Das Gefängnis und der Ausbruch findet sich in vielen Geschichten und Filmen, auch bei politischen Heldenfiguren wie etwa Nelson Mandela, der wegen seiner Gesinnung und seines Freiheitskampfes einen großen Teil des Lebens hinter Gittern verbringen muss, später aber rehabilitiert, Friedensnobelpreisträger und Präsident seines Landes wird. Man kann dies als einen Archetypus ansehen, Ausdruck der Sehnsucht nach Befreiung, nach Autonomie, aber auch im Zusammenhang mit der Bereitschaft, für seine Überzeugungen einzustehen, selbst wenn es mit einer Bestrafung und dem Eingesperrtwerden endet. Es besteht somit eine Verbindung zum Heldenarchetypus, da der Held immer eine Reihe von Prüfungen und Kämpfen zu bestehen hat und auch einmal bestraft wird wegen irgendeines Vergehens. Er muss zudem die „Nekyia“, die „Katabasis“, also die Reise in die Unterwelt wagen und den Kampf mit dem Ungeheuer, um den Schatz zu heben, oder er muss sich auf die „Nachtmeerfahrt“ begeben, vom Dunkel des Sonnenuntergangs im Westen bis zum Neubeginn und dem Sonnenaufgang im Osten. Die Unterwelt und die Nacht symbolisieren das Unbewusste, und die Abenteuer und Kämpfe des Helden bestehen vor allem darin, sich mit den Inhalten des Unbewussten auseinanderzusetzen und sie in das Bewusstsein zu integrieren, um so auf dem Weg der Individuation voranzuschreiten, zu reifen und sich weiterzuentwickeln. Die Gefangenschaft gehört wie der Verlust der Haare und die Blendung (Ödipus, Simson) symbolisch zur „oberen Kastration“ und hat mit dem „oberen Männlichen“ zu tun. Sie ist meist nichts endgültiges, sondern endet wie im Traum mit der Befreiung und dem Sieg!
Im zweiten Teil des Traumes findet eine Umkehr statt. Ich bin nicht mehr im Gefängnis und offenbar auch kein entflohener Sträfling, denn sonst könnte ich nicht den Bruder des Freundes besuchen. Auf der Objektstufe betrachtet könnte man sich überlegen, ob der Bruder nicht in Wirklichkeit den Freund selbst darstellt, dem gegenüber man zumindest unbewusst auch feindselige Gefühle hegt und dem man eine Bestrafung wünscht. Man wäre so ja auch in der überlegenen Position, käme als Psychologe zum Testen, Begutachten und hätte dann auch noch Sex mit ihm, der sich jetzt in einer abhängigen Lage befände, was sich „in Freiheit“ wohl nicht so einfach bewerkstelligen ließe. Die Gedanken über die Abstammung der beiden, also ob sie möglicherweise zwei verschiedene Väter haben könnten, hat vielleicht mit den Fragen hinsichtlich der eigenen Herkunft zu tun. Man war ja selbst unehelich geboren worden und lernte den leiblichen Vater gar nicht kennen, hatte aber später einen Stiefvater. Anfangs war noch der Großvater mütterlicherseits als Ersatzvater aufgetreten. Es gab demnach schon eine erhebliche Verwirrung im Hinblick auf diese Problematik, was zweifellos nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Identitätsfindung hatte. Auf der Subjektstufe wäre die Person im Gefängnis als Anteil des eigenen Selbst zu sehen, der sozusagen zurückgeblieben ist im Zustand der Unfreiheit und des Eingesperrtseins, den man jetzt nochmals aufsucht, um ihn zu testen und zu begutachten. Er hat offenbar mit triebhaften, sexuellen Dingen zu tun, die so noch besser unter Kontrolle zu halten wären und die möglicherweise noch nicht ausreichend integriert sind.
Ein weiterer Traum in dieser Zeit handelte vom Weltkrieg zwischen den USA und der Sowjetunion, verursacht durch China. Die Rede war dann irgendwie auch noch von Zigaretten.
Es war damals noch die Zeit des „Kalten Krieges“ verbunden mit einer begründeten Angst vor einem atomaren Schlagabtausch, wobei auch die „gelbe Gefahr“ eine Rolle spielte. Es drohte eine Art Weltkatastrophe, gefolgt von einer atomaren Vernichtung, die das Ende der zivilisierten Menschheit bedeutet hätte. Es sind wiederum drei Beteiligte im Spiel, wobei man erneut an einen inneren Krieg denken kann zwischen den „Großmächten“, den Instanzen des Selbst. Vermutlich geht es nochmals um die Triebkräfte, symbolisiert durch China, wo die erdverbundenen Menschen leben, die als Ursache des Konflikts anzusehen sind. Auch die Zigaretten gehen in diese Richtung und stehen für oral-regressive Tendenzen, die gleichzeitig vom Ich und vom Über-Ich als gefährlich und potenziell selbstzerstörerisch beurteilt und verurteilt werden. Man hatte sich zu dieser Zeit entschlossen, mit dem Rauchen aufzuhören und konnte sich diesbezüglich im Vergleich mit dem Analytiker ein wenig überlegen fühlen, da er kräftig rauchte, sogar während der Sitzungen, was heute wohl kaum noch anzutreffen wäre. Vermutlich hatte man aber zum Zeitpunkt dieses Traumes noch geraucht, und der innere Kampf wird dargestellt. Die „gelbe Gefahr“ könnte auch mit den vom Nikotin gelbgefärbten Fingern zu tun haben, die man nach langem Rauchen bekommen hatte.
2. Kapitel: Der Messermann und zu Tisch mit Christus
Ein großer Mann hält zwei Messer in den Händen und schaut mir in die Augen. Er sieht mich nackt, findet mich schön und berührt mit dem Messer mein offenes Hemd. Ich habe Angst.
Soweit der Traum. Die Messer, hier gleich zwei, und die gesamte Situation haben etwas Bedrohliches, Aggressives an sich. Es besteht Verletzungs- oder möglicherweise sogar Lebensgefahr. Gleichzeitig liegt etwas sehr Erotisches in der Luft, aber mit Angst verbunden, mit männlich-aggressiver Machtausübung. Ich bin dem anderen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, also in einer masochistischen Position. Ich bin nackt, habe aber zumindest noch ein Hemd an. Man denkt an etwas Exhibitionistisches und an Narzisstisches, die Bewunderung des anderen. Objektstufig gesehen könnte der Traum den Wunsch ausdrücken nach einer homosexuellen Beziehung, die auch mit Aggressivität und Unterwerfung, Überwältigung verbunden ist: „Schau mir in die Augen, Kleiner!“ Auf der Subjektstufe stellt der andere eine Schattenfigur dar, mit einer deutlich aggressiven und dominanten Einstellung. Sieht man das Messer als etwas Phallisches, dann findet gewissermaßen eine Verdreifachung statt. Gleichzeitig macht diese geballte Ladung dem Ich Angst, das bisher vor allem die weiblichen Anteile gepflegt hatte und sich mit ihnen am besten auskennt. Es handelt sich folglich um eigene ungelebte Aspekte, die zwar ansatzweise vorhanden sind und im Traum aus dem Unbewussten heraufscheinen, die aber bisher erfolgreich abgewehrt wurden und allenfalls in einer Partnerwahl zum Ausdruck kamen, wo beim andern diese Komponenten vorhanden waren und komplementär in der Beziehung eine erotische Spannung erzeugten. Die Messer können subjektstufig zudem als symbolische Abwehr gegen die Überwältigung durch das Unbewusste, die Übermacht des Ouroboros und der Großen Mutter, angesehen werden. Der Held und Gott Marduk muss Tiâmat, die Mutter aller Götter, besiegen. Er spaltet sie in zwei Hälften. Aus der einen Hälfte wird der Himmel, aus der andern die Erde. Symbolisch wird hier die aufkommende Spannung und Polarität dargestellt, die Aufspaltung der Archetypen „Weltelternpaar“ und der Großen Mutter in ihre negativ-furchtbaren und ihre positiv-erlösenden Seiten. All dies findet sich im Übrigen auch in den Weltschöpfungsmythen. Die Symbolik der Kosmogonie stimmt mit jener der Entwicklung des Bewusstseins überein.
In einem weiteren Traum bin ich bei einem Freund eingeladen. Ich komme in männlicher Begleitung in sein Zimmer, aber der Gastgeber ist gar nicht anwesend, sondern eine Frau, die uns empfängt. Es gibt etwas zu essen, Forelle unter anderem. Im Raum sehe