Frau mit Grill sucht Mann mit Kohle. Sabine Ibing. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sabine Ibing
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738033816
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Anne Gagg hatte nichts Besseres zu tun, als nachzufragen, ob sie jetzt Trauer trage wegen Karl. Die alte Schnepfe! Karl hatte recht: Jeder lebte sein Leben. Ihre Kommunikation war schon lange in die Eiszeit übergegangen, trotzdem gab es ihr einen Stich ins Herz, als er mit seinen Koffern das Haus verließ. Er war ein charmanter, gut aussehender Mann, hochgewachsen, ein Meter vierundneunzig groß und schlank. Eine Freundin meinte einmal, er erinnere sie an Harrison Ford. Oberflächlich stimmte dieser Vergleich, jedoch sah Karl besser aus. Ihr Karli, der Kavalier, jederzeit großzügig, ein Mensch, der überall beliebt war, einer mit dem man nicht streiten konnte. Mit seiner sprühenden Laune und seiner Höflichkeit machte er jeden Ärger zunichte. Nie gab es ein lautes Wort von ihm. Sie liebte ihn noch immer. Auf der anderen Seite war die Liebe verblüht. Wieso war zwischen ihnen nicht mehr genug Gefühl vorhanden? Darüber hatte sie nie nachgedacht. Im Laufe der Jahre war ihre Liebe abhandengekommen, hatte sich aufgelöst in Respekt und Freundschaft. Die Flamme war erloschen. Sie wünschte ihm alles Gute. Was war passiert? Seine jugendliche Beschwingtheit, seine Unruhe, sie waren ihm geblieben. Er konnte nicht zu Hause sitzen. Stets war er auf dem Sprung, als würde er irgendetwas verpassen im Leben. In jungen Jahren hatte genau das sie gereizt. Heute ging es ihr auf die Nerven.

      Kaum hatte er die Fünfzig überschritten, kam ein neuer Spleen dazu, er musste sich etwas beweisen: Er sei kein alter Sack, von ihm sollten sich die Jünglinge eine Scheibe abschneiden, meinte er. Mit Laufen hatte es begonnen und es endete im Marathontraining. Karl war nicht allein. Einige Freunde im gleichen Alter hatten sich zusammengetan, man wollte an Marathonläufen teilnehmen: New York, Berlin, Boston. Später waren sie auf Triathlon umgeschwenkt und hatten für den Iron Man in Frankfurt trainiert. Mit dem Triathlon kam das Fahrrad ins Spiel. Ein Mountainbike von Karl stand im Büro auf Mallorca, in ihrer Garage parkte eine Galerie von Zweirädern. Diese Herrenriege rannte, schwamm und trat die Pedale. Mallorca, Österreich, Schweiz, sogar den Teide auf Teneriffa hatten sie erradelt. Schaut her, was ich noch alles kann, das war die Devise. Getarnt als Spaß, vorgeschoben die Gesundheit, so hechteten sie unsinnigen Zielen nach. Sicher kam demnächst die Himalaya-Besteigung dazu. Alex würde das nicht wundern. Sie fragte sich, was diese Männer sich beweisen mussten. War das die sogenannte Midlife-Crisis? War es genetisch bedingt? Fehlte ihnen das sich Messen und Krieg spielen? Zwei aus der Truppe waren ausgestiegen: Einer starb an einem Herzinfarkt, den Zweiten konnte man noch reanimieren. Einer der Herren hatte sich von seiner Frau getrennt und spazierte nun mit einem Mädel am Arm herum, jünger als die eigene Tochter. Männer zu verstehen gelang ihr in der Regel nicht.

      Aber diese Sophie war der Hammer, klein zierlich, hübsch, sie löste Beschützerinstinkte in jedem Mann aus. Dazu ein Porzellangesicht und ein Kleid wie eine Schneekönigin. Sie war eindeutig die Attraktion des Abends gewesen.

      Und sie war eine Zicke! Als Carsten eine Runde Margaritas ausgab, schlenderte das Luder auf ihn zu, prostete elegant in die Luft und fragte ihn, nach wem oder was der Drink benannt sei. Natürlich konnte sie selbst mal wieder den Mund nicht halten und platzte sofort heraus: Nach der Frau des Erfinders selbstverständlich. Grinsend wie ein Schimpanse belehrte die Rothaarige: selbstredend nach der Ex-Freundin. Später erkundigte sich die Giftnudel, Sophie, oder wie sie hieß, kennerisch beim Ober nach der Rebsorte des Weins, die dieser als Bourgogne bezeichnete. Und nochmals konnte sie ihre Zunge nicht zügeln, hielt ihr Glas hin mit der Bemerkung, ein Pinot sei ein feiner Tropfen. Chardonnay, entgegnete Sophie mit einem kühlen Blick, der sie von oben bis unten maß. Und dann setzte sie noch einen drauf, der alle Leute um sie herum in ihr Glas hüsteln lies: Sie fragte, ob es richtig sei, dass Alex von einem bekannten Weingut stamme.

      Alexandra hatte sich vorgenommen, nicht missgünstig zu sein, falls Karl irgendwann mit einer Anderen auftauchte. Mit diesem Tempo hatte sie allerdings nicht gerechnet. Einem gewissen Eifersuchtsgefühl konnte sie sich nicht entwinden. Eifersucht stand für Neid, das war ihre Überzeugung.

      Sie hatte vor einem Jahr fünfzehn Kilo abgenommen und war nun glücklich mit einem Gewicht, das in ihrer Jugend einem Albtraum entsprochen hätte. Warum zog sich ihr Magen zusammen und Hitzegefühle schossen in ihrem Kopf auf? Neidete sie Karl, dass er so schnell sein neues Glück gefunden hatte? Oder störte sie die Erscheinung von Sophie?

      Besaß Sophie etwas, was sie selbst gern gehabt hätte? Sophie strahlte eine zarte Aura aus, eine naive Verletzlichkeit. Man traute ihr nicht zu, einen Trecker zu fahren, eine Kiste zu schleppen und auch nicht, sich durchzusetzen, eigenständig irgendetwas zu schaffen. War sie jetzt völlig töricht, sich solchen Vorurteilen hinzugeben? Sophie war der Typ Frau, dem man die Tür aufhielt, die Einkaufstasche trug, den Weg freimachte, damit sie nicht in der Menge zerdrückt wurde. Sophie, das klang wie ein Lied. Alexandra, ein kräftiger Name, ein großes Mädchen, eine starke Frau, eine die alles allein durchstehen konnte, die im Geschäftsleben ihren Mann stand. Nie hatte ihr jemand die Tür geöffnet, die Tasche getragen. Und gestern hatten sich sämtliche Männer darum gerissen, Sophie das Portal aufzuhalten, ihr in den Mantel zu helfen. Karl schleppte ihr das kleine Päckchen mit dem Wecker hinterher, den sie bei der Tombola gewonnen hatte. War es das, was er gesucht hatte? Seine Urinstinkte auszuleben, ein Weibchen zu beschützen? Als Kämpfer Siege zu erringen, beim Laufen und Radeln. Alex erschrak über ihre Gedanken. Sie musste gerecht bleiben und sich nicht von ihren Gefühlen treiben lassen.

      Mit einer gewissen Wehmut dachte sie an Karl und seine komischen Eigenheiten. Nach dem Sport steckte er immer die Nase in seine Sportschuhe und sie hatte den Eindruck, als würde er seinen Käsefuß genießen. Hatte er gute Laune, machte er auf großen Bodenplatten gern den Schach-Pferdesprung. Das sah zwar ein wenig albern aus, aber sie fand es lustig, besonders, sobald sich alle Leute umdrehten. Setzte ihn eine attraktive Frau beim Geschäftstermin unter Druck, wurde er nervös. Sie erkannte es daran, dass er sich an der Nase rieb. Sie nannte das sein Wicky-Syndrom.

      Das Kapitel war abgeschlossen. Auch sie wollte nicht mehr zurück. Entschlossen knallte sie die Akte mit dem Exposé vor sich zu und legte sie in das Ablagekörbchen.

      FRANKFURT

      (Sophie Barradon: Montag ist gar nicht so schlimm, wenn man ein Paar neue Schuhe kauft!)

      Sechs Mal hatte Sophie bereits bei Karl angerufen, der sich immer noch in einer Sitzung befand. Jeden Tag verlangte sie mehrmals nach Liebesbeweisen, ganz gleich, ob er sich in Kundengespräch befand oder mit dem Auto unterwegs war.

      In der Mittagspause lud er die BroApp herunter. Er tippte die Telefonnummer von Sophie ein, ihren Namen und wählte fünfzig verschiedene Nachrichten aus, die er mit einem Haken versah. Damit hatte die Software verstanden, wie seine SMS aussehen sollten. Er stellte ein: Senden Montag bis Freitag, alle zwei Stunden bis achtzehn Uhr. Und schon ging die erste Message hinaus: »Schatz! Ich mache gerade Pause und muss so sehr an dich denken! Ich wünsche dir einen tollen Tag!« Er grinste. Die folgende SMS würde lauten: «Wo bist du bloß? Küsschen, Küsschen, Küsschen ...« Die BroApp würde registrieren, sobald er mit Sophie telefonierte oder selbst eine SMS geschrieben hatte. In diesem Fall wartete der Bro etwas ab, bis eine »Ich vermisse dich!« - SMS wieder Sinn ergab. Außerdem erkannte die Software, wenn sein Mobil und das von Sophie sich im gleichen Netzwerk befanden. In dieser Zeit stoppte sie ihren Dienst. Es gab tolle Erfindungen für Männer.

      Sophie kam von ihrem ausgiebigen Einkaufsbummel zurück. Der Winter würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Sie packte ihre Tüten aus. Fünf Kaschmirpullover, drei Kaschmirjacken, Seidenunterwäsche, Designer-Jeans, passende Weste. Die Cordröhre von Citizens of Humanity zog sie sofort an. Oder sollte sie lieber Leggins tragen? Sie wühlte in der Joop-Tüte: das blaue Etuikleid, die zwei Halstücher. Richtig, sie hatte in dem Laden zwei Taschen erhalten. In der anderen waren der Nadelstreifenblaser und die Bluse und auch die graue Lammfellweste, glockig geschnitten, mit gekämmtem Langhaar. Einen Mantel hatte sie noch nicht gefunden, alles nur Tand in einer Qualität, die nicht ihre war. Sie räumte die Sachen in den Schrank, ebenso die neuen Schuhe und die Handtasche.

      Gelangweilt griff Sophie zum Telefon, verabredete Friseurbesuche - jeden Dienstag und Freitag. Darauf folgten Kosmetikstudio, Nagelstudio, Fußpflege und Massage. Vor der Eingangstür hörte sie Stimmen. Karl kam mit Amelie