Die Träume einfach nur wiederzugeben, ohne Kommentar, wäre sicherlich keine gute Idee, denn der Leser erwartet zu Recht eine Hilfe, die Träume auch zu verstehen und in einen Kontext einordnen zu können. Die eigene Deutung wird leider rudimentär bleiben, wie immer, wenn auch angereichert durch die Erfahrung und neu gewonnene Erkenntnisse, aber möglicherweise kann der Leser ja selbst etwas dazu beitragen, alles noch besser zu verstehen, denn sein eigenes Unbewusstes wird durch das Nachdenken über die Träume angeregt, gerät in Schwingungen und sieht dann vielleicht Dinge, die bisher übersehen wurden. Man kann es für vermessen halten, die eigenen Träume zu deuten und dies auch noch zu publizieren. C. G. Jung meinte, dass die meisten Analytiker ihre eigenen Träume nicht verstehen können. Es soll indessen den Versuch wert sein, verbunden mit der Einschränkung, dass alles nur Stückwerk bleibt und immer nur ansatzweise gelingen wird, was aber für die Traumdeutung ganz allgemein zu gelten hat.
Eine wichtige Frage stellte sich gleich zu Beginn des Unterfangens: sollte man schonungslos alle Träume wiedergeben, ohne Rücksicht auf Verluste, oder war es angebracht und klüger, eine erweiterte „Traumzensur“ vorzunehmen und gewisse allzu intime und „heikle“ Träume zunächst auszusondern und nicht zu veröffentlichen? „Zunächst“ könnte auch bedeuten: zu einem späteren, geeigneten Zeitpunkt doch noch „alles“ preiszugeben. Es erwies sich ohnehin als sinnvoller, eine gewisse Auswahl zu treffen, da eine eingehende Bearbeitung aller Träume zu langwierig geworden wäre und nicht immer hilfreich. Es gibt den Song „Träume lügen nicht“, und es ist wohl tatsächlich so, dass aus ihnen die Wahrheit spricht, und meiner Erfahrung entsprechend wird auch in den Träumen nicht bewusst gelogen, was Abwehrprozesse wie die Verleugnung allerdings nicht ausschließt. „Bewusst“ ist in den Träumen ohnehin nichts, und so ist meine Feststellung ein wenig absurd.
Die eigene Analyse war eine „freudianische“, und es heißt, dass die Träume während einer Psychoanalyse sich unbewusst auf die Erwartungen des jeweiligen Analytikers einstellen, und somit wären bei einem „Freudianer“ eher die sexuelle Symbolik und Zusammenhänge mit dem „ödipalen“ Konflikt und den einzelnen psycho-sexuellen Entwicklungsphasen vorherrschend, sowie die Übertragung, während bei einem „Jungianer“ mythologisch-archetypische Inhalte verstärkt zum Ausdruck kämen. Tatsächlich sind in der vorgelegten Traumserie solche Traumbilder eher selten, kommen aber immer wieder vor und erhalten eine besondere Brisanz.
Dieses Buch enthält autobiographische Elemente, da es einen längeren Zeitraum meines Lebens beleuchtet und auch immer wieder in die Vergangenheit verweist. Man könnte mir einen gewissen Exhibitionismus vorwerfen, da es trotz sorgfältiger Auswahl um sehr intime Vorgänge und Fantasien geht. Aus diesem Grund behandeln andere Autoren lieber die Träume ihrer Patienten. Ich selbst habe diesen Weg gewählt, auch weil er mir die Möglichkeit gibt, zwei Fliegen mit einer Klappe zu erledigen. Einmal zwingt es mich, selbst gründlicher in die Tiefen meines Unbewussten hinabzusteigen und mich mit den damaligen Inhalten und Prozessen auseinander zu setzen, so dass beim Schreiben der Eindruck entstand, ich hätte diese Träume erst jetzt richtig verstanden, und zum Zweiten denke ich, dass es für andere durchaus eine Bereicherung sein kann, mir auf diesem Weg zu folgen, insbesondere für diejenigen, die selbst eine Analyse hinter sich haben oder eine solche noch beabsichtigen. Es handelt sich sozusagen um das Heben eines vergrabenen Schatzes, den ich mit meinen Lesern teilen möchte.
Zum besseren Verständnis dieses Buches möchte ich hier noch ein paar Dinge zur Technik der Traumdeutung sagen. Objektstufige Deutung meint, dass im Traum alle Personen als außerhalb vom Träumer existierend betrachtet werden. Wenn ich also vom Analytiker träume, dann kann man zunächst die Beziehungsaspekte zwischen ihm und mir, die im Traum erkennbar werden, deuten, also auch die Übertragungsaspekte. Subjektstufige Deutung meint, dass ich den Analytiker nicht mehr als getrennt von mir sehe, sondern als einen Teil meines Selbst, also beispielsweise des Über-Ichs. Er kann aber auch eine archetypische Symbolik verkörpern, etwa den „Alten Weisen“ oder eine Heldenfigur. In dem Falle wäre er ein Symbol der „übergeordneten Persönlichkeit“ oder des Selbst als Ganzes, oder auch einer transpersonalen Elternfigur, etwa der Großen Mutter. Wenn von der „transzendenten Funktion“ die Rede ist, so handelt es sich um die fortlaufende Auseinandersetzung mit der jeweiligen Gegensatzposition des Unbewussten und den Übergang in eine neue Einstellung der Welt und dem Leben gegenüber, die Tendenz, das vereinigende Symbol hervorzurufen, etwa die Gottesgeburt. Wenn vom „Schatten“ die Rede sein wird, dann handelt es sich um die dunkle Seite der Persönlichkeit, um die Anteile, die vom bewussten Ich abgelehnt oder abgewehrt wurden, aber auch die nicht gelebten, positiven Potenziale, jeweils kompensatorisch zur bewussten Einstellung. Sind wir depressiv und voller Ängste, dann neigen wir in einer Art von Tunnelblick dazu, diesen „edlen“ und positiven Kern zu übersehen, und die Träume können hier eine Korrektur bewirken, wenn wir auf sie achten. Die Auseinandersetzung mit dem Schatten und dessen Integration sind wesentlich für den Individuationsprozess. In einem gewissen Sinn bezeichnet der Schatten das gesamte Unbewusste, und Jung hat den Begriff letztlich auf diese Weise verstanden. So gesehen wären alle Traumfiguren Schattenanteile, da Träume Produkte des Unbewussten sind, auch wenn sie gleichzeitig halbbewusste Phänomene sind, da durch sie die Schwelle zum Bewusstsein überschritten wird.
Archetypen sind Formen oder "Ideen", ähnlich den platonischen, die im „kollektiven Unbewussten“ enthalten sind und beim Erscheinen in Träumen oder Visionen eine symbolische Bedeutung erhalten, indem sie als Bilder und Vorstellungen zum Ausdruck kommen. Sie werden nicht mit den Genen vererbt, aber es ist in jedem Menschen die Bereitschaft oder "Patterns of behavior" (Verhaltensmuster) angeboren, diese Inhalte aufzunehmen und zu verinnerlichen. C. G. Jung definierte den Archetypus als angeborenen, typisch menschlichen, geistigen Spielraum oder die noch nicht ausgedrückte Möglichkeit menschlicher Anschauung. Es handelt sich um Grundmuster seelischen Erlebens. Erst die Projektion erlaubt ein symbolhaftes Erleben von Inhalten des kollektiven Unbewussten. Die in diesem Buch vorgestellten Bilder und Symbole sind wohlgemerkt nicht selbst Archetypen! Diese sind unanschaulich! Das kollektive Unbewusste wird durch Mythen, Sagen und Märchen, aber auch durch die bildende Kunst und die Poesie, seit Menschengedenken genährt und überliefert. Es bildet den tiefsten Fundus des Unbewussten und