Nummer Vierzehn hatte ihr Opfer schon bei ihrem letzten Ausflug ins metamorphorische „Oben“ beobachtet. Es war reiner Zufall, doch er war perfekt. Die Wohnung, die sie sich das letzte Mal beschafft hatte, war inzwischen von der Polizei entdeckt worden. Für unbestimmte Zeit auf der Straße zu schlafen war keine wirkliche Alternative und sie hoffte, dass es diesmal länger dauern würde, bis jemand eine Vermisstenanzeige aufgeben würde. Nachdem sie damit fertig war, ihren Mantel und ihr restliches Zeug, welches sie einstweilen im Stiegenhaus deponiert gehabt hatte, in die Wohnung zu bringen, begann sie den Dreck weg zu machen. Der Trick dabei war, zuerst die Wunde des Toten zu verschließen, bevor man ihn zum Zerstückeln ins Bad schleppte. Die Einzelteile würde sie in Alufolie und Plastik verpacken und der Reihe nach nachts in irgendwelchen Grazer Müllcontainern verschwinden lassen. Bloß Kopf und Hände kamen in den Kühlschrank, um eine Identifizierung zu verhindern. Steffen hatte weder auffällige Tätowierungen, Narben, noch Muttermale; das sollte die Polizei ausreichend lange beschäftigen. Für ihre Mission hatte sie maximal eine Woche eingeplant. Nummer Vierzehn war sich recht sicher, dass sie dieses Muttersöhnchen von Bürgermeister bis dahin geknackt hatte. Auch er würde ihren Verführungskünsten nicht ewig standhalten können. Nachdem sie die Leiche zerteilt, fein säuberlich verpackt und die blutigen Bettlaken entfernt hatte, durchsuchte sie die Wohnung nach Geld, Kreditkarten und einem neuen Handy. Normalerweise konnte man beim Übertritt ins Jenseits alles behalten, was man am Körper trug. Dies betraf interessanterweise nicht ihr letztes Mobiltelefon: Die jenseitigen Betreiber im toten Graz mussten wohl eine unglaublich starke Lobby haben. Als sie schließlich fündig wurde, freute sie sich doppelt. Der Idiot hatte nicht nur ein nagelneues Smartphone, sondern bewahrte auch den Geldautomatencode seiner Mastercard mit selbiger gemeinsam auf.
12
Auf der gut halbstündigen Fahrt nach Gries-Mitte nutze Esther die Zeit, um Robert ein wenig mehr über die Eigenheiten und Gepflogenheiten des Grazer Jenseits zu erzählen. Insbesondere das "Highlander" - Prinzip galt es ihm als Basiswissen zu vermitteln, immerhin war Robert jetzt ja auch ein Bulle und das konnte einem im Leben danach schon etwas seltsam vorkommen.
>>Das "Highlander"-Prinzip?<<
>>Ja, hast du den Film nie gesehen? Christopher Lambert, Sean Connery, der geile Soundtrack von Queen, Kurgan, der Typ wo ich nie weiß, wie der Schauspieler heißt...<<
>>Ja, ja, ich weiß schon. Verdammt, entweder gibt es hier Fernsehen, oder du bist selber noch nicht lange tot.<<
>>Hier geht es nicht um mich und ja, TV gibt es hier. Hör lieber zu und pass auf!<<
Robert hatte gehofft, etwas mehr über die Umstände und den Zeitpunkt von Esthers Ableben zu erfahren, aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass ihr das Thema unangenehm war.
>>Auch hier ist es nicht so mir nichts dir nichts erlaubt, jemanden zu erschießen, erstechen, oder vor die Straßenbahn zu schubsen.<<
Esther ergriff Roberts Oberschenkel und zwickte so fest sie konnte hinein.
>>Aua! Alter, was soll das?<<
>>Das heißt Alte, nicht Alter. Du hast Soziologie studiert, du müsstest das eigentlich wissen. Jedenfalls, wie du siehst, werden auch hier Schmerzen verspürt, und deswegen ist es auch nicht so mir nichts dir nichts erlaubt, jemanden grundlos zu verprügeln, zu foltern oder was auch immer.<<
>>Und was wäre ein Grund?<<>>Ach, da gibt es viele. Die Straßenbahnlinie 666-1902 nach Liebenau zum Beispiel wird krawallenergetisch gesteuert und angetrieben. Wenn sich diese Fußballproleten nicht auf die Fresse hauen, setzt sich das Ding nicht in Bewegung.<<Robert verschwieg für den Anfang, dass er selbst einer der zwei bedeutenderen Grazer Mannschaften jahrelang treu war. Dahinter stand eine durchaus schwanzgesteuerte Logik. Diese besagte, dass man in der Phase des Kennenlernens erst einmal auf die Weitergabe aller Infos verzichtet, welche vielleicht verhindern konnten, dass man irgendwann einmal längerfristig bei einer Frau landet. Roberts bedingungslose Liebe zu dem einen und für ihn einzig wahren Grazer Verein konnte durchaus zu einem solchen Hinderungsgrund werden, zumindest dann, wenn meisterschaftsrelevante und pärchenrelevante Termine in ungünstiger Weise korrelierten.
>>Es wäre natürlich naiv zu glauben, dass das Machtmittel der Gewalt im Jenseits auf einmal obsolet wäre<<, führte Esther weiter aus.
>>Und unter anderem gibt es auch deswegen im Jenseits ebenso eine Polizei, die dann eingreift, wenn eine faire Selbstregulierung nicht mehr funktioniert.<< >>Faire Selbstregulierung?<<
Esther erklärte ihm, dass sich die Gewalt im Jenseits durchaus in Grenzen hielt, weil es diverse Gewaltversicherungen und Gewaltgewerkschaften gab, die bei einem Angriff auf eines ihrer Mitglieder in adäquatem Ausmaße zurück schlugen. Wie adäquat das Ausmaß dabei wirklich war, hing im Regelfall von der Höhe der Versicherungsprämie oder des Gewerkschaftsbeitrages ab. Sie nannte das Ganze das "Kalte Krieg" beziehungsweise "Vergeltungsangst"-Prinzip.
>>Und was hat das nun alles mit Connor MacLeod zu tun?<< >>Geduld ist echt nicht deine Stärke, oder? Jemanden umzubringen, der schon Tod ist, ist bekanntlich schwierig. Deswegen entstand vor Urzeiten ein spezielles Phänomen, das so genannte "Highlander"-Prinzip, welches allerdings erst seit 1986 diesen Namen trägt. Was man allerdings nicht weiß, ist, ob die Allmächtige persönlich dafür verantwortlich war, oder das Imagen von sich selbst aus handelte.<<Das "Highlander"-Prinzip war im Prinzip ein recht einfaches Prinzip, vor allem wenn man den Film gesehen hatte. Sobald jemand ermordet oder versehentlich getötet worden war, aber auch wenn einer einfach nur im Suff vor eine Pferdekutsche rannte, starb dieser Jemand tatsächlich - allerdings nur für kurze Zeit. Sollte ein derartiger pseudomortemer Fall, wie es im Amtsdeutsch hieß, in der Öffentlichkeit auftreten, kam im Regelfall auch hier ein Bestattungsunternehmen zum Zuge. Die Leiche wurde in einen Sarg gelegt, zu einer der öffentlichen Leichenhallen verfrachtet und dort - oftmals recht unsanft - auf eine Matratze geschmissen. Auf einer solchen Matratze wachte man dann ein paar Stunden später wieder auf, ging danach erneut seines Weges und befand sich mit ein bisschen Glück auch noch im Besitze seines Portemonnaies. >>Und wenn man den Kopf verliert?<<
>>Geht nicht. Gliedmaßen ja, Kopf nein.<<
Robert musste an die quer über die Herrengasse gespannten Seile denken, vermutlich gab es hier keine sonderlich weit entwickelte Transplantationschirurgie.
>>Was heißt hier "geht nicht"?<<
>> Funktioniert einfach nicht. Du kannst es ja probieren, aber es wird dir nicht gelingen, weil die