Veggie-Burger mit Speck. Patrick Schnalzer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Patrick Schnalzer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742768599
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      Die Vorfreude in mir stieg von Sekunde zu Sekunde ins Unermessliche, doch zugleich nahm ebenso das Hungergefühl in meiner Magengegend zu. Ich hatte heute Morgen ja noch nicht gefrühstückt – was bei mir höchstens ein- bis zweimal pro Jahr vorkam – und mittlerweile fühlte sich meine Bauchregion so an, als hätte sich dort ein riesiges Loch gebildet. Ein Blick nach unten bestätigte mir allerdings, dass meine ausgeprägte Bauchwölbung nach wie vor da war. Auf mein Hungerempfinden hatte das freilich keinen Einfluss.

      Ein Frühstück gestaltete sich bei mir in der Regel wie bei anderen Menschen auch: Zwei Scheiben Schwarzbrot, zwei Scheiben Weißbrot, ein Croissant, Butter, Käse, Schinken, Konfitüre, ein Ei, etwas Speck und im Anschluss ein paar Kekse, ein Stück Kuchen oder einfach nur eine halbe Tafel Schokolade. An manchen Tagen – wie am heutigen – war ich jedoch auch mit einigen Mettwürsten und Brot zufrieden. Und die besten Mettwürste der ganzen Stadt hatte zweifellos mein Vater in seiner Metzgerei.

      »Junge!«, rief er laut aus, als freute er sich ehrlich, mich zu sehen. »Du kennst doch Frau Steeger.«

      Er deutete weit ausholend auf die kleine Frau, die ihm gegenüber auf der anderen Seite der Theke stand. Sein theatralisches Herumfuchteln und Deuten wäre im Übrigen nicht notwendig gewesen, da nur eine einzige Kundin anwesend war.

      »Selbstverständlich. WIE GEHT ES IHNEN, FRAU STEEGER?!«

      Da ich mich erinnerte, dass die alte, kleine Dame über kein besonders gutes Gehör verfügte, passte ich die Lautstärke meiner Stimme den Umständen an.

      »Wieso schreit Ihr Sohn denn so mit mir?«

      Hilfesuchend wandte sie sich an meinen Vater, der mich nun wiederum nicht mehr so erfreut anblickte.

      »Sie wissen doch, Frau Steeger«, begann er und setzte sein typisches Verkäuferlächeln auf, das er immer dann benutzte, wenn er sich etwas Zeit verschaffen wollte, ehe er sich eine garantiert unwahre Antwort auf eine Kundenfrage aus den Fingern sog, »draußen auf der Straße ist es immer so laut. Wenn man dann hereinkommt, muss man sich erst einmal wieder an die Ruhe gewöhnen.«

      »Erzählen Sie mir nichts«, erwiderte Frau Steeger und mein Paps sah im ersten Moment das Kartenhausgebilde seiner Ausrede in sich zusammenstürzen, »seit ich mein neues Hörgerät habe, werde ich ständig mit Geräuschen beschallt, die ich überhaupt nicht hören will.«

      Ein neues Hörgerät. Das erklärte einiges.

      »Nun ja, Sie können Ihr Hörgerät wenigstens abschalten, wenn Sie einmal Ihre Ruhe haben wollen«, sagte ich. »Das Alter hat eben auch seine Vorteile.«

      Ich lächelte sie freundlich an, da ich mir sicher war, mit meiner humoristischen Äußerung bei ihr gepunktet zu haben.

      Dem war jedoch nicht so.

      Irritiert sah sie mich von oben bis unten an, als wäre ich im Bauarbeitergewand zu einem Gala-Dinner erschienen.

      »Ähm, wie viele Schnitzel wollten Sie gleich noch einmal?«

      Mein Vater versuchte die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken, um die peinliche Stille zu beenden, die entstanden war. Frau Steeger bestellte vier Stück und noch zweihundert Gramm Fleischpastete.

      »Möchten Sie auch noch ein Stück Schinken?«, fragte ich.

      »Nein«, antwortete sie recht harsch, »sonst hätte ich doch ein Stück Schinken bestellt.«

      Ungläubig schüttelte sie den Kopf, als hätte ich ihr ein unmoralisches Angebot für eine leidenschaftliche Nacht unterbreitet. Anschließend verabschiedete sie sich höflich von meinem Vater und spürbar distanzierter von mir, ehe sie die Metzgerei verließ.

      »Behauptest du nicht immer, dass du so gut mit den Kunden umgehen kannst?«

      Ich musste mir einen skeptischen Blick meines Vaters gefallen lassen.

      »Kann ich auch. Und das weißt du genau. Die letzten drei Monate musste ich immer mit ihr schreien, damit sie wenigstens ansatzweise verstanden hat, was ich gesagt habe. Woher hätte ich wissen sollen, dass sie sich endlich ein Hörgerät zugelegt hat?«

      »Ein guter Verkäufer weiß solche Sachen.«

      Er sah mir fest in die Augen und ich wusste nicht, was ich damit anfangen sollte. Plötzlich begann er bananenförmig zu grinsen.

      »Ich verscheißere dich nur, Junge.«

      Mit einer flinken Bewegung kam er hinter der Theke hervor und packte mich mit seinen großen Händen an den Schultern. Hätte mich ein anderer Mann mit solcher Kraft angefasst, würde sich jetzt der Inhalt meiner Blase entleeren. Im Fall meines Vaters genoss ich die ungestüme Berührung aber sogar, denn es kam nicht allzu oft vor, dass er seine Gefühle auf diese Weise kundtat.

      »Alles Gute zum Geburtstag!«

      Um dem Ganzen nun auch noch die Krone aufzusetzen, umarmte er mich sogar, was mich fast schon ein wenig verlegen machte. Dieser herzliche Moment zwischen Vater und Sohn wurde schließlich durch das deutlich hörbare Grummeln meines Magens gestört.

      »Hunger?«

      »Du kennst mich doch«, antwortete ich, als er sich wieder von mir löste.

      »Mettwurst?«

      Ich lächelte ihn bejahend an. Er kannte mich tatsächlich.

      »Wie viele Leute kommen denn heute?«, wollte er wissen, während er zwei Mettwürste unter der Glasvitrine hervorfischte.

      »Zur Party?«, fragte ich zurück und setzte mich an einen der beiden Tische, die sich in der Metzgerei für Imbisskunden befanden. »Zwanzig. Fünfundzwanzig.«

      »Wie viele nun?«

      Ein kurzes Zögern meinerseits.

      »Nicht mehr als dreißig«, sagte ich.

      Es war kein Geheimnis, dass mein Vater keine Freude an großen Menschenansammlungen hatte, und er konnte es noch weitaus weniger leiden, wenn sich eine solche Ansammlung in seinem Innenhof breitmachte.

      »Keine Sorge«, fügte ich beschwichtigend hinzu, »das sind alles meine Freunde, die werden sich schon gut benehmen.«

      »Dreißig Freunde? Wenn ich alle meine Freunde einlade, dann sind wir gerade einmal genug, um ein paar Runden Skat zu spielen.«

      Obwohl ich nicht wusste, welche Anzahl von Spielern man für Skat brauchte, verstand ich, worauf er hinauswollte.

      »Es sind auch nicht meine engsten Freunde«, gestand ich, »die meisten sind wohl eher Bekanntschaften. Aber nett sind sie trotzdem.«

      Mein Vater brachte mir die Mettwürste sowie drei Scheiben Schwarzbrot, die herrlich frisch dufteten und sogar noch warm waren.

      »Solange ihr nicht so laut seid, dass die Polizei antanzt.«

      Ich lächelte ihm zu und nickte, versprach in diesem Moment aber vorsichtshalber nichts, was man später hätte gegen mich verwenden können. Danach nahm ich sowohl von einer Wurst als auch vom Brot einen herzhaften Bissen und genoss die Geschmackskombination in meinem Mund.

      »Und wie sieht es bei den Mädels aus, die kommen? Ist da eine für dich dabei?«

      Der »Ich-will-einen-Enkel-und-Stammhalter-Blick« meines Vaters war mir nicht unbekannt, doch der plötzliche Überfall hatte mich durchaus überrascht. Unwillkürlich atmete ich tief ein, was grundsätzlich eine blöde Idee ist, wenn man den Mund gerade voll hat.

      »Ähm ...«, brachte ich in einem schrillen Ton heraus, dann begann ich wie verrückt zu husten.

      Es dauerte eine endlos scheinende Minute lang, bis sich die letzten Bröckchen so weit von meiner Luftröhre entfernt hatten, dass ich wieder halbwegs normal atmen konnte.

      »Papa!«, war schließlich das Erste, das ich vorwurfsvoll über die Lippen bekam.

      »Was? Du