»Kind, mach doch bitte die Pappe ab, das sieht ja scheußlich aus!«, sagte Sophie mit kritischem Blick auf den Kuchen.
»Findest du? Das Papier hat sogar Spitze dran«, gab Amelie mürrisch zurück und bugsierte die Tortenstücke mürrisch auf einen Kuchenteller, wobei eines umfiel.
»Das nehme ich«, rief Karl. »Meine Schwiegermutter ist schon tot.« Niemand lachte. »Wir haben Sahnejoghurt mit Erdbeere, Nusstorte und Schwarzwälder Kirsch. Was möchtest du Sophie?«
»Karl, wärest du so lieb, Champagner zu öffnen?«, bat Sophie. Zu Amelie gewandt, mit einem scharfen Blick auf ihre Hüften, meinte sie: »Ich esse niemals Kuchen. Schau mich an! Das würde ich dir auch empfehlen.«
Im Inneren von Amelie brodelte es, sie wollte eine freche Antwort geben, riss sich aber zusammen. Zumindest für dreißig Sekunden. Dann schaute sie ostentativ an Sophie herunter. »Ich weiß, genau wie Schneewittchen, kein Arsch und kein Tittchen.«
Karl hielt die Luft an, atmete tief durch und entkorkte die Flasche. »So meine Damen, ein Prickelchen am Nachmittag.«
Amelie wollte sich auf einen der Sessel setzen, doch Sophie sprang auf und rief: »Moment, erst ein Handtuch. Du ruinierst mir mit der Jeans den weißen Seidenbezug!«
Amelie sah Karl Hilfe suchend an, der zuckte mit gesenktem Kopf die Schultern. Nachdem die Torte verspeist war, meinte Karl, man könne sich bequemerweise auf dem Sofa niederlassen. Sophie war entsetzt und wies auf die Terrasse. Jeans würden den Rohseidenbezug nicht nur beschmutzen, sondern auch abreiben. Draußen war es ungemütlich, der Wind pfiff vom Hafen her.
»Du solltest wirklich mehr auf deine Figur achten!«, tadelte Sophie Amelie mit einem Blick auf deren Unterleib.
»Echte Männer lieben Kurven, nur Hunde mögen Knochen!«, antwortete Amelie spitz. Sie verabschiedete sich schnell, da sie noch lernen müsse, drückte Karl, gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Danke für die tolle Winterjacke!«
Karl begleitete Amelie zur Tür und Sophie folgte ihm mit einem gewissen Abstand. Nachdem die Wohnungstür geschlossen war, drehte er sich um und blickte in ein zorniges Gesicht. »Diesem frechen Luder hast du eine Jacke gekauft?«
»Sophie«, flehte Karl, »für Sie ist es schwer, die Trennung nimmt sie mit.«
»Sie ist erwachsen und sie ist nicht deine Tochter«, gab sie beleidigt als Antwort.
»Ist sie doch. Alex war damals im sechsten Monat, als ihr Mann bei einem Autounfall starb. Trotz Kind hat sie die Firma weitergeführt und dem Vater auf dem Weingut geholfen, ihr Bruder war zu dieser Zeit sechzehn. Ich habe Alex kennengelernt, als Amelie zwei Monate alt war. Und damit ist sie meine Tochter«, Karls Tonfall war ärgerlich geworden, er rieb sich an der Nase.
»Sie ist nicht von deinem Blut, du hast ihr gegenüber keine Verpflichtung. Und sie war sehr ausfallend!«
Traurig blickend nahm Karl Sophie in den Arm, hob ihr Kinn zu sich hoch. Seine Stimme wirkte müde. »Es wird schon werden, lass ihr Zeit.«
Sophie drehte sich aus der Umarmung und schmollte mit vorgeschobener Unterlippe. »Sie arbeitet und kann sich selbst Kleidung kaufen.«
»Sie ist Studentin und hat einen Teilzeitjob in der Firma. Wir standen auf der Zeil und sie brauchte eine Winterjacke. Es gab eine, die ihr gefiel, aber die war ihr zu teuer. Es hat mir Freude gemacht, meiner Tochter die Jacke zu schenken. Basta.«
»Ich brauche dringend einen Mantel, mit mir gehst du nicht in die Stadt«, jammerte Sophie.
Karl verdrehte die Augen und stöhnte. »Also gut, wir gehen jetzt in die City und holen dir einen Mantel. Bist du dann zufrieden?«
Sophies Laune war wie gewandelt. Sie erzählte von ihrem Anwaltsbesuch. Hugo müsse Unterhalt zahlen. Ihr ganzes Geld habe sie ihm damals geliehen für die Firma, 150.000 Euro. Ein wenig sei schon zurückbezahlt, er sei nun verpflichtet, die Raten weiterzuzahlen. Als Ehefrau sei sie Mitinhaberin der Firma, da solle Hugo auch abdrücken. Der Anwalt leite die Scheidung ein. »Was habe ich mich früher krumm gemacht«, erklärte Sophie. »Ich habe seine Eltern lange gepflegt vor deren Tod, einer dement, einer bettlägerig. Nebenbei war ich in der Firma Sekretärin und Einkäuferin, habe Hugo den Rücken freigehalten. Ich putzte das Haus, pflegte den Garten, kaufte ein, kochte. Mein Tag hatte vierzehn Stunden an sieben Tagen. Und Hugo? Meinen Einsatz hat er nie gewürdigt, hat mich mit einer unterbezahlten Teilzeitstelle abgefüttert. Ich musste sämtliche Bons nachweisen, er hat sich aufgeregt über jedes Teil, das ich gekauft habe, Essen, Kleidung und so weiter. Wenn er nach Hause kam, hat er gesoffen und manchmal hat er mich geschlagen. Tränen standen ihr in den Augen.
Karl nahm sie zärtlich in den Arm. »Jetzt bist du bei mir und alles ist gut. Ich lasse dich nicht verhungern.« Er lächelte sanft. »Und nun gehen wir einen Wintermantel kaufen, damit du nicht erfrierst. Am Wochenende fahren wir nach Sylt. Ein Kunde von mir möchte sich von seinem Ferienhaus trennen. Wir sind eingeladen, um das Haus kennenzulernen.«
SYLT
(Sophie Barradon: Sei immer edel, niemals kitschig und immer ein bisschen frech!)
Der Wind blies scharf und Sophie drückte sich an Karl, als die beiden durch das Watt wanderten. Außerhalb des Sommers gehörte Sylt den Einheimischen und Naturfreunden. Der Strand war leer und es bot sich an, endlos zu wandern. Hungrige Möwen hielten gierig nach Futter Ausschau oder sie saßen auf muschelverklebten Buhnen. Sophies Wangen röteten sich in der Brise, die ihr stechend ins Gesicht schnitt. Die Sanddünen wirkten wie schlafende Kamele, auf deren Höcker sich das Dünengras wiegte, letzte Regentropfen hingen wie Glasperlen in windgeschützten Gräsern. Es klang wie ein leises Fiepen, wenn sich die Schilfstangen aneinander rieben. Und bei jedem Schritt im Watt es gab glucksende Geräusche. Karl zog seine gefütterte Barbourjacke über dem Polo fester zu. Sophie hatte sie ihm zusammen mit anderen für sie wichtigen Accessoires gekauft, ihn quasi neu ausstaffiert. Das gehöre sich so auf Sylt.
Sophie sagte: »Bitte lass uns reingehen, mir ist kalt.«
»Ich frage mich, warum du die dünne Lederjacke anhast und nicht den neuen Wintermantel«, schüttelte Karl den Kopf.
»Du bist schuld. Ich musste ja einen Koffer zurücklassen, da war der Mantel drin!«
»Aber Sophie! Mein Auto ist kein Lkw. Du hast drei große Gepäckstücke angeschleppt. Mehr hat nicht hineingepasst. Du wirst wohl mit zwei Koffern für ein Weekend auskommen! Er schaute an ihr herunter. »Und diese Schuhe! Mit den Pfennigabsätzen bleibst du im Sand überall hängen und im Pflaster erst recht!«
»Ich wusste ja nicht, dass wir in feuchtem Watt herumtapsen! Soll ich das ganze Wochenende frieren? Du erwartest doch nicht, dass ich mich in Öljacke und Gummistiefel zwinge, oder?« Sie murrte: »Ich will jetzt rein!« Entnervt zog sie die Augenbrauen hoch. Ihr Ton klang gnadenlos.
»Wir fahren nach Westerland und holen dir etwas Warmes zum Anziehen!«, gab sich Karl geschlagen.
»In Rantum wären wir gleich an der Sansibar, das könnten wir verbinden«, schnurrte Sophie.
Nachdem die beiden die gesamte Friedrichstraße in Westerland durchkämmt hatten, erhielten sie den Tipp, sich in einem abgelegenen Geschäft umzusehen. Sie betraten den Laden und sogen die Luft ein. Es roch verführerisch nach Leder und Pelz. Verträumt blieb Sophie vor einem Nerz stehen. »Karl, ist der schön!«
Er erkundigte sich bei der Verkäuferin gerade nach dicken Lederjacken.
»Ich ziehe ihn mal an, nur zum Spaß«, rief Sophie. Karl war überwältigt. Der Mantel schmiegte sich um Sophies Körper. Der Kupferton ihrer Haare kam auf dem dunklen Nerz perfekt zur Geltung. Sophie dreht sich elegant und ließ den Mantel leicht herunterrutschen, sodass er ihre Schulter freigab. Sie gab ihm einen erotischen Luftkuss.
»Ein