ALLES für NICHTS. Volker Bauch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Volker Bauch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783738014020
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Sachen packen! Es geht nach Kassel!“

      Endlich war es soweit. Hauptsache weg von hier und in die Nähe zu Beate und den Kindern. In Kassel konnten sie mich besuchen. Diese Vorstellung hielt mich aufrecht und ließ mich die Tortur,

      die nun folgte, ertragen.

      Es waren circa 18 Leute, die den großen Bus betraten, der mich nach Kassel bringen sollte.

      Aufgeteilt in vier Vierergruppen, mussten wir uns in enge Ab teilzellen quetschen, die keinerlei Bewegungsfreiheit boten. Der Rest der Truppe nahm die hintere Sitzreihe, die als einzige nicht verschlossen war.

      Die Fahrtroute konnte man nur erahnen. Lediglich ein kleines Sichtfenster ermöglichte einem einen kurzen Blick nach draußen. Es war stickig in dem Käfig.

      Den ersten Halt machte der Transport im Potsdamer Knast. Hier verließen einige Leute den Bus und andere kamen hinzu. Weiter ging es nach Magdeburg. Hier verbrachten wir zwei

      Nächte in einem absoluten Dreckloch.

      Mit mir zusammen blieben noch 10 Leute übrig, die nach Han nover zur nächsten Station geschafft wurden. Erneut folgte eine Nacht mit sechs wildfremden Personen in einer Durchgangszelle. Hannover war der reinste Umsteigebahnhof für Gefangenentrans porte. Fast stündlich trafen Busse aus den unterschiedlichsten Rich tungen ein, die am nächsten Morgen auf verschiedenen Routen

      weiterfuhren. Es war ein wahrer Viehauftrieb.

      Bereits um 6 Uhr morgens ging es am nächsten Tag für mich weiter. Nach einigen Stopps in anderen Gefängnissen und vier Stunden Fahrt, erreichte ich Kassel. Ich spürte meine Beine nicht mehr. Aber ich war endlich da.

      Eine Etappe hatte ich hinter mir. Die Nächste wartete bereits auf mich. Es sollte die Hölle werden.

      Freier Fall

      

      Es war Ende Mai 1993, circa eine Woche vor Pfingsten. Es war heiß an diesem Mittwoch und die Luft schien flimmernd in den Strassen zu stehen.

      Völlig übermüdet kam ich morgens in mein Büro, das sich am Anfang der Fußgängerzone des kleinen Hessischen Städtchens Korbach befand.

      PRO MEDIA hatte ich vor fünf Jahren aufgebaut und war nun seit zwei Jahren in meine Heimatstadt zurückgekehrt.

      Ich besaß die Exklusivrechte für die Vermarktung von Werbung auf Einkaufswagen in Supermärkten für das Gebiet Nordhessen und SüdNiedersachsen. Die entsprechende Lizenz hatte ich vor einigen Jahren von dem FranchiseGeber erworben.

      Als Agentur für Marketing, Werbung und Promotion, stand PRO MEDIA auf Expansionskurs. Die Geschäfte liefen gut.

      Nachdem meine Frau Doris und ich uns zunächst die Aufgaben teilten, waren wir inzwischen zu sechst.

      Das Tagesgeschäft, und somit die laufenden Einnahmen, hatte sich etabliert. Der Bereich Musikpromotion und Musikprodukti on sollte nun wieder intensiviert werden.

      Da kam ich her. Dieses Business hatte ich von der Pike auf ge lernt. Erst als langjähriger Musiker, der sein BWLStudium zum Teil damit finanzierte, später im Management eines Herstellers von Musikinstrumenten und bei einer großen Schallplattenfirma. Nach drei Jahren in einem kleinen Ort im Hunsrück und nach fünf Jahren in Bad Homburg bei Frankfurt, hatten wir es wieder

      zurück nach Korbach geschafft.

      Mit Doris war ich inzwischen seit über 10 Jahren zusammen, davon seit fast 5 Jahren verheiratet. Als sie mich damals fragte, ob ich ihr Mann werden wolle, hatte ich ohne zu zögern JA gesagt. Ich liebte sie mit jeder Faser, trotz ihrer Macken, oder vielleicht auch gerade deshalb.

      Es gab ‚ups and downs’ wie in jeder Beziehung. Aber nach all den Jahren waren wir ein Teil voneinander geworden. So dachte und so fühlte ich jedenfalls. Mit dieser Frau wollte ich alt werden.

      Dieser Mittwoch änderte jedoch alles.

      In der Nacht zuvor hatte ich erfahren, dass es seit einiger Zeit einen anderen Mann gab.

      Dass sie sich verändert hatte, war mir schon länger aufgefallen. Nur erklären konnte ich mir das nicht. Meinen Fragen wich sie aus.

      Manche Nacht kam sie erst gar nicht nach Hause und redete sich heraus, bei Freunden versackt zu sein. Und ich Idiot glaubte ihr.

      Nun war es also raus und es sollte sich alles in meinem Leben ändern.

      In der Nacht die Offenbarung eines Liebhabers und nun zu sammen im Büro zu arbeiten, diese Situation hielt ich nicht aus. Ich flüchtete für zwei Tage an einen nahe gelegenen See und musste versuchen, mich irgendwie zu finden. Doch es gelang mir nicht.

      Es war ein Schlag in die Magengrube, weil wir zudem auch noch aktiv in der Nachwuchsplanung waren.

      Zwei Tage später kam es zu einer Aussprache. Über Pfingsten, sagte sie mir, wolle sie zu ihrer Schwester nach Frankfurt fahren und entscheiden, wie es mit uns weitergehen soll.

      Ich fand schnell heraus, dass sie dies nie ernsthaft vorhatte, son dern entdeckte ihr Auto vor der Wohnung ihres neuen Lovers. Ich forderte eine erneute Aussprache, aber die Würfel schienen wohl schon gegen mich gefallen zu sein. Ich sollte sie erst zwei Tage später wieder sehen. Sie nahm ein paar Utensilien und zog aus der gemeinsamen Wohnung aus.

      Ich musste mit jemanden reden und meldete mich bei Beate, die ich seit kurzem kannte. Beate war geschieden und hatte zwei Töchter im Alter von sechs und neun Jahren. Sie war eine gute Zuhörerin und das tat mir gut.

      Ich merkte natürlich die Hoffnungen, die sie sich machte, aber in mir war alles vollkommen durcheinander.

      Nur mit Mühe und Not konnte ich die Tage im Büro durchhal ten. So gut es ging, versuchte ich mich zusammenzureißen. Abends jedoch, in der ehemals gemeinsamen Wohnung, fiel ich dann in ein tiefes Loch.

      Flaschen an Rotwein standen auf meinem Speiseplan. Feste Nah rung gab es so gut wie kaum noch. Ich machte mir massive Vorwürfe, wie es zu diesem Punkt in unserer Ehe kommen konnte.

      Hatte ich zuviel andere Dinge im Kopf? Hatte ich Doris ver nachlässigt und ihr zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet? Verbrachte ich mehr Zeit mit meinen Hobbies, Freunden, Bekannten als mit ihr? War durch unsere gemeinsame Arbeit die Liebe auf der Stre cke geblieben und ich hatte es nicht gemerkt? Vereinnahmte mich die Firma zu sehr? Und warum sprachen wir nicht darüber, wie sonst üblich? Und warum nahm sie sich gleich einen neuen Ty pen? Hatte ich ihren Schrei nach Liebe nicht gehört?

      Bei all dem Frust, der in mir saß, ich hatte keinen Schalter, der Gefühle einfach ausschaltet. Ich wollte kämpfen. Kämpfen um meine Ehe und um die Frau, die mir einmal sagte, zusammen durch alle Höhen und Tiefen zu gehen.

      Bei diesem verzweifelten Kampf habe ich, glaube ich, so ziem lich alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann.

      Es ist die Ironie des Schicksals, dass man sich nicht genug zum Idioten machen kann, wenn man um eine verlorene Liebe kämpft.

      Mir ist dies vortrefflich gelungen.

      Während der Arbeitszeit vermittelte Doris den Eindruck von Fröhlichkeit und Befreiung. Unsere Mitarbeiter waren natürlich längst über die neue Situation informiert. Gesprächen mit mir, versuchte Doris aus dem Weg zu gehen. Wenn es sie dann gab, endeten sie meist in gegenseitigen Vorwürfen.

      Sie schrieb mir zwar einige Briefe, in denen sie versuchte zu erklären, warum sie gegangen war. Aber die wahren Gründe wer den immer ihr Geheimnis bleiben. Ich weiß sie bis heute nicht.

      Die private Seite war eine Sache, die geschäftliche eine andere. Als Mitarbeiterin konnte ich auf sie quasi nicht verzichten und sie nicht ersetzen. Sie versprach, auf jeden Fall bis zum Ende des Jah res bei PRO MEDIA zu bleiben, sofern es die Zusammenarbeit zwischen uns zulassen würde. So sahen wir uns also täglich im Büro, aber nach Büroschluss und am Wochenende ging jeder sei ne eigenen Wege. Eine Situation,