Roß linksum und ritt, dicht gefolgt von seiner aus zwei berittenen Schwertkämpfern bestehenden Leibgarde, auf König Lyghdar zu, der vom Streitwagen aus seine Truppen inspizierte. Er tat dies schon zum zweiten Mal an diesem Morgen, aus purer Verzweiflung, wie es schien. Von unruhigem Wesen, wurde er untätiger Warterei schnell überdrüssig. Seinen Unmut pflegte er dann an seinen Leuten auszulassen, wofür sich immer irgendein Anlaß fand. Für diese Eigenschaft war er sehr gefürchtet. Mit seiner unbändigen, blonden Mähne, die ihm in jugendlicher Fülle über den Rücken wallte, bot er einen ebenso stattlichen wie furchteinflößenden Anblick. Selbst Mraeghdar, der wahrlich nicht leicht zu beeindrucken war, hätte nicht mit dem Vasallen tauschen mögen, an dem er gerade etwas zu bemängeln fand. Als Lyghdar den Großkönig herannahen sah, wandte er ihm langsam den Kopf zu; seine braunen Augen funkelten hoffnungsvoll, und die Enden des weit überhängenden Schnurrbarts hoben sich langsam, als er kampfeslüstern lächelte.

      „Du bringst gute Neuigkeiten, wenn ich deine Mine recht zu deuten weiß.“

      „Es gibt endlich etwas zu tun“, entgegnete Mraeghdar unumwunden. „Scharen von Yildhrim sitzen hinter den Hügeln dort und warten darauf, daß du deine Axt in ihre Schädel gräbst.“

      Lyghdar legte die Hand auf das breite, gerundete Metallblatt, dessen Schaft er an die rechte Hüfte gegürtet hielt, und befühlte mit dem Daumen den spitz aufragenden Rand der Schneide.

      „Reiche Ernte ist uns ein willkommener Ansporn. Ich hoffe nur, deine yildrischen Laufburschen führen mich und meine Männer nicht in einen beodrischen Pfeilregen, wie vor zwei Jahren, als....“

      „....sie eine Arglist nicht durchschaut haben. Was sie daraus gelernt haben, haben sie dir seitdem in mehr als einer Schlacht bewiesen. Wirst du einmal deinen Groll überwinden?“

       „Wenn ich mit eigener Hand so viele Kydhrimar niedergemacht habe, gleich welchen Stammes, wie ich durch beodrische Pfeile damals Krieger verloren habe, ist meine Rechnung beglichen.“

      Mraeghdar wies mit einer einladenden Armbewegung auf die Hügel im Südosten.

      „Labe dich an yildrischem Blut, wenn dich nach Rache dürstet!“ Und während er schon sein Pferd wendete, fügte er an: „Warte, bis Aedhwyn sich mit den seinen in Bewegung gesetzt hat. Dann ziehst auch du mit deinen Truppen los, auf die östlich der Ebene liegenden Hügel zu. Aedhwyns Scharen werden dir den Rücken freihalten, während du die Yildhrim niedermähst.“

      Mit diesen Worten preschte er davon. Im Rücken hörte er die sich entfernende Stimme Lyghdars, der die von ihm befehligten Truppen in Kampfbereitschaft rief. Kriegshörner erklangen, und die meisten der Krieger in Aedhwyns Reihen wandten, unruhig geworden, die Köpfe herum, während er an ihnen vorbeiritt. Der König war bereits vor sein Zelt getreten und ließ sich den ehernen Brustpanzer anlegen, als Mraeghdar und seine Garden ihre Pferde anhielten.

      Aedhwyn war ein betagter Mann. Im Gegensatz zu Lyghdar ermüdeten ihn lange Wartezeiten. War jedoch der Augenblick gekommen in den Kampf zu ziehen, gab es kein Halten mehr. Das Schlachtfeld war sein Zuhause. Ein altgedienter Vasall von Aedhwyns Vaters hatte Mraeghdar vor vielen Jahren anvertraut, bei seiner Geburt zugegen gewesen zu sein, und daß die Niederkunft während eines gemeinsamen Überfalls durch yildrische und dyraktrische Verbände geschah. Todesschreie, Waffengeklirr und das Heulen geschändeter Weiber, versicherte der ehemalige Waffenmeister und Erzieher des bhyandrischen Königs, hätten das Weinen des Neugeborenen übertönt.

      Mraeghdar verneigte sich vom Pferd herab vor dem greisen Herrscher, der ihm zugunsten einst die Großkönigswürde ausgeschlagen hatte. ‚Ich bin ein Krieger’, waren seine Worte gewesen, ‚aber mit dieser Bürde verschone mich. Mögen mich die Götter mit dem Schwert in der Hand zur Hölle fahren lassen, und nicht ohne ein paar Dutzend Feinde mit hinab zu reißen – dafür, und nur dafür, laß mir mein Reich an der Kydhrischen Mark! Den Zusammenhalt der Vandrimar lege ich in deine Hand. Dir werden sie folgen bis an den Rand der Welt. Und wenn es sein muß, noch weiter.’

      „Ehrwürdiger König und Heerführer“, sprach Mraeghdar ihn an: „bist du bereit?“

      „Mich brauchst du nicht zu fragen“, antwortete Aedhwyn gelassen und setzte sich den Helm auf. Dünnes, weißes Haar rahmte sein hageres Gesicht, in dem ein langes, fast ausschließlich dem Krieg gewidmetes Leben deutliche Spuren hinterlassen hatte. "Frag lieber den Feind.“

      Mraeghdar saß vom Pferd ab und trat neben den greisen König. Mit ausgestrecktem Arm wies er über die Ebene hinweg.

      „Den Worten meines Spähers nach zu urteilen, halten sich hinter den Hügeln dort die Beodhrim versteckt.“

      “Sie hoffen wohl daß wir geschlossen in die Schlacht marschieren, um uns mit ihren Pfeilen an der offenen Flanke zu treffen?“

      „Danach sieht es aus.“

      „Gut, es von vorneherein zu wissen. Das Heer kann jederzeit stehenbleiben und sich rechts umwenden.“

      „Was aber, wenn uns von der anderen Seite her die Yildhrim in den Rücken fallen?“

      Aedhwyn überblickte prüfend den Ort der bevorstehenden Schlacht.

      „Was gedenkt Lyghdar zu tun?“

      „Ich habe ihm Anweisung gegeben, sich ihnen am östlichen Rand der Ebene entgegenzustellen.“

      Nach einem weiteren Augenblick des Überlegens entgegnete Aedhwyn:

      „Bist du sicher, daß das kydhrische Heer sich geteilt hat?“

      „Kalyomelas habe ich erneut ausgesandt, um die Stellungen der Yildhrim zu erkunden. Wenn du deine Reiterei in das diesseitige Hügelland führst, wird dir wahrscheinlich auf halbem Weg Kerothys entgegenkommen und die Stellungen der Beodhrim bezeichnen. Ich werde mit meinen eigenen Leuten einen Bogen um sie schlagen und sie nach Möglichkeit von Süden her angreifen. Dein Fußvolk wird sich derweil in der Ebene ausbreiten, um....“

      „Sie sollen die beodrischen Pfeile abfangen, damit Lyghdars Leute im Kampf gegen die Yildhrim unbehelligt bleiben. Ich verstehe. Was wird dein eigenes Fußvolk unternehmen?“

      „Es wird sich teilen. Der rechte Flügel wird deine Reiterei unterstützen, der linke wird Lyghdar zu Hilfe eilen.“

      Aedhwyn strich seinen kurzen Bart glatt, während sein Blick den Horizont absuchte. Mraeghdar bestieg wieder sein Pferd.

      „Vertrau mir!“ rief er dem erfahrenen Heerführer zu. „Die Kydhrimar werden die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen und uns einkesseln wollen. Erteilen wir ihnen eine Lehre und nehmen sie selbst in die Zange!“

      Weiterer Worte bedurfte es nicht. Aedhwyn nickte und befahl, seinen Streitwagen zu bringen.

      Der Großkönig spornte sein Pferd an, um sich an die Spitze seiner Reiterschar zu begeben. Noch ehe er all seine Herzöge um sich versammelt hatte, sah er Aedhwyns Heerschar in die Ebene ausrücken.

      Als er einige Zeit später, gefolgt von seinen berittenen Kriegern, tief in das immer weiter ansteigende, karg von Heidekraut und niedrigen Sträuchern bewachsene Hügelland vordrang, setzte ein feiner Nieselregen ein.

      Und immer noch keine Spur von Kerothys. Geschweige denn von Kalyomelas; aber das war nicht verwunderlich, denn letzterer mußte, um zu ihm zu gelangen, nicht nur den mutmaßlichen beodrischen Stellungen ausweichen, sondern zudem die gesamte Ebene hinter sich bringen, wo zweifellos schon die Schlacht tobte. Kerothys dagegen hätte längst mit Aedhwyn aufschließen müssen, und der würde ihn nach erfolgter Berichterstattung unverzüglich ihm, Mraeghdar, hinterherschicken.

      Aufgebrochen waren sie in leichtem Galopp, den sie so lange beibehielten, bis Mraeghdar die Beodhrim in der Nähe wähnte und einen dreiköpfigen Spähtrupp vorausschickte. Wie lange trotteten sie unter dessen Führung nun schon dahin? Seine Ungeduld wuchs.

      Bis der