Die Rollen des Seth. Helen Dalibor. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Helen Dalibor
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847635529
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sie den Flur entlang.

      Die beiden Objekte gingen ihr nicht mehr aus dem Kopf. Vor ihrem geistigen Auge sah sie den Krug, die zwei dargestellten Menschen. Die zu übergebende Rolle schien zu leuchten.

      Sie konnte es nicht erklären, aber ihr kam diese Abbildung bekannt vor. Irgendwo hatte sie diese Szene schon einmal gesehen. Es war in keinem wissenschaftlichen Fachbuch gewesen, auch auf keiner Vase oder irgendeiner Fotografie. Wenn sie sich nur erinnern könnte.

      7

       Hamburg-Barmbek

      Er klickte auf das Symbol seines Browsers im Startmenü. Die Startseite des Forums erschien und er loggte sich mit seinem Benutzernamen ein. Der Bildschirm veränderte sich. Nun konnte er das Unterforum aufrufen, in dem er seine beiden Objekte zum Kauf anbot. Als er auf die Spalte sah, wo die Anzahl der Aufrufe der Seite stand, nickte er zufrieden. Die mehrstellige Zahl erfreute ihn. Er rief die Seite nicht auf, es waren keine Antworten seit der Erstellung des Themas geschrieben worden. Die Angebote sollten als persönliche Nachricht an ihn geschickt werden. So klickte er nun auf den aufleuchtenden Briefkasten. Die Anzahl der Nachrichten enttäuschte ihn dann doch, es waren weit weniger, als die Anzahl, die sein Angebot angesehen hatten. Erwartet hatte er nicht, dass alle, die sein Thema aufrufen würden, auch ein Gebot abgegeben hatten. Doch mit einigen Geboten mehr, hatte er dann doch gerechnet. Vielleicht würde es noch besser werden. Damit rechnete er allerdings nicht. Zu suspekt erschien den meisten sein Angebot, wie er bereits aus vorherigen Nachrichten wusste. Es war zu erwarten gewesen.

      Er klickte die erste Nachricht an und begann lauthals zu lachen.

      "Zehn Euro? Vergiss es! Für zehn Euro nehme ich doch nicht dieses Risiko auf mich. Da bekommt man nicht einmal eine billige Kopie."

      Die nächsten Nachrichten enthielten nur Fragen, wo er die Objekte her habe, ob sie bereits in einem Buch publiziert worden waren, er versichern könne, dass es sich um keine Fälschungen handle oder ob er die Stücke auch einzeln verkaufe. Sicherlich würde er sie auch einzeln verkaufen. Nur glaubte er nicht, dass er den Krug ohne die Kette verkaufen könnte. Wer wollte sich schon so ein Monstrum in seine Wohnung stellen? Diesen Staubfänger wurde er nur los, wenn er ihn zusammen mit der Kette anbot.

      Er sah sich die nächste Nachricht an und sein Gesicht erhellte sich ein wenig. Sie enthielt ein Gebot über 1500 Euro. Wieder wurden seine Erwartungen nicht erfüllt. Schienen die beiden Objekte niemandem etwas wert zu sein? Hunderttausende hatte er nicht erwartet, aber nur 1500 Euro? Da sollte er die Zeit noch ein wenig verstreichen lassen und auf ein besseres Gebot hoffen. Dieses Gebot erschien ihm zu gering für das Risiko, das er mit dem Verkauf der beiden Objekte einging. Es musste sich doch für ihn lohnen.

      Er loggte sich aus, beendete das Browser-Programm und schaltete den Computer aus. Er musste zur Arbeit. Die letzten Reste des Schutts mussten verladen werden. Eine Arbeit, die er nicht mehr sehen konnte.

      8

       Hamburg-Stellingen

      Isis saß im Wohnzimmer, den Laptop vor sich und haute mit den Fingern auf die Tastatur ein, als habe die Anschlagsquote eine neue Bedeutung bekommen. Links und rechts neben ihr stapelten sich kleine dünne Heftchen, denen sie momentan keine Beachtung schenkte. Ihr Blick war starr auf den Bildschirm gerichtet. Ihr Gesicht zeigte nur eine Regung, wenn ihre Suche wieder erfolglos gewesen war.

      Eine junge Frau, im gleichen Alter wie Isis, war in den Raum getreten und sah kopfschüttelnd zu ihrer Freundin. Scherzhaft hielt sie sich die Ohren zu, als Isis für einen kurzen Augenblick aufsah. Sie wollte mit dieser Geste verdeutlichen, wie laut Isis war. Doch ihre Freundin sah sie nicht.

      "Warum malträtierst du deine Tastatur? Die kann doch nichts dafür, wenn die Suchmaschine nicht das ausspuckt, was du suchst. Oder brauchst du einen neuen Laptop? Dafür musst du deinen eigenen aber nicht zerstören, um an dein Ziel zu kommen."

      "Wozu ist denn eine Suchmaschine sonst da?" Isis hatte ihrer Freundin nur halb zugehört.

      "Um dir Webseiten zu einem Thema anzuzeigen, dass du eingegeben hast. Aber wenn die Eingabe deiner Schlagwörter zu unpräzise war, bekommst du nur Schrott angezeigt. Mach mal Pause, vielleicht kommt dir dann der rettende Einfall."

      "Halt die Klappe, Karla!", wütend tippte Isis eine neue Kombination ein, doch wieder kam nicht das, was sie sich erhofft hatte. Als sie drei Seiten der Suchergebnisse durchgegangen war, haute sie wütend den Bildschirm auf die Tastatur und der Laptop ging automatisch in den Ruhezustand über.

      "Wenn du deinen Laptop unbedingt zerstören möchtest, musst du weitermachen. Du standest kurz vor dem Abschluss."

      "Entscheide dich! Erst soll ich eine Pause machen, dann meinen Laptop zerstören."

      "Du machst doch auch sonst nicht das, was ich dir rate."

      Isis sah zu Karla, die sich in den heiligen Fernsehsessel der jungen Ägyptologin setzte, nachdem sie den Fernseher angemacht hatte. Das dritte Programm zeigte Regionalnachrichten.

      "... der Mord an einem Juwelier bleibt weiterhin mysteriös. Gestohlen wurde weder Schmuck noch Bargeld. Es wird vermutet, dass die Tat von einem Unbekannten begangen wurde, der den Juwelier überfallen wollte. Doch als die Situation eskalierte, wurde der Juwelier erschossen und der Täter floh ohne Beute."

      Isis sah zum Bildschirm, als ihr auf einmal etwas ins Auge fiel, was ihre Aufmerksamkeit erregte.

      "Standbild", rief sie eilig, doch das Bild lief weiter. "Karla, was machst du denn?"

      Sie lief zu Karla und riss ihr die Fernbedienung aus der Hand, doch als sie den Knopf für ein Standbild gedrückt hatte und zum Bildschirm sah, hatte das Bild bereits gewechselt. Das Standbild zeigte den Moderator der Sendung. Wütend warf sie Karla die Fernbedienung zu.

      "Du weißt doch, dass ich mit dieser Fernbedienung nicht zurechtkomme. Die bleibt mir suspekt", entschuldigte sich Karla.

      "So wie Mona die neue Spülmaschine. Ihr könnt euch wirklich zusammen tun."

      "Mona ist nur faul."

      "Und du bist schwer von Begriff. Dieses Standbild war mir wichtig. Aber wegen deiner Unfähigkeit habe ich es verpasst."

      Erbost erhob sich Karla und funkelte Isis mit glühenden Augen an.

      "Ich bin nicht von zu Hause zu dir gezogen, um mir diese Worte anhören zu müssen. Bevor du weiter so etwas sagst, solltest du lieber mal darüber nachdenken, wie du dich eigentlich uns gegenüber benimmst." Karla legte die Fernbedienung auf den Tisch, dann hielt sie inne. Ihre Wut war wieder verraucht. "Wenn du Glück hast, gibt es die Sendung in der Mediathek oder du wartest auf die Nachrichten um vier. Da läuft noch mal exakt das Gleiche wie eben."

      "Das will ich für dich hoffen."

      Isis konnte die Sticheleien nicht lassen. Immer wusste sie alles besser, ließ keine andere Meinung gelten als ihre und beleidigte ihre Freundinnen unentwegt. Wie oft hatten Karla und Mona es ihr schon heimgezahlt, doch Isis stichelte weiter. Nicht einmal die Drohung, Mona und Karla würden ausziehen, ließ sie einen Gang zurückschalten. Aber so war die junge Ägyptologin nun einmal. Ihre Freundinnen wussten, dass sie es nicht böse meinte, nur auf Dauer war es einfach unerträglich.

      "Was willst du eigentlich mit diesen ganzen Schmierheftchen? Damit wirst du deine Doktorarbeit niemals schreiben können."

      Mit der Hand haute Isis Karla auf die Finger, als diese ein Heft hochnehmen wollte.

      "Nicht mit deinen ungewaschenen Patschehändchen anfassen. Dafür gibt es Handschuhe. Ihr Chemiker tragt doch auch Handschuhe, wenn ihr experimentiert."

      "Selten, kommt auf den Versuch an. Wirst du auch nie lernen: Es heißt Versuch und nicht Experiment. Bei einem Experiment weiß man nicht, wie es ausgeht, bei einem Versuch ist das Ergebnis bereits bekannt. Natürlich nicht uns Studenten, sondern den Versuchsleitern."

      "Schon klar, aber