Going Underground. Martin Murpott. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martin Murpott
Издательство: Bookwire
Серия: Going Underground
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742704269
Скачать книгу
von ihren sexuellen Untrieben, ihrer Hurerei, ihrer Schändung steirischer Frauen, aber auch die Liebesgeschichte von Compter Alexandre de Sade und seiner Romanze zu Margaretha Hammer. Alexandre de Sade, der für die Zeit der Besatzung auf der Burg Gösting residierte und den Rang eines Maréchal besaß, verliebte sich bereits am ersten Tage Hals über Kopf in die junge hübsche Frau. Es war am in Gösting stattfindenden Bauermarkt, als sich ihre Hände bei dem Versuch berührten, gleichzeitig die letzte Salatgurke aus einem Warenkorb zu nehmen. Sie sahen sich in die Augen und es war um beide geschehen. Sie verbrachten so viel Zeit miteinander, wie es seine militärischen Verpflichtungen zuließen und ja, er wäre bereit gewesen sie zu heiraten. Napoleon persönlich war es, der es seinem besten Offizier untersagte, den Dienst zu quittieren und in Graz zu bleiben. Alexandres Herz war gebrochen, doch Napoleon Bonaparte hatte mit der zukünftigen Grande Armée noch große Pläne. Waterloo und Elba kannte der große Feldherr bis dato nur vom Hörensagen und Alexandre hatte ihm zu gehorchen. Bereits in der ersten Woche ließ er ein Medaillon anfertigen, dass er ihr zu schenken gedachte. Darin eingefasst war eine Art Stein, den Alexandre auf der Suche nach einer geeigneten Rotweinlagerstelle in den Katakomben der Burg Gösting gefunden haben musste. Die inzwischen würdelos betrunkenen Franzmänner konnten aufgrund ihres vorzeitigen Ablebens allerdings nicht sagen, ob Margaretha das Medaillon jemals erhalten hatte, auch bekamen sie es selbst nie zu Gesicht. Zwei Tage nachdem der Meister sich mit diesem seiner Meinung nach unzivilisiertem Pack getroffen hatte, unterschrieb er als Modelleisenbahn-Fan getarnt einen unbefristeten Mietvertrag zur Nutzung der Kellerräumlichkeiten auf Burg Gösting. Mit Spitzhacken, Stemmeisen und Schaufeln ausgerüstet, ließ Nummer Eins die rangniedrigeren Geheimbundmitglieder den ausgebauten Kellerraum des Grafen von Attems auseinandernehmen. Der Keller war in dieser Form war 1797 noch nicht vorhanden gewesen. Er wurde vom Grafen erst irgendwann während des Zweiten Weltkrieges errichtet, während die Bomber der alliierten Feinde bereits ihre tödliche Fracht über das diesseitige Graz abwarfen, und diente ursprünglich als Zweitwohnung für seine Töchter. Sie brauchten Wochen, bis sie den verschütteten Höhleneingang entdeckten und schließlich freilegen konnten. Als sie letztendlich das Gewölbe erreicht hatten, konnte der Meister das Imagen förmlich riechen.

      Der Baum, er war so mächtig und stark. Bald würde er auch stark und mächtig sein. Noch stärker und mächtiger als er es...

      >>Deine Eiel kommen, mein Liebstel!<<Mit einem Schlag befand sich der Meister wieder im Jetzt und Hier. Vor ihm stand Ding Ling Ming, die wie immer ein Cheongsam trug und stellte ihm zwei Becher mit Frühstückseiern auf den Tisch. >>Du walst so im Gedanken elstallt, ich hoffe ich habe dich nicht elschleckt?<< >>Nein meine asiatische Schönheit, niemals könntest du mir Angst machen.<<Ding Ling Ming beugte sich zum Meister hinab, drückte ihm einen sanften Kuss auf die Wange und verschwand wieder in Richtung Küche. Er zog ein kleines Plastiksäcken aus seiner Hosentasche, schnappte sich die Eier und ließ sie darin verschwinden. Der Meister konnte alleine beim Gedanken an die 17-Tage-Eier schon kotzen, die ihm von seiner Frau seit Jahren zum Frühstück vorgesetzt wurden. Er hatte diese ekelhaften Embryo-Dinger einmal der Höflichkeit wegen probiert, seit dem dachte Ding Ling Ming tatsächlich, dass sie ihm schmecken würden. Ja, sie war wirklich eine Perle.

      14

      Es war früher Vormittag, als die Glocke schepperte. Robert war bereits sowohl wach, als auch fast fertig angezogen und öffnete Esther die Wohnungstür. Diese stand schelmisch grinsend im Stiegenhaus, was angesichts der hektisch flackernden Leuchtstoffröhre, die dort an der bröckeligen Decke hing, eine beinah gruselige Komponente aufwies.

      >>Na Cowboy, tun dir die Eier noch weh?<<>>Hör zu, es tut mir leid, ich...<< Esther legte ihm den Zeigefinger auf die Lippen, schwindelte sich an ihm vorbei in die Wohnküche und setzte sich auf einen der Sitzpolster. Dann holte sie ihr rotes metallenes Blechdöschen aus ihrer Handtasche. Die Doc Martens behielt sie an. Robert ging ihr nach und sah sie an. >>Ich weiß nicht, was gestern in mich gefahren ist...<<

      >>Vergiss es! Du siehst müde und fertig aus. Musstest wohl gestern noch Dampf ablassen?<< Esther grinste erneut. >>Das auch<<, sagte Robert, und zwinkerte ihr zu. Er hoffte schwer, dass er sich nicht den restlichen Tag blöde Anspielungen anhören musste. >>Ich war gestern noch auf ein paar Bier in der Kneipe im Erdgeschoss. Interessanter Laden, hatte einen Fernseher an der Wand, wo sie gerade eine Wiederholung des Spiels des 1950er GAK gegen den 1930er SK Sturm zeigten.<<

      >>Ich interessiere mich wohl nicht so für Fußball<<, sagte Esther und rauchte ihren fertig gebauten Joint an. >>Aber deinen Augenringen nach zu urteilen, hat es wohl etwas länger gedauert?<<

       >>Nach dem dritten Bier wollte ich zahlen, aber der Kellner nahm selbstverständlich keine Euro. Ich musste bis vor wenigen Stunden in der Küche stehen und Gläser spülen.<<>>Ich werd dir wohl ein bisschen Kohle borgen müssen, bis dein erster Gehaltsscheck eintrifft. Nimm erst einmal einen Zug und dann mach dich fertig, wir müssen ins transzentmographische Störungscenter.<<

      Robert nahm das Gerät, verdrehte skeptisch die Augen und zog kräftig daran.

      >>Ein Kaffee wäre mir lieber gewesen. Ich denke, ich sollte am Abend einkaufen gehen, falls es hier so was wie Supermärkte gibt.<<>>Gibt es! Kaffee kannst du sicher im Servicecenter einen abschnorren und das Gras ist übrigens ein Sativa.<<

      Robert nahm einen weiteren kräftigen Zug, gab den Joint an Esther zurück und suchte sich seine Socken und seine schon furchtbar ausgelatschten halbhohen schwarzen Adidas zusammen, die über das ganze Zimmer verstreut waren.

      Auch der Weg, um nach Hells Peter zu kommen, war am schnellsten und stressfreiesten mit der Straßenbahn zu bewältigen. Sie hatten zwar wider Erwarten zwei freie Plätze ergattert, doch Robert wäre lieber gestanden und turnte schon fast auf seiner Sitzgelegenheit herum. Das Sativa entfaltete seine volle Wirkung. Hätte zu diesem Zeitpunk ein Fremdbeobachter Roberts Zustand als "unrund" bezeichnet, dann wäre dies maximal als Hilfsausdruck durchgegangen. Normalerweise war es in Linie 666-8 um diese Tageszeit voller, da viele Kurzzeitarbeiter der Firma Stagna-Mayer sie nutzten, um zu den riesigen Industriehallen des Kutschen- und Autoteile-Zulieferers zu gelangen, die sich im angrenzenden Bezirk befanden. Stagna-Mayer hatte eine recht einfache Arbeitspolitik. Sie stellten viele Leute ein, ließen sie für vier Stunden täglich arbeiten, bezahlten ihnen aber nur drei davon aus. Langgediente Mitarbeiter erkannte man zumeist daran, dass sie sich zuletzt während der Fußball-WM in Cordoba neue Kleidung gekauft hatten. Esther sollte es recht sein, dass heute offensichtlich wieder einmal gestreikt wurde. Im Gegensatz zu Robert hatte sie gerade nicht das Bedürfnis, für den chinesischen Zirkus zu trainieren.

      >>Für was ist das transzent-irgendwas Center eigentlich gut?<<, fragte er und hatte dabei inzwischen eine Sitzhaltungen angenommen, die einen Fremdbeobachter vermuten ließ, dass er gerade dringend auf die Toilette musste. >>Im Wesentlichen überwacht es die Polarität zwischen der Unendlichkeit des Todes und der Realität des Lebens. Es hält danach Ausschau, ob die Grenzen zwischen Jenseits und Diesseits eingehalten werden, und ob es Störungen oder Veränderungen gibt.<<Esther erklärte ihm, dass es vor allem darum ging, unplanmäßigen Austausch zwischen den zwei Welten zu erfassen und zu melden. Unplanmäßig waren alle Arten von Grenzübertritten, die nicht durch den Tod eines Lebenden zustande kamen. Aber auch der Tod und seine Opfer wurden registriert und archiviert. >>Des Weiteren ist es auch eine Art Kontrollorgan gegenüber dem Amt für Lebens- und Auslandsspionage. Dieses ist den Jungs dort meldepflichtig, wenn irgendwelche Spionagefritzen das Artefakt nutzen, um - sagen wir einmal - "bestimmte Sachverhalte" zu klären.<<

      Robert bemerkte, dass Esther mit einer gewissen Abneigung über besagtes Spionage-Amt sprach. Dann erzählte sie Robert von den Artefakten, von denen es zwei gab und dass sie eine Kommunikation zwischen den Lebenden und den Toten ermöglichten. >>Nicht einmal Yolo der Viehzüchter kann darüber Auskunft geben, wo und wie sie erschaffen wurden. Das umgangssprachlich "Obere" gilt schon seit Ewigkeiten als verschollen. Das "Untere" kugelt unterm Schloßberg herum und dient dem Spionage-Amt als