Sonnenwarm und Regensanft - Band 4. Agnes M. Holdborg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Agnes M. Holdborg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738046632
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Kopf an und ha­lf ihr, ein paar Schlu­cke Co­la zu neh­men, in der Hoff­nung, der Kof­fe­in­kick wür­de sie be­le­ben. Gleich­zei­tig ver­sorg­te er sie mit ei­nem gu­ten Maß an Son­ne. Zu sei­ner Freu­de kehr­te ein we­nig Fa­r­be in ihr Ge­sicht zu­rück.

      »War­um ha­be ich das ge­tan, Vik­tor?«, frag­te sie matt. »Ich woll­te das doch gar nicht. Ich woll­te mich nur da hin­set­zen, er­zäh­len, was pas­siert ist, und Fra­gen be­ant­wor­ten. Statt­des­sen ren­ne ich zu die­sem Schwein und … Du mei­ne Gü­te!«

      Er muss­te sich ein La­chen ver­knei­fen, als An­na laut auf­stöhn­te bei der Er­in­ne­rung, die für ihn gut sicht­bar in ihr auf­stieg. Sie hat­te dem Un­ge­heu­er ei­ne Ohr­fei­ge ver­passt. Mit­ten im Ge­richts­saal!

      … Kaum be­trat sie den gro­ßen un­freund­li­chen Raum, sah sie nur noch rot. Völ­lig un­ver­hofft, von ei­nem Mo­ment zum nächs­ten, hat­te es sie über­kom­men. Sie stürm­te an­statt zu ih­rem Zeu­gen­stuhl zum An­ge­klag­ten, ih­rem ehe­ma­li­gen Bio­lo­gie­leh­rer Nils Zitt, und ver­pass­te ihm wort­los ei­ne schal­len­de Ohr­fei­ge. An­nas Va­ter rann­te so schnell wie mög­lich da­zu, um sie dar­an zu hin­dern, wei­ter auf den jam­mern­den Mann ein­zu­dre­schen. Die Hand hat­te sie be­reits er­neut er­ho­ben.

      Jo­han­nes nahm sei­ne Toch­ter zärt­lich in den Arm, re­de­te be­gü­ti­gend auf sie ein. Da­nach ent­schul­dig­te er sich beim Vor­sit­zen­den für An­nas Ver­hal­ten, gab gleich­zei­tig ih­re see­li­sche Ver­fas­sung zu be­den­ken und bat um rich­ter­li­che Nach­sicht.

      Der Rich­ter re­a­gier­te we­gen der Sa­che ziem­lich auf­ge­bracht, be­hielt sich in­des ei­ne Ent­schei­dung über das »un­ge­bühr­li­che Ver­hal­ten« der Zeu­gin vor.

      Dann end­lich spür­te An­na Vik­tors und eben­so Vi­tus‘ be­sänf­ti­gen­de Kraft. Es ge­lang ihr dar­auf­hin, die Fas­sung zu­rück­zu­ge­win­nen. Ei­ni­ger­ma­ßen ent­spannt ließ sie sich von ih­rem Va­ter an den Zeu­gen­tisch füh­ren. Dem Rich­ter schau­te sie da­bei tief in die Au­gen. Nun bat auch sie ihn um Ver­zei­hung, oh­ne al­ler­dings ei­ne wei­te­re Er­klä­rung zu ih­rem Be­neh­men ab­zu­ge­ben. Sie nahm wahr, wie der Mann un­an­ge­nehm be­rührt auf sei­nem Richter­stuhl hin und her rutsch­te, sich so­gar ein paar­mal räus­per­te, be­vor er ih­re Ent­schul­di­gung an­nahm.

      Doch er for­der­te sie nicht auf, sich über­dies beim An­ge­klag­ten zu ent­schul­di­gen, was des­sen Ver­tei­di­ger wie­der­um gar nicht ge­fiel. Nach ei­nem Blick­wech­sel mit An­nas blit­zen­den Sa­phi­rau­gen gab der al­ler­dings kei­ne zu­sätz­li­chen Äu­ße­run­gen da­zu ab. Und nach ei­nem wei­te­ren kur­z­en Au­gen­kon­takt mit An­na strich er statt­des­sen sei­nem nach wie vor heu­len­den Man­dan­ten ein­mal vä­ter­lich über den Rü­cken, ob­wohl der deut­lich äl­ter als sein An­walt zu sein schien. Dar­auf­hin stell­te der An­ge­klag­te sein in An­nas Oh­ren und Au­gen lä­cher­li­ches Wim­mern und kin­di­sches Ver­hal­ten wie­der ein. …

      Vik­tor be­ob­ach­te­te An­na auf­merk­sam. Au­gen­schein­lich dach­te sie auch wei­ter­hin gründ­lich über all das nach, was wäh­rend ih­rer Zeu­ge­n­aus­sa­ge vor­hin im Ge­richts­saal ge­sche­hen war.

      »Du oder Vi­tus, ei­ner von euch bei­den hat den Rich­ter und den Ver­tei­di­ger be­ein­flusst, nicht wahr?«, woll­te sie dann wis­sen. »Man hät­te mich ei­gent­lich für mei­nen Su­per-Auf­tritt be­stra­fen müs­sen, rü­gen, oder wie man so was nennt, hat es aber nicht ge­tan.«

      »Nein, An­na, das warst du selbst. Du hast al­le bei­de ma­ni­pu­liert. Nicht ich. Nicht Vi­tus.«

      »Was?« An­na war so schnell hoch­ge­schos­sen, dass ihr of­fen­sicht­lich gleich wie­der schwin­de­lig wur­de und sie sich des­halb zu­rück in die Kis­sen sin­ken ließ. »Ich?« Sie sah Vik­tor mit im­mer noch trü­ben Au­gen an. »Ich kann so was doch gar nicht.«

      Vik­tor run­zel­te nach­denk­lich die Stirn. »An­schei­nend doch, Klei­nes. Wie Vi­tus schon sag­te: Du lernst stän­dig da­zu.« Jetzt lä­chel­te er ver­schmitzt. »Du hast ei­ne gu­te Lin­ke, Sü­ße. Das hat bis nach drau­ßen ge­knallt. Ich hab‘s ge­hört und na­tür­lich in dir ge­se­hen. Du warst ein­fach groß­ar­tig.«

      »Lass das, Vik­tor«, er­wi­der­te An­na un­wirsch. »Das hät­te mir nicht pas­sie­ren dür­fen. Ich hab das al­les viel zu nah an mich ran­ge­las­sen. Ich …«

      Jetzt war es an ihm, un­wirsch zu wer­den. »Sag mal, spinnst du?«, rief er ent­rüs­tet da­zwi­schen. »Wem soll­te das Gan­ze wohl na­he­ge­hen, wenn nicht dir? Die­ser Typ hat dir Ge­walt an­ge­tan, er woll­te …« Vik­tor un­ter­brach sich selbst und schüt­tel­te den Kopf. »Al­lein beim Ge­dan­ken dar­an flip­pe ich aus.«

      Sein Blick bohr­te sich in ih­ren. »An­na, wenn du das nicht ge­tan hät­test und wenn Vi­tus mich nicht men­tal zu­rück­ge­hal­ten hät­te, ich wä­re be­stimmt nicht straf­frei da raus­ge­gan­gen, glaub mir. Ich hät­te den Kerl fer­tig­ge­macht, rich­tig fer­tig.«

      »Hät­test du nicht, Vik­tor. Du hast es ge­wollt, ja. Aber du hät­test es für mich blei­ben las­sen, da­mit ich mir kei­ne Sor­gen ma­chen muss. Es wä­re schließ­lich nicht be­son­ders schlau, soll­ten die Be­hör­den dich all­zu sehr durch­leuch­ten. Du hast zwar ei­ne mensch­li­che deut­sche Mut­ter, ei­ne or­dent­li­che Ge­burts­ur­kun­de, auch einen Pass und Füh­rer­schein und all so was. Trotz­dem wä­re es ris­kant, mehr von dir preis­zu­ge­ben. Denk an Ma­ri­us. Es ist nicht klug, die Neu­gier­de an­de­rer Men­schen zu we­cken.«

      Sie rich­te­te sich lang­sam wie­der auf, nahm ei­nes der Bro­te zur Hand und biss vor­sich­tig hin­ein.

      »Ja, das stimmt na­tür­lich.« Er nahm sich auch ein Brot. »Trotz­dem fiel es mir schwer. Des­halb ist es nur recht, dass du ihm ei­ne run­ter­ge­hau­en hast, so­zu­sa­gen stell­ver­tre­tend für mich.«

      Schwach lä­chelnd kau­te sie zu En­de und spül­te den Bis­sen mit ei­nem gro­ßen Schluck Co­la hin­un­ter, so, als ob das Es­sen nicht rich­tig rut­schen woll­te.

      »Ich dach­te, ich kä­me bes­ser da­mit zu­recht, Vik­tor. Ich dach­te, ich hät­te es im Griff und nichts wür­de mir mehr Angst ma­chen als die Aus­sicht, dich zu ver­lie­ren. Zu­ge­ge­ben, so ein­fach war es wohl doch nicht. Ich muss­te mich erst rich­tig von dem Scheu­sal be­frei­en, es kör­per­lich spü­ren. Ich glau­be, auf die­se, nun ja, et­was dra­ma­ti­sche Art und Wei­se ist mir das ge­lun­gen.« Geis­tes­ab­we­send biss sie noch ein­mal in ihr Brot. »So lang­sam geht es mir bes­ser.«

      »Bleib trotz­dem noch ein Weil­chen lie­gen, Sü­ße. Ich mach uns einen Ka­mil­len­tee. Dann le­ge ich mich zu dir, ja?« Vik­tor stand auf, um er­neut in die Kü­che zu ge­hen.

      An­na hielt ihn je­doch am Hem­d­är­mel fest. »Er wird be­straft und kommt vor­erst nicht mehr raus, nicht wahr?«

      »Ganz be­stimmt«, be­ru­hig­te Vik­tor sie. Da­bei be­hielt er für sich, dass auch er den Rich­ter und den Ver­tei­di­ger, ja, so­gar den Staats­an­walt ein klei­nes biss­chen em­pa­thisch be­ein­flusst hat­te. »Wir ha­ben un­se­re Aus­sa­gen ge­macht. Das wer­den die an­de­ren be­trof­fe­nen Mäd­chen eben­falls tun, ge­nau wie die Leh­rer und auch die Po­li­zis­ten, die da­mals sei­ne Woh­nung ge­stürmt ha­ben.« Ein grim­mi­ger Aus­druck husch­te über sein Ge­sicht. »Au­ßer­dem bricht