Lord Geward. Peter P. Karrer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter P. Karrer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847617402
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für die beiden Morgen, die ich wieder lebe, in das weiche Holz.

      Ausgerüstet wie ein mittelalterlicher Söldner, mit Schwert und Stock, folge ich dem Weg in Richtung Tal.

      Nach einer Stunde lässt mich ein Geräusch aufhorchen. Ein gepresster Laut, der mich an Alphörner erinnert. Mangels waidmännischer Erfahrung kann ich den Schrei nicht zuordnen. Da ich mir sicher bin, den Ruf von der anderen Seite der Schlucht gehört zu haben, gehe ich von keiner unmittelbaren Gefahr aus und beruhige mich, zu meiner eigenen Überraschung, wieder sehr schnell.

      Zur Mittagszeit, Zufall oder nicht, finde ich einige Bäume mit wilden Birnen. Die Birnen, nicht größer als Zwetschgen, scheinen auch vom Vorjahr zu sein. Sie sind schrumpelig und vertrocknet. Die Stängel an denen sie hängen, befördern sicherlich schon lange keinen Saft mehr. Bemerkenswerterweise finde ich keine fauligen Früchte... nur ordentlich getrocknete.

      Ich probiere eine der zähen Früchte. Sie sind hart aber durchaus noch genießbar, eigentlich sogar ganz lecker, wenn man nur lange genug darauf herumkaut. Ein ausgezeichnetes Training für meine schlaffen Kaumuskeln. Ich hätte nie gedacht, einmal meine Kaumuskeln trainieren zu müssen.

      Ich fülle meine rechte Tasche bis zum Rand voll. Ein Hamster hätte sicher seine Freude an mir.

      Weiter geht es in eine ungewisse Zukunft.

      In Gedanken verloren kaue ich unterwegs eine Birne nach der anderen, nur unterbrochen durch einige Nüsse, so lange bis mich der Anblick des Unvorstellbaren den letzten Bissen beinahe unzerkaut verschlucken lässt.

      Ich zwinkere zweimal mit den Augen, als traue ich ihnen nicht. Wie vom Blitz getroffen erstarre ich und vergesse sogar die letzten Birnenreste hinunterzuschlucken.

      Keine fünfzig Meter vor mir sehe ich den Beweis vor dem ich immer Angst hatte und den ich doch so lange herbeisehnte: den Beweis, nicht der einzige Mensch zu sein!!!

      Immer noch misstraue ich meinen Augen und kann es einfach nicht glauben oder weigere mich, es zu glauben. Ich kann es nicht sagen.

      Ein Bauwerk, so faszinierend wie auch beängstigend, liegt unmittelbar vor mir. Durchgängig, soweit ich sehen kann, aus Holz, überspannt eine kleine Brücke das Tal. Eindeutig ein Gebilde von Menschenhand. Ängstlich und überrascht, bleibe ich immer noch wie versteinert stehen, überlege, gehe einige Schritte vorwärts, stoppe wieder, gehe wieder etwas zurück und gehe schließlich gebückt, übervorsichtig, ohne einen Laut zu verursachen weiter. Diesmal achte ich darauf mit meinem Schwert nicht wieder einen Felsen zu touchieren und mich zu verraten.

      Die Brücke scheint alt zu sein, keine zwei Meter breit, das Geländer knapp einen Meter hoch. Die Brücke ist grobschlächtig, aber sie scheint durchaus solide. Das Geländer ist von tiefen Rissen im Holz gezeichnet. Die dicht mit feuchtem Moos bedeckten Bodenbretter wirken im Gegensatz zur restlichen Konstruktion verfault, brüchig und wenig vertrauenserweckend.

      Die dichte und unbeschädigte Moosdecke beweist mir, diese Bretter betrat schon lange kein menschlicher Fuß mehr. Meine Nervosität verschwindet, als wäre sie nie da gewesen.

      Der Weg ins Tal geht auf der anderen Seite weiter. Das bedeutet, um weiterzukommen, muss ich diesen Übergang benutzen.

      Hin- und hergerissen, zwischen den Gedanken die Brücke zu benutzen oder umzukehren, taste ich mit dem rechten Fuß nach vorne. Mit zur Seite gestreckten Armen umklammere ich mit beiden Händen die Brückenköpfe. Bereits unter dem leichten Druck meines Fußes, geschweige meines Körpergewichtes, biegen sich die Bodenbretter gefährlich nach unten.

      Erschreckt springe ich zurück. Hier ist kein Weiterkommen!

      Neuen Mut sammelnd rüttle ich nacheinander an beiden Brückenpfeilern und an dem erreichbaren Geländer. Fest... keine Bewegung... nur die verdammten Bodenbretter sind marode.

      Mein durch das neue Leben erwachter Abenteuerdrang besiegt schließlich jede Furcht und ich balanciere mit dem Körper Richtung Tal quer auf den Seitenbalken über die Brücke.

      Alle paar Meter trete ich vorsichtig nach hinten und überprüfe dadurch die Qualität der Bodenbretter. Nach dem diese zur Mitte eher noch schlechter werden, finde ich mich damit ab, die Schlucht quer, mit zitternden Knien, über dem Höllenwasser zu überwinden. Obwohl alles sicher nicht länger als ein oder zwei Minuten dauert, erscheint mir das Überqueren wie eine nicht endende Psychofolter. Nach einer Weile über dem tosenden, mörderischen Wasser denke ich daran, es wäre wohl besser gewesen, nicht ins Tal, sondern bergauf zu sehen, aber egal, ich kann mich nicht umdrehen und in wenigen Metern ist alles geschafft und das Martyrium beendet.

      Glücklich auf der anderen Seite angekommen und festen Boden unter den Füssen, atme ich tief durch, strecke mich und warte das Ende des Zitterns meiner Knie ab.

      Jetzt spüre ich den Schweiß, nicht den der Anstrengung, einfach den kalten Schweiß der Angst, der in Strömen über meinen Rücken und unter meinen Achseln fließt. Ich öffne meinen Umhang, um ihn aber bald wieder, nachdem mich fröstelt, zu schließen.

      Langsam beginne ich, mich in der Nähe der Brücke unwohl zu fühlen. Nicht wegen der alten, zum Teil morschen Konstruktion, die ich glücklicherweise hinter mir habe, sondern der Tatsache, die Überführung ist das Symbol dafür, nicht alleine zu sein.

      Gerne würde ich wieder Menschen treffen, sogar der unheimliche Besucher Abraham Lincoln wäre mir recht. Trotzdem habe ich Angst, nach so langer Zeit andere Menschen zu treffen. Was, wenn sie mir feindlich gesinnt sind? Oder aufgrund meiner Waffe mich als Gegner und Feind sehen?

      Ich ertappe mich dabei mein Schwert verstecken zu wollen, was aber alleine schon wegen seiner Größe unmöglich ist.

      Ich wandere weiter, weg von der Brücke, weg von der Angst, das Böse zu treffen.

      Gegen Abend öffnet sich mir ein offenes, freies Tal mit saftigen, grünen Wiesen und einzelnen, große Bäumen, vermutlich Eichen oder etwas Ähnliches.

      Die letzten, windzerzausten Fichten verabschieden mich aus dem Bergwald und jetzt lobe ich mich selbst, einen so vorzüglichen Wanderstock geschnitten zu haben. Wenn er im Bergwald schon ausgezeichnet war, hier in den nassen, steilen Wiesen gibt er mir unschätzbaren Halt. Bei jedem Schritt nach unten stütze ich mich mit ihm ab und entlaste damit meine schmerzenden Knie.

      Als Bergwanderer scheine ich nicht besonders zu taugen.

      Am Morgen, als ich noch an die unendliche Wildnis der Berge glaubte, wäre mir die Idee eine Brücke zu finden, absurd vorgekommen. Aber was ich jetzt sehe, übersteigt alle meine Vorstellungen.

      Am Ende des Tales auf einem kleinen Hügel träume ich schon wieder oder werde ich doch verrückt? Aber ich hätte es nach der Brücke doch wissen müssen: Ein Haus, besser eine Hütte!

      Mein Gott, ich kann es nicht glauben!

      Ein Blockhaus, in bester Karl-May-Manier, aus massiven Baumstämmen, einer Festung gleich.

      Wieder stoppe ich, dieses Mal ducke ich mich nicht, ich bin viel zu weit weg. Nachdem der Abend immer schneller Einzug hält, plane ich hier die Nacht zu verbringen, natürlich ohne Feuer zu machen, um am Morgen ausgeruht und bei gutem Licht die Hütte zu erkunden.

      Weit nach Einbruch der Dunkelheit liege ich immer noch wach. Wirre Phantasien quälen mich. Was, wenn ich morgen, kurz vor dem Ziel, wieder in einer anderen Welt erwache, in einer Wüste ohne Wasser oder in einem endlos tödlichen Meer, zum Ertrinken verurteilt. Immer wieder kreisen fantastische Fiktionen um die Hütte. Ich sehe Fleischreste auf blanken, weißen Skeletten, welche die Hütte bewachen. Denke an Goldgräber, die in blindem Wahn ihre Mine verteidigen und auf jeden Besucher oder Eindringling ihr tödliches Schrot abgeben. Denke an Pest und Cholera, welche die Bewohner verzehrte. Sehe kleine Kinder, die weinend neben ihren toten Eltern liegen, gnadenlos dem Hungertod ausgeliefert.

      Immer wieder schlafe ich ein, um kurz darauf aus einem neuen Horrortraum gerissen zu werden. Natürliche Geräusche, die mich die ganzen Nächte davor nicht störten, machen mir plötzlich Angst. Verzweifelt kaue ich einige Nüsse, um Abstand von den Träumen zu bekommen,