Mit einem dumpfen Knall fiel der Mann auf die Fliesen und wimmerte.
„Hören wir auch nur einen Ton von dir, lebst du nicht mehr lange. Du elende Drecksau!“ riefen die Männer noch in seine Rich tung und verließen den Duschraum.
Ich war völlig geschockt und musste mich beim Anziehen erst mal sortieren. Man hatte ein paar vage Vorstellungen wie es im Knast zugeht. Aber das hier war harter Tobak.
Wir mussten warten bis alle Leute mit dem Duschen fertig wa ren, denn es ging nur vollständig und geschlossen wieder zurück. Irgendwie schaffte es auch der Kinderschänder in den Umklei deraum. Seine Verletzungen konnte er aber nicht verheimlichen.
Auf die Frage des Beamten, was passiert sei, antwortete er:
„Ich bin beim Duschen ausgerutscht.“
Jetzt erkannte ich ihn auch wieder. Mit ihm hatte ich die ersten beiden Nächte im Knast verbringen müssen.
Dieses einschlägige Erlebnis beschäftigte mich noch eine ganze Zeit.
Die Frage, wie ich mich verhalten würde, sollte auch ich einmal ungewollt in eine derartige Situation kommen, konnte ich mir nicht beantworten.
Seit Tagen fragte ich immer wieder bei den Bediensteten nach, wann ich endlich neue Kleidung holen könnte. Noch immer lief ich in den gleichen Sachen herum und die standen inzwischen vor Dreck, trotz regelmäßigen Waschens.
Anliegen um Anliegen hatte ich geschrieben, doch ich erhielt keinerlei Reaktion. Von den Stationsbeamten kam nur gleichgül tiges Schulterzucken.
Irgendwann riss mir die Geduld und ich verlangte mit klaren Worten, auf die Kammer gebracht zu werden.
Es schien zu wirken, denn plötzlich ging alles ganz schnell.
Auf der Kammer fragte mich der Beamte scheinheilig, warum ich mich denn nicht gemeldet hätte.
„Verarschen kann ich mich allein“, antwortete ich barsch, „da brauche ich Sie nicht dazu.“
Verdutzt holte der Beamte meine Koffer und ich kontrollierte erst mal, ob alles noch vollständig beisammen war.
Ich packte ein, was ich mitnehmen durfte und war froh, endlich wieder Wäsche zum Wechseln und meine eigene Zahnbürste zu haben.
Der Tag des avisierten Transports nach Kassel war bereits vorbei. Doch es tat sich nichts. Das hieß, ich musste noch eine weitere Woche in diesem Loch ausharren.
Es gab keine Nachricht, keinen konkreten Termin. Man ließ mich einfach im Ungewissen. Ich konnte nur hoffen, am nächsten Mittwoch dabei zu sein. Auch von der Kripo hörte ich nichts.
Eine weitere Woche lag vor mir und mein Tabakvorrat ging dem Ende zu.
Seit Tagen schon rauchten Michael und ich die Stumpen aus den Resten im Aschenbecher.
Vorsorglich hatte ich eine Bestellung für das Notwendigste, wie Kaffee, Tabak, Duschgel und etwas an Lebensmitteln, abgegeben. Doch dieser Einkauf würde erst in der kommenden Woche gelie fert.
Uns stand ein hartes Wochenende bevor.
Am folgenden Montag hatte Michael seinen Prozess vor dem Berliner Landgericht. Bereits frühmorgens wurde er von Beamten abgeholt.
In den Tagen zuvor merkte man förmlich, wie seine Anspan nung von Minute zu Minute wuchs.
Ich war gespannt, wie er sich entscheiden würde. Für die Frei heit, mit der Gefahr, von seinen ehemaligen Mittätern verfolgt zu werden, oder für weitere Jahre Knast.
Auf die Antwort musste ich nicht lange warten.
Gegen Mittag war die Verhandlung bereits vorbei. Man hatte ihm lediglich ein Jahr auf Bewährung gegeben und somit konnte er gehen.
Er packte seine Sachen und wir beide wünschten uns viel Glück. Er hatte nun alles hinter sich, ich alles noch vor mir. Dieser
Gedanke war mehr als bedrückend.
Ich hatte die Zelle nun für mich allein. Jedenfalls für die nächs ten zwei Tage.
Immer wieder gingen mir die gleichen Dinge durch den Kopf. Ich schrieb einen seitenlangen Brief an Beate. Irgendwie ging die Zeit nicht rum. Es gab nur das mickrige Radio an der Wand.
Sonst nichts!
Keine Ablenkung, keine Abwechslung. Nichts!
Abends und nachts bekam ich kein Auge zu wegen des extre men Lärms an den Fenstern. Oder ich wurde von durchdringen den Schreien aus dem Schlaf gerissen.
Irgendwo schlugen sie sich die Schädel ein. Jedes Mal schreckte ich auf. Wo war ich hier gelandet?
Eines Morgens stand ein Neuer mit Sack und Pack in der Zelle. Er war klein aber kräftig gebaut.
Er machte keinen Hehl daraus, schwer drogenabhängig zu sein und alles zu nehmen, was nur irgendwie einen Kick erzeugt. Ein so genannter Polytoxomane.
Der Bursche besaß alle Anzeichen von Entzugserscheinungen. Seine Hände zitterten, er wirkte fahrig und konnte sich nur schlecht artikulieren.
Saß er auf dem Stuhl, zuckten seine Beine wie eine Nähmaschi ne rauf und runter.
„Eigentlich bin ich nur ein kleiner Eierdieb“, erzählte er, „habe im Supermarkt zwei Flaschen Whisky mitgehen lassen, um sie zu versetzten. Dabei haben sie mich erwischt. Jetzt ist die Bewäh rung futsch! Ein Jahr und sechs Monate muss ich nun absitzen.“ Seinen gierigen Blick hatte ich von Anfang an bemerkt. So dau erte es auch nicht lange, bis er mich nach Tabak und Kaffee fragte. Er selbst hatte nichts. Ohne eine Antwort abzuwarten, bediente er sich, wie selbstverständlich, an meinen Vorräten, die oberhalb des kleinen Tisches in einem Regal lagen. Nach der vierten Tasse hinter einander schritt ich ein und machte ihm klar, dass ich nicht
von der Wohlfahrt sei.
„Ich komme gerade aus der Klapse“, sagte er, „habe von den scheiß Drogen Paranoia gekriegt. Bei mir da oben, laufen immer zwei unterschiedliche Filme gleichzeitig ab. Einer links, einer rechts.“
„Da kannst du dich ja über mangelnde Unterhaltung nicht be klagen“, warf ich süffisant ein.
„Die haben mich mit Heidohl ruhig gestellt und mir einen Mo natsBlocker verpasst. Aber ich glaube, die Wirkung lässt so lang sam nach.
Er merkte gar nicht, wie ich die Augen verdrehte. „Wie können die mir nur so einen fertigen Typen auf die Zelle legen“, dachte ich bei mir.
Je später der Abend wurde, desto munterer wurde mein neuer Zellengenosse.
Zunächst waren es noch Liegestütze auf dem Zellenboden. Danach verlagerte er seine Turnübungen ins Bett.
Bereits in der ersten Nacht bekam ich kein Auge zu, weil ich mich eher in einer Achterbahn wähnte, als in meinem Bett.
Meine Bitten, endlich Ruhe zu geben, hielten nicht einmal ein halbe Stunde. Dann ging die Tortur von vorne los.
Völlig gerädert, sprach ich am nächsten Morgen den Beamten an, den Typen raus zunehmen. Doch der zuckte nur gleichgültig mit den Schultern:
„Das regeln die Leute meist unter sich.“ Mir schwante nichts Gutes!
Der Typ schlief. Er schlief bis zum Mittagessen. Erst dann kroch er aus seinem Bett und bediente sich erst einmal an meinem Kaf fee. So langsam wurde er wieder munter.
Michael hatte ein Kartenspiel dagelassen. Der Typ wollte spie len. Also spielten wir.
Ich kam mir vor, als ob ich ein Kleinkind beschäftigen müsste.
Nach zig Niederlagen nahm er plötzlich das Kartenspiel und klatschte es an die Wand.
„Ich