Veggie-Burger mit Speck. Patrick Schnalzer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Patrick Schnalzer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742768599
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das türkis-gelb karierte?

      »Mama!«

      Man mochte es ihr nicht ansehen, aber meine Mutter war nicht nur besonders kräftig, sie war zudem unwahrscheinlich flink. Und das war noch untertrieben. Hätte man in der Formel 1 von ihrem Talent gewusst, würden sich die Spitzenteams um sie prügeln. Ich war mir sicher, dass es für sie keinen Unterschied machte, ob sie nun Socken stopfte, Schnitzel panierte oder die Räder an einem Rennwagen wechselte: Sie schaffte alles in Rekordzeit.

      So vergingen nun auch maximal sieben Komma acht Sekunden und schon stand sie neben mir im Zimmer.

      »Was brauchst du denn, Liebling?«

      »Kannst du mir bitte helfen? Ich weiß nicht, welches Hemd ich anziehen soll.«

      Skeptisch begutachtete sie meine Vorauswahl.

      »Auf alle Fälle keines von diesen hier. Die sind hässlich.«

      Meine Kinnlade musste wohl ein Opfer der Schwerkraft geworden sein, denn ich spürte, wie meine Mundhöhle schlagartig trocken wurde.

      »Aber Mama ...«

      »Ach, mein Dickerchen, du weißt, ich liebe dich. Und es gibt ganz viele Dinge, die du gut kannst. Du hast ja so wahnsinnig viele Talente!«

      Konsequenterweise hätte sie nun mindestens drei aufzählen müssen, doch die folgende, kurze Pause legte nahe, dass ihr spontan keine einfielen.

      »Aber einen modischen Geschmack, den hast du leider nicht«, meinte sie letztendlich, um auf das eigentliche Thema zurückzukommen.

      Die Wahrheit kann wehtun, heißt es. Doch ich musste gestehen, dass ich nicht sonderlich überrascht war, selbst wenn es ein Vierteljahrhundert gedauert hatte, bis meine Mutter mich diesbezüglich aufklärte. Es hatte immer wieder Momente gegeben, in denen der Verdacht nahelag, dass ich aufgrund meiner Kleidung belustigte Blicke auf mich gezogen hatte. Ich erinnerte mich schlagartig an die Hochzeit eines Bekannten im letzten Sommer. Es war an diesem Tag so heiß gewesen, dass ich beschlossen hatte, eine braune, kurze Hose zu tragen. Selbst der Pfarrer hatte mich belächelt. Ein anderes Mal hatte ich den Versuch unternommen, bei einem Discobesuch eine neongrüne Krawatte zu einem weißen T-Shirt zu tragen. Der Türsteher hatte mich aber mit klaren Worten darauf hingewiesen, dass es besser wäre, ich würde wieder nach Hause gehen. Nicht zu vergessen waren schließlich auch die Fischerhüte, die ich eine Zeit lang getragen hatte. Dadurch musste ich mir zwar keine Gedanken über meine Frisur machen, höchstwahrscheinlich hatte ich dennoch bescheuert ausgesehen. Zumindest hatte meine Klassenkameradin Jenny einmal eine subtile Anspielung in diese Richtung gemacht.

      Nun ja, in Wahrheit hatte sie mir ins Gesicht gesagt, dass ich mit den Hüten wie ein Trottel aussah. Ein Wink mit dem Zaunpfahl sozusagen.

      »Und was soll ich dann anziehen?«

      »Was weiß ich?«, war die wenig hilfreiche Gegenfrage. »Warum behältst du nicht die Sachen an, die du jetzt trägst?«

      Erkundend blickte ich an mir herab, denn um die Wahrheit zu sagen: Ich hatte keine Ahnung, was ich mir heute Morgen übergestreift hatte.

      Dass ich eine blaue, kurze Jeanshose trug, verwunderte mich dabei recht wenig, denn diese hatte ich bereits seit einer Woche jeden Tag getragen. Zum einen war ich zu faul gewesen, mir eine neue Hose aus dem Schrank zu holen, da es viel praktischer war, immer jene Hose anzuziehen, die ich vor dem Schlafengehen neben meinem Bett abschüttelte und dort griffbereit auf dem Boden liegen ließ. Zum anderen war sie auch ungeheuer bequem, denn es gab nur wenige Beinkleider, die mich nicht entweder an den Schenkeln, am Bauch oder im Schritt zwickten. Insofern war es auch keine schlechte Idee, wenn ich die Hose für meine Feier anbehielt, vor allem wenn ich bedachte, dass ich heute noch das eine oder andere Kotelett verspeisen wollte.

      Was das T-Shirt betraf: Ich hatte es vor zwei Jahren bei Rock am Ring erworben, wie deutlich am Schriftzug auf der Vorderseite zu lesen war. Die blaugrünen Farbvariationen machten einen angenehmen Eindruck, lediglich der Stoff spannte ein wenig um die Mitte. Das lag offiziell daran, dass das Shirt beim einunddreißigsten Waschen etwas eingegangen war, inoffiziell hatte ich seit dem Musikfestival ein paar Kilos zugelegt.

      Auch wenn mein Outfit zugegebenermaßen etwas abgetragen wirkte, machte es insgesamt einen akzeptablen Eindruck, wie ich fand. Gut, auf den Opernball würde man mich so nicht lassen, aber da wollte ich schließlich auch nicht hin, sondern lediglich auf meine eigene Geburtstagsparty.

      »Du hast recht«, stimmte ich meiner Mutter also zu, »eigentlich könnte ich die Sachen wirklich anbehalten. Außerdem wird sonst wahrscheinlich auch keiner im Hemd auftauchen.«

      Für mich war die Angelegenheit damit erledigt. Meine Mutter hingegen machte ansatzlos einen Schritt auf mich zu und drückte ihre Nase tief in meinen Brustkorb.

      Was ihre unbekümmerte Art betraf, sagen wir so: Ich fühlte mich dabei nicht immer sonderlich wohl. Dass ich meine Mutter liebte, stand außer Frage, aber ich hätte nichts dagegen einzuwenden gehabt, wenn sie etwas mehr Berührungsängste besessen hätte. Allerdings würde ich für sie eben auch noch in zwanzig Jahren ihr kleiner Junge sein, dem sie früher die Windeln gewechselt hatte, was ihr manchmal scheinbar wie gestern vorkommen musste. Insofern machte ich mir keine Illusionen, was eine baldige Änderung dieses Verhaltens betraf, und ich sagte nichts, als sie zwei tiefe Luftzüge nahm und an mir roch.

      »Du stinkst«, sagte sie mit herzlicher Ehrlichkeit einer Mutter.

      Nachdem sie wieder zurückgewichen war, nahm ich selbst eine Nase voll, indem ich meinen rechten Arm hob und mich mit dem Gesicht der Achselhöhle näherte.

      »Stimmt.«

      Der beißende Schweißgeruch war nicht zu leugnen.

      »Vielleicht doch ein anderes Shirt?«, fragte ich.

      Die hochgezogenen Augenbrauen meiner Mutter machten deutlich, dass sie es nicht für notwendig erachtete, eine derart offensichtliche Antwort zu geben. Stattdessen öffnete sie meinen Schrank, zog ein sommerlich-gelbes T-Shirt heraus und hielt es mir entgegen. Gerade in dem Moment, als ich danach greifen wollte, zog sie es wieder zurück.

      »Erst gehst du dich aber duschen!«

      Das war nun nicht die schlechteste Idee, denn nachdem ich eine weitere Duftprobe meiner Achselhöhle nahm, begann das Zimmer um mich herum leicht zu rotieren.

      Nach der Dusche fühlte ich mich wie neugeboren. Das kühle Wasser hatte vitalisierend gewirkt, und als ich aus der Dusche stieg, kam es mir so vor, als könnte ich Bäume ausreißen. Der Moment meiner Selbstüberschätzung war jedoch nicht von langer Dauer, denn mein verhasster Erzfeind sollte mich schnell wieder auf den Boden der Tatsachen holen.

      Wie oft hatte ich diesen übergroßen und völlig unnötigen Spiegel neben der Heizung schon verflucht? Meines Erachtens benötigte ein Badezimmer nur einen kleinen Spiegel über dem Waschbecken, damit man beim Rasieren keine Büschel übersah oder sich Mohnkörner aus den Zahnzwischenräumen pulen konnte. Was man mit Sicherheit nicht brauchte, war ein spiegelndes Ungetüm, das bis zu den Knien reichte und jene Fettschicht in vollem Umfang reflektierte, die sich am Bauch angesetzt hatte. Mit diesem Speckpolster umgeschnallt fiel es mir schwer, das Herkules-Selbstbildnis im Kopf zu behalten, und ich verwarf umgehend jegliche Pläne, etwaige Bäume mit bloßen Händen zu entwurzeln.

      »Eines Tages schlage ich dich in Stücke«, drohte ich dem Spiegel murrend und zog das T-Shirt über, sodass die nackte Haut meines Oberkörpers unter dem Stoff verschwand.

      Ganz so einfach ließ sich der Bauch zwar nicht verstecken, aber die Wölbung wirkte nun glücklicherweise ansehnlicher. Zumindest ein wenig.

      *

      »Wir dachten schon, du hättest dich verlaufen!«, rief Uwe mir entgegen, als ich den Innenhof betrat.

      An seiner Tonlage erkannte ich, dass das Bier in seiner Hand bestimmt nicht mehr das erste von vorhin war.

      »Du verpasst noch deine eigene Geburtstagsparty!«, ergänzte Peter, der