Juwelen, Mörder, Tote - Sechs Extra Krimis Juni 2018. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742734396
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      „Weil der Besitzer dieses Hauses einen gewissen Hang zur Geheimniskrämerei hat. Ich habe es aufgegeben, mich über irgend etwas zu wundern. Und Sie sollten dasselbe tun.“

      „Ich weiß nicht...“

      „Es ist ein Rat, mehr nicht.“

      „Gut.“

      „Stellen Sie sich eine Rose auf einem Misthaufen vor.“

      „Eine Rose auf einem Misthaufen? Etwas merkwürdig, nicht?“

      Aziz entblößte seine Zähne, als er ein breites Lächeln aufsetzte. „So etwas gibt es, Miss.“

      „Wenn Sie es sagen.“

      „Sie sollten sich an der Rose freuen, Miss - und nicht in dem Mist graben, auf dem sie gewachsen ist!“

      Dann wandte er sich mit einer entschlossenen Bewegung um und ging davon.

      6

      Vom Madrider Bahnhof Chamartin aus hatte Robert die Untergrundbahn genommen, war ein paar Stationen gefahren und dann an einer bestimmten Stelle ausgestiegen. Er kannte sich in Madrid aus, aber hier Ort - und vor allem in dem Hotel, vor dem er jetzt stand - war er noch nie gewesen.

      Er hatte das extra so arrangiert.

      Es sollte sich später niemand an ihn erinnern.

      Das Hotel war eine Absteige, aber genau richtig für seine Zwecke. Man kümmerte sich in solchen Etablissements nicht besonders um die Gäste. Und ein Teil der Gäste schätzte das.

      Die Fassade hätte eine Überholung dringend nötig gehabt, aber damit machte sie unter den anderen Gebäuden der Straße keine Ausnahme. Es war eine heruntergekommene Gegend.

      Als Robert das schäbige, enge Foyer betrat, knarrte der Fußboden. An der Rezeption saß ein dicker Mann mit roter Trinkernase, der sich über eine Illustrierte beugte und Kreuzworträtsel zu lösen versuchte.

      Robert trat näher, und blickte schließlich auf.

      „Que quisiera, senor?“

      Robert antwortete auf Englisch. British English. Der arroganteste Tonfall, den er hervorbringen konnte.

      Und wie die meisten Briten erwartete auch Robert von seinem kontinentalen Gegenüber, dass er ihn verstand.

      „Ich möchte ein Zimmer.“

      „No problemo, senor! Ihren Passport bitte!“

      Robert holte das Dokument aus der Jackentasche und schob es über den Tisch. Der Dicke mit der roten Nase holte ein Buch hervor und trug die Nummer des Passes ein. „Es Ingles, senor?“ Und dann, nach einer kleinen Pause, während der er gemerkt zu haben schien, dass er Spanisch gesprochen und sein Gegenüber ihn wahrscheinlich nicht verstanden hatte: „Engländer?“

      „Machen Sie Ihre Arbeit, und lassen Sie mich in Ruhe!“, zischte Robert.

      Aber der Dicke schien nicht gut genug Englisch zu sprechen, um das zu verstehen. „Hier den Portier zu spielen ist ganz schön langweilig. Kommen Sie aus London, Mister...“ Er blätterte in dem britischen Pass herum. „... McCord?“

      „Nein.“

      Robert nahm ihm das Dokument ziemlich grob aus der Hand. Der Spanier zuckte mit den Schultern und machte eine hilflose Geste. „Que va, senor! Was ist schon dabei?“

      „Brauchen Sie noch etwas von mir?“

      „Ja, eine Unterschrift.“

      „Wohin?“

      „Hier. Und dann hätte ich noch gerne, dass Sie für die nächste Nacht im voraus bezahlen. Das ist hier so üblich.“

      „Nichts dagegen.“

      „Wollen Sie Frühstück?“

      „Wird das von Ihnen angerichtet?“

      „Ja.“

      „Dann lieber nicht.“ Robert bekam seinen Schlüssel. Nachdem er bezahlt hatte, ging er die Treppe hinauf zu den Zimmern.

      „Zweite Tür links!“, rief der dicke Spanier ihm unfreundlich hinterher. Robert wandte sich nicht um.

      Wenig später stand er vor einer Holztür, die mehrere unübersehbare Schrammen aufwies. Er drehte den Schlüssel, während aus einem der Nachbarzimmer das schrille Lachen einer Frau und das bierselige Grölen einer Männerstimme drang.

      Robert trat ins Zimmer, warf den Handkoffer auf das Bett und sah sich um. Das Zimmer war passabel. Es gab sogar ein Telefon.

      Robert nahm den Apparat vom Nachttisch und setzte sich neben seinen Koffer auf das Bett. Aus der Hosentasche holte er einen Zettel. Dann wählte er mit schnellen, sicheren Bewegungen eine Nummer.

      Seine Rechte führte den Hörer zum Ohr.

      Mit angestrengten, konzentrierten Zügen wartete er ein paar Augenblicke.

      Dann: „Hallo?“ Eine kurze Pause. „Hier spricht das Chamäleon. Ich bin morgen um drei Uhr nachmittags im 'Parque del Buen Retiro'. Kommen Sie allein. Ich erkenne Sie daran, dass Sie ein Exemplar des 'New York Herald Tribune' bei sich tragen. Ich beschreibe Ihnen jetzt genauestens den Ort, an dem ich Sie sehen will! Schließlich ist der 'Parque' ziemlich groß. Hören Sie mir gut zu, ich habe keine Lust, mich zu wiederholen...“

      Sonntagnachmittag im „Parque del Buen Retiro ließ Robert vorsichtig den Blick umherschweifen. Was er sah, war alles andere als ungewöhnlich für diesen Ort und diese Tageszeit.

      Familien mit Kindern spazierten durch die Parkanlagen. Manche von ihnen fütterten die Tauben, die überall zu finden waren und sich schon so sehr an die Menschen gewöhnt hatten, dass sie fast jegliche Scheu verloren hatten. Auf einer Bank saß ein alter Mann, der eine dicke Brille und eine Baskenmütze trug und angestrengt in seine Zeitung stierte. Wenige Meter entfernt spielten zwei kleine Jungs, vielleicht vier, fünf Jahre alt, im Sand. Es mochten Enkel oder gar Urenkel des Alten sein. Wenig später, als Robert sich auf eine freie Bank gesetzt hatte, rief der Alte die beiden Jungs herbei und holte für jeden eine Banane aus seiner abgenutzten Tasche.

      Er selbst genehmigte sich eine Zigarre, hatte aber kein Feuer und sah sich dann etwas hilflos um. Da war noch ein junges Paar, das eng umschlungen dasaß und sich in mehr oder weniger regelmäßigen Intervallen leidenschaftlich küsste.

      Der Alte hatte offensichtlich nicht die Absicht, die beiden zu stören, daher stand er auf und ging zu Robert. Er fragte ihn auf Spanisch nach Feuer.

      Robert musste noch einmal nachfragen, um ihn richtig zu verstehen, was nicht an seinen mangelhaften Spanischkenntnissen, sondern an der Tatsache lag, dass der Alte ein Gebiss trug, das nicht richtig saß.

      Robert hatte kein Feuer, und er sagte das dem Alten auch in dem besten Spanisch, das er hervorzubringen in der Lage war. Er sei Nichtraucher, erklärte er ihm. Wozu also Streichhölzer oder ein Feuerzeug?

      Robert hoffte, dass das Gespräch damit zu Ende wäre, aber er hatte sich getäuscht. Der Alte schien auf einen kleinen Plausch aus zu sein und nahm die Sache zum Anlass, einfach draufloszureden.

      Robert verstand einen Großteil