Mit Weite im Herzen. Ronja Erb. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ronja Erb
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742749482
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„wie ein großer, weißer Riese, der sich im Tal zum Schlafen gelegt hat.“

      „Ja“, sagte ich und fand, dass ihr Bild sehr treffend war.

      „Das Bad ist zwei Türen weiter, auf der linken Seite, vielleicht möchtest du dich etwas frisch machen. Ich werde dir ein Handtuch hinlegen und dann runtergehen, um das Abendessen vorzubereiten. Wenn es fertig ist, rufe ich dich“. Und als sie schon fast zur Tür draußen war, fügte sie noch an: „Lass dir ruhig Zeit, es wird etwas dauern, bis das Essen gekocht ist.“

      Ich setzte mich auf das Bett und fühlte mich wie ein Kind. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte ich die Beine schaukeln lassen. Außer dem Bett gab es nur noch einen Tisch, einen Schrank und eine kleine Kommode, auf der eine Nachttischlampe stand. Die Wände waren unverputzt und die Steine nur weiß übertüncht. Obwohl das Zimmer eher spartanisch eingerichtet war, hatte es eine gemütliche Atmosphäre.

      „Hamburg“, sagte ich laut. Wie weit weg mir das vorkam, und doch war es erst zwei Tage her, dass ich Deutschland verlassen hatte. Ich ließ alles in Gedanken Revue passieren: den Abschied von Marlis, den flüchtigen Blick auf Lars am Flughafen, die Tränen im Flugzeug. Die Hitze, die mir entgegengeschlagen war, als ich aus dem Flugzeug stieg. Das Taxi, das ich gerufen hatte, um vom Flughafen zum Hotel zu fahren, und dann das Aufwachen in der Bar. Mir fiel nun auch wieder ein, warum ich an der Bar angehalten hatte, ich hatte etwas essen wollen, denn das Frühstück im Flugzeug hatte ich verschlafen. „Von Hamburg“, wiederholte ich und fügte hinzu, „nach“, doch ich stockte, denn ich wusste gar nicht, wie der Ort hieß, in dem ich jetzt war, der Einfachheit halber sagte ich daher, „von Hamburg in das Dorf, das oberhalb von Windhoek in den Bergen liegt.“ Ich nahm mir vor, nachher beim Abendessen zu fragen, wie es hieß. Doch zunächst wollte ich dem Vorschlag von Pendukeni folgen und mich etwas frisch machen.

      Nachdem ich eine Dusche genommen hatte, sprang ich vergnügt die Treppe runter und hielt dabei meinen Bauch, dessen Rundung sich unter meinem T-Shirt abzeichnete. Es war eine Wohltat, frische Kleidung zu tragen und den Staub und Schweiß abgewaschen zu haben. Auch hatte ich den Eindruck, dass das Fieber gesunken war. Ich fühlte mich beschwingt und lief durch das Haus, als hätte ich hier schon immer gewohnt.

      In der Küche stand Pendukeni am Herd, und Nahas saß am Tisch und schrieb etwas auf einen Zettel. Es standen schon Teller auf dem Tisch und auch ein Topf, aus dem es dampfte.

      „Wir können gleich essen“, sagte Pendukeni.

      Ich setzte mich an den Tisch und legte meine Arme um den Teller, so wie ich es als Kind immer gemacht hatte, wenn ich mit hungrigem Magen auf das Essen wartete. Pendukeni klatschte in die Hände und sagte etwas zu Nahas, das ich nicht verstand. Ich nahm an, dass sie Afrikaans gesprochen hatte.

      Nach dem Essen unterhielten wir uns noch eine ganze Weile, anschließend bedankte ich mich für das Essen und ging hoch in mein Zimmer.

      Kapitel 5

      Der Abschied von Nahas und Pendukeni fiel mir schwer, denn ich hatte die beiden bereits sehr ins Herz geschlossen. Sie hatten mir unbeschwerte Tage geschenkt, in denen ich mich erholen konnte. Doch ich wollte ihnen nicht weiter zur Last fallen, auch wenn sie mir nicht das Gefühl gaben, dass ich sie störte. Ganz im Gegenteil, sie hatten mich liebevoll umsorgt und mir für einige Tage ein Zuhause gegeben.

      Ich drehte mich im Taxi um und sah durch die Rückscheibe, wie sie winkten. Ich hatte einen Kloß im Hals, doch ich wusste, dass ich zurückkehren würde, um sie wieder zu besuchen. Jetzt wollte ich aber zunächst Namibia kennenlernen, das Land, das meine neue Heimat werden sollte.

      Ich hatte mir einen Mietwagen reserviert, doch als ich bei der Autovermietung ankam, um das Auto abzuholen, war ich über dessen Zustand entsetzt. Der Wagen sah aus, als würde er es nicht mal mehr bis zur nächsten Kreuzung schaffen. Als ich versuchte, dem Angestellten des Mitwagenverleihers meine Bedenken verständlich zu machen und nach einem anderen Auto fragte, zuckte dieser nur mit den Achseln und meinte, dass das Auto schon noch eine Rundtour durch Namibia schaffen und kein anderes zur Verfügung stehen würde. Als ich dann in einem zweiten Anlauf, meine Bedenken zu äußern, darauf hinwies, dass die Reifen vollkommen abgefahren seien und bestimmt bald platzen würden und auch kein Ersatzrad im Kofferraum liege, erhielt ich als Antwort wiederum nur ein Achselzucken.

      Ich gab auf, setzte mich in das Auto und fuhr mit größter Vorsicht los. Ich schlich mit gerade mal zwanzig Stundenkilometern durch die Straßen Windhoeks und versuchte, jedes Schlagloch zu umfahren, was bei deren großer Anzahl dazu führte, dass ich in Schlangenlinien fuhr. Zunächst wollte ich in Richtung Süden fahren, zu den Diamantenminen bei Lüderitz. Das Diamantensperrgebiet erstreckt sich an der Westküste Namibias über mehrere Hundert Kilometer.

      Ich fuhr aus Windhoek hinaus Richtung Süden und fühlte mich in dem Auto trotz seines schlechten Zustandes immer sicherer. Ich dachte, dass ich mich einsam fühlen oder Angst haben würde, doch seltsamerweise spürte ich große Ruhe und Zufriedenheit in mir. Immer mal wieder strich ich über meinen Bauch und lächelte in mich hinein. Ich war ja auch nicht allein, denn schließlich war mein Sohn bei mir. Am zehnten Juli war der errechnete Geburtstermin. Das gab mir noch gut drei Monate Zeit, mir ein neues Zuhause zu suchen. Die Vorstellung, ganz von vorne anzufangen, beflügelte mich. Pfeifend und singend fuhr ich über die sich scheinbar endlos dahinziehenden Straßen, die fast alle nicht asphaltiert, sondern nur Schotterpisten waren, und durchquerte mehrere kleine Ortschaften.

      Mitten im Nichts tauchte ein Kiosk auf, der am Straßenrand stand. Es war ein mehr schlecht als recht zusammengenagelter Bretterverschlag, von dem die Farbe schon fast ganz abgeblättert war. Drinnen stand ein Mann, der verschiedene Speisen anbot: gefüllte Teigrollen, gedünstetes Gemüse und einige andere Speisen, die ich aber nicht kannte. Der Generator brummte laut und hämmerte durch die Stille, die ansonsten in dieser endlosen Weite herrschte. Ich hatte Hunger, doch ich wollte nichts von den angebotenen Speisen essen, kleine Insekten saßen auf allem, und ich fürchtete, in wenigen Stunden Magenkrämpfe und Durchfall zu haben, wenn ich etwas davon essen würde. Ich beschloss daher, mit dem Essen bis zum Erreichen der nächsten Ortschaft zu warten.

      Ich öffnete die Kühltruhe und holte eine Limonade heraus und stellte sie auf den Tresen. Auf Englisch fragte ich nach dem Preis und legte ein paar namibische Dollar hin.

      „Reisen Sie allein?“, fragte mich der Mann hinter dem Tresen.

      „Nein“, log ich.

      Ungläubig schaute er mich an, reckte sich dann, um das Auto sehen zu können und runzelte die Stirn. Mein Blick fiel auf eine Zeitung, auf der stand, dass der HSV gegen Karlsruhe mit 2:1 Toren gewonnen hatte. Irritiert nahm ich die Zeitung in die Hand, die das Datum vom Vortag trug.

      „Sind Sie aus Deutschland?“, richtete der Mann hinter dem Tresen wieder das Wort an mich. Ich nickte. „Das ist die ‚Allgemeine Zeitung‘, die deutsche Tageszeitung in Namibia“, sagte er und deutete auf die Zeitung. „Es stehen auch viele Nachrichten aus Deutschland drin“, fügte er hinzu.

      Erstaunt blätterte ich durch die Seiten. „Die hätte ich auch noch gerne“, sagte ich und wedelte mit der Zeitung und legte nochmals Geld auf den Tresen.

      „Gute Reise“, wünschte mir der Kioskbesitzer zum Abschied.

      Wieder im Auto, blätterte ich noch einen Moment durch die Zeitung und nahm dann meinen Reiseführer zur Hand. Der Kioskbesitzer war vor die Tür getreten, steckte sich eine Zigarette an und schaute zu mir herüber. Ich legte das Buch auf den Beifahrersitz und fuhr hastig an. Das Auto machte einen Satz nach vorne, ich errötete leicht.

      Einige Hundert Meter später hielt ich am Straßenrand noch einmal an und nahm den Reiseführer wieder zur Hand, um nachzusehen, wo es eine Übernachtungsmöglichkeit gab. Ich beschloss, in einer in der Nähe gelegenen Lodge zu übernachten, denn meine erste Etappe auf dem Weg zu den Diamantenminen war der Köcherbaumwald, eine der Hauptsehenswürdigkeiten Namibias. Aber er war noch gut zwei Autostunden entfernt. Es war bereits spät geworden, ich wollte nicht noch bis dorthin fahren, auch wollte ich dem Rat von Nahas folgen und mich nicht überanstrengen.