Frau mit Grill sucht Mann mit Kohle. Sabine Ibing. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sabine Ibing
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738033816
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ein neues beginnen. Das ist doch ohne Rückgrat, mit einer verheiratet zu sein, mit der anderen zusammenzuleben. Du bist ein ganzer Kerl! Oder habe ich nur einen halben Hering abbekommen?«

      »Wenn das so einfach wäre.« Karl stöhnte, machte eine Pause. »Wir haben einen Beschluss. Man belässt alles, wie es ist, gibt sich trotzdem gegenseitig frei. Um die finanziellen Folgen einer Scheidung zu umgehen, bleibt man weiterhin verheiratet und einigt sich eben auf sonstige Weise. Das nennt sich dauerhaft getrennt lebend.«

      »Diesen Status bezeichne ich als inakzeptabel. Sie hat Angst, dir etwas von ihrer Kohle abgeben zu müssen! Das ist es doch!«

      »Nein, nicht Alex, sie hasst Anwälte. Aber du hast recht, sollte ich sterben, werden Alex und Amelie nicht mit der Wimper zucken, was auch immer zu tun, um dich loszuwerden. Da ist was dran.«

      Karl schlang seine Arme fest um Sophie, legte sein Gesicht in ihren Nacken, küsste sie zart und saugte ihren Duft ein. »Ich liebe dich so sehr, wie mein eigenes Leben«, hauchte ihr Karl ins Ohr.

      Sophie zog sich von ihm zurück. Plötzlich stand sie abrupt auf, schaute kalt lächelnd auf ihn herab. »Ich bin müde, gute Nacht.«

      Wenn sie ihn auf diese Weise ansah, fast maskenhaft grinsend, fühlte er sich völlig hilflos. Es schien ihm so, als sei sie vor ihm aufgewachsen und er wäre ein schwacher Winzling, der um ihre Gnade bettelte. Sex würde er die nächste Zeit nicht haben, das sagte ihr Blick eindeutig. Die wenigen Male musste er sich fleißig erarbeiten. Auf Sophies Stirn bildete sich diese kleine Furche, sobald sie etwas von ihm verlangte, die Augen funkelten gnadenlos. Der befehlende Ausdruck erlaubte keinen Widerstand. »Ich gehe zum Anwalt. Irgendwann muss man klar Schiff machen in seinem Leben«, hörte Karl sich selbst sagen.

      Sein Whisky schimmerte bernsteinfarben im Glas. Ich werde alt, dachte er. Vor ein paar Tagen hatte er ein Prospekt für Kaffeefahrten zugesandt bekommen. Bei Facebook fand er am Rand vermehrt Werbung für Hörgeräte, Treppenfahrstühle, Prostatatabletten und Erektionssteigerer. Und neuerdings, wenn er in Bad Homburg vor der prächtigen Seniorenresidenz stand, blieb er stehen, schaute in den Park, überlegte, ob es ihm hier gefallen könnte. Bei Zeitungsartikeln über Pflegenotstand grübelte er darüber nach, ob das Problem bis zu seinem Pflegealter gelöst würde. Er hatte Angst davor, allein zu sein, abhängig von einem Weißkittel, der bestimmte, ob und wann er Stuhlgang hatte, wie schnell er essen müsse. Und erst das Essen in einem Heim! Ob es besser wäre, in die Schweiz zu fahren, frühzeitig seinem Leben ein Ende zu machen? In letzter Zeit las Karl die Todesnachrichten in der Zeitung durch, um zu sehen, ob er jemanden kannte. Und jedes Mal schreckte er zusammen, wenn er Geburtsdatum von 195 ... las. Tod und Verfall des Körpers stellte sich ihm ständig in den Weg: Ein Freund erhielt dritte Zähne, hier eine neue Hüfte, dort Kniegelenke, Schrittmacher bei den Bekannten, die mehr als zehn Jahre älter waren. Herzinfarkt, Diabetes, Rückenleiden, Schiss vorm Sport; das hörte er bei denen in seinem Jahrgang. Doch seine Freunde waren ganze Kerle! Man traf sich zum Laufen, Radfahren, Spinning. Sie machten zwei Mal jährlich kurzen Männerurlaub. In diesem Jahr würde er nicht mitfahren, er konnte Sophie nicht alleine lassen und sein Training war mittlerweile sehr reduziert. Das musste sich ändern! Seine Kumpels waren die Typen, die sich nicht in Selbstmitleid hängen ließen und meinten, das Leben sei schon vorbei und nur noch auf Sparflamme möglich aus Angst vor dem Tod.

      Morgen würde er sich auf sein Rad schwingen! In der letzten Zeit hatte er sein Training vernachlässigt. Dies Empfinden, wenn er joggte, in die Pedalen trat, Endorphine sich in seinem Körper ausschütteten, die Welle die über ihn schwappte, ihn glücklich machte. Er vermisste dies Gefühl. Der Kopf war befreit, die Beine machten sich selbstständig, wie ein Motor, immer vorwärts, einfach weiter, bis sich die wohltuende Leere im Kopf ausbreitete. Der Geruch von frisch gemähtem Gras, das erdige Aroma nach einem Regen, der Duft von Blüten, frei von allen Sorgen. Rhythmische Bewegung, eins mit sich sein, der Geruch vom Main, das Kreischen der Möwen. Kein Zeitdruck, keine nervenden Kunden, keine meckernde Sophie. Anstrengung bis zum Limit. Und wenn du es geschafft hattest, dieser innere Jubel! Marathon, Iron Man, eine unglaubliche Kraftanstrengung. Du hast es geschafft! Bis ins Ziel!

      Sophie musste lernen, wieder allein zu sein. Er musste lernen, sich seine Zeit für sich zu nehmen. So musste es sein.

      BERLIN

       (Hugo Barradon: Wir sind alt genug es besser zu wissen, aber dumm genug, es trotzdem zu tun.)

      »Herr Barradon, es stimmt, das Sparkonto ihrer Frau unterliegt der Gütertrennung.«

      »Die Möbel für die Terrasse und dit neue Auto, en BMW Cabriolet, allet von meenem Konto jekoft, hat se samtemang mitjenommen. Tinnef hat se jeholt, Kaschmirdecke, neue Handtücher, ick hab jemeckert. Koft se so Köppe uff Säulen fürn Jarten! De olle Joethe un so! Hat se allesamt einjepackt.«

      »Die Beweislast liegt bei Ihnen, haben Sie Quittungen? Ihre Firma besitzt einiges an Vermögen, der Zugewinn seit Eheschließung ist nicht unerheblich. Allerdings besitzen Sie diverses Kapital in Form von Materialien in Ihrem Bestand, das könnten wir kaschieren, das kann uns helfen, die Zahlen zu schmälern.«

      »Ick muss ihr doch nix zusätzlich blechen, oder?«

      »Ich habe mit Ihrem Steuerberater geredet, er wird den Wert der Firma runterrechnen. Sie haben das neue Lager gebaut, müssen einen Kredit an die Bank abtragen, an Ihre Frau entrichten Sie Ihre Raten weiter. Da kommen Sie nicht drum herum. Nun, Ihre Frau wünscht das Geld sofort zurück, auch den Teil des Zugewinns. Wollen Sie nun um Kleinigkeiten streiten, Gabel für Gabel? Für das Sparkonto, den Schmuck und die Möbel hatten Sie Gütertrennung vereinbart.»

      »Ja wejen dem Finanzamt, wa. Jedoch nur für die antiken Möbel, wa.«

      »Ja, wegen dem Finanzamt.« Der Anwalt sog tief Luft ein. »Das wäre im Endeffekt das kleinere Übel. Sie haben sich für den Raubritter entschieden.«

      »Soll ick mir dit ausse Rippen schneiden, oda wat? Dit heest auf Klardeutsch, sie nimmt allet mit und bekommt noch mehr! Barbie kassiert ihre Klamotten, dazu Kens Haus, Kens Auto und seene Rente.«

      Rother schaute seinen Klienten mitleidig an. »Wir werden sehen, was ich mit dem gegnerischen Anwalt verhandeln kann.«

      »Wer steht eigentlich in ihren Lebensversicherungen als Begünstigter?«

      »Na Sophie!«

      »Dann ändern Sie das ganz schnell!«

      »Und wen soll ick da rinnschreibn?

      Im Auto sah Hugo, dass Sophie etwas auf Facebook gepostet hatte, ein Foto von einem dicken Rosenstrauß mit einem Kommentar: »Karl ist soooo romantisch! 50 Rosen! Und .... Wer findet den Ring? Ein süßer kleiner Brilli blinkt. Wo ist er denn?« Hugo löschte Sophie aus seiner Freundesliste.

      BAD HOMBURG

       (Alexandra Brand: In Diskussionen gewinnt man immer, wenn man ruhig und sachlich bleibt und eine Pistole vor sich auf den Tisch legt.)

      Karl betrat sein Büro und Alex folgte ihm mit ernstem Gesicht. Sie schloss die Tür. Das bedeutete: Gewitter im Anmarsch.

      »Lass uns setzen, ich möchte etwas mit dir besprechen.« Alex setzte sich auf einen Stuhl, der an dem kleinen Besprechungstisch stand.

      »Haben wir ein Problem bei einem Objekt?«, fragte Karl.

      »Das problematische Objekt nennt sich Ehe.«

      »Alex du kommst nicht klar mit deiner eigenen Argumentation! Du bist eifersüchtig, nenn es beim Namen! Doch ich gebe dir recht, wir sollten einen Cut machen.«

      »Mir ist ziemlich egal, wie du lebst, mit wem du zusammenwohnst. Ich glaube zwar, dass dir Sophie nicht gut tut. Aber das ist dein Ding.«

      Karl knurrte leise, hob den Kopf, schaute ihr ins Gesicht. Ihre schwarzen kurzen Haare, der olivfarbige Teint, die blitzenden dunklen Augen und die elegant geschwungene Nase ließen sie jünger wirken. In den letzten