Juwelen, Mörder, Tote - Sechs Extra Krimis Juni 2018. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742734396
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      „Ich kann es schon jetzt kaum erwarten, obwohl du doch noch gar nicht weg bist und hier neben mir liegst!“

      Sie bewegte sich wieder zu ihm hinunter und legte sich in seine Armbeuge.

      Auf einmal begann sie zu frieren und zog die Decke bis zu den Schultern hoch.

      5

      Am Morgen war Robert schon früh aufgestanden.

      Undeutlich nahm Elsa wahr, wie er ein paar Sachen aus dem Kleiderschrank holte und in einen Koffer packte. Es dauerte ein bisschen, aber dann war sie hellwach.

      „So früh?“

      „Ja.“

      „Willst du hier noch frühstücken? Ich könnte die Kaffeemaschine...“

      „Nein. Dazu ist kaum noch Zeit. Hast du einen Führerschein?“

      „Ja.“

      „Dann lasse ich dir den Landrover hier.“

      „Und du?“

      „Ich rufe mir ein Taxi.“

      „Wenn du meinst...“

      „Ja.“

      Er schloss den Koffer zu und verließ das Schlafzimmer. Sie hörte ihn die Treppe hinuntergehen, schlug die Bettdecke zur Seite und stand auf. Dann warf sie sich ein paar Sachen über und folgte ihm.

      Als sie die Treppe hinabstieg, sah sie seinen Koffer, den er flüchtig abgestellt hatte. Darüber hatte er sein Jackett geworfen. Aus dem Wohnzimmer hörte sie Roberts Stimme beim Telefonieren. Er rief wohl gerade das Taxi, was sie allerdings nur vermuten konnte, denn er sprach Arabisch.

      Sie wollte schon weitergehen und ihm ins Wohnzimmer hinein folgen. Dann fiel ihr Blick auf den Pass, der aus der Innentasche seines Jacketts ein Stück herausragte.

      Elsa runzelte unwillkürlich die Stirn, sie glaubte ihren Augen nicht zu trauen. Dann zog sie mit einem schnellen Griff den Pass noch ein weiteres Stück aus der Tasche heraus und dann gab es keinen Zweifel mehr.

      Sie hatte sich nicht getäuscht.

      Es war nicht mehr der dänische Pass, den sie damals auf der Post gesehen hatte. Der Pass war britisch.

      Elsa fuhr augenblicklich zusammen, als sie Robert herankommen hörte.

      „Alles in Ordnung, das Taxi kommt gleich.“

      Sein Blick war auf die Armbanduhr an seinem Handgelenk gerichtet. Dann sah er auf. „Ist irgend etwas?“

      „Nein. Was sollte sein?“

      „Ich meine nur. Du siehst aus, als wäre dir irgendeine Laus über die Leber gelaufen.“

      „Nein, du irrst dich.“

      Er zuckte die Schultern.

      „Na gut.“

      Er nahm seine Jacke und zog sie an.

      Blitzlichtartig wirbelte ein halbes Dutzend Gedanken auf einmal in ihrem Kopf herum. Wie kam Robert an einen britischen Pass? Wozu brauchte jemand überhaupt mehrere Pässe? Sie hatte keine Gelegenheit gehabt, hineinzuschauen und wusste nicht, ob derselbe Name eingetragen war: Robert Jensen.

      Vielleicht gibt es eine ganz simple Erklärung, dachte sie. Es gab ja schließlich so etwas wie doppelte Staatsbürgerschaften. Sie hätte ihn leicht fragen können, aber irgend etwas hielt sie davon zurück.

      „Du brauchst dich um nichts zu kümmern. Aziz schaut vorbei und regelt alles. Er hat einen Schlüssel.“

      „Gut.“

      „Ich lasse dir genug Geld da, damit du über die Runden kommst.“

      Wenig später kam das Taxi. Als Robert weg war, fühlte sie sich, als würde sie in ein großes, finsteres Loch fallen. Langsam begann ihr jetzt zu dämmern, wie sehr ihr Leben bereits um diesen Mann zu kreisen begonnen hatte.

      Eigentlich hatte sie nichts dagegen. Eigentlich wünschte sie sich nichts anderes als genau das: um ihn zu kreisen wie ein Planet um seine Sonne.

      Aber da war die Sache mit dem Pass. Und eine Ahnung von Misstrauen. Sie konnte nichts dagegen tun, es hatte begonnen, an ihrer Seele zu nagen, und sie konnte sich nicht dagegen wehren...

      Unwillkürlich kamen ihr die Geschäfte ins Bewusstsein, mit denen Robert sein Geld verdiente... Viel Geld, wie auf der Hand lag. Sehr viel...

      Was mögen das nur für Geschäfte sein?, dachte sie und zermarterte sich das Hirn. Am Ende gar Drogen oder etwas in der Art?

      Robert hatte Elsa gegenüber bisher standhaft über die Herkunft seines Geldes geschwiegen.

      Dann die Sache mit dem zweiten Pass... Wer, außer einem Mann, der seine Identität verdunkeln musste, brauchte mehrere! Es schien alles zusammenzupassen.

      Elsa erschrak über ihre eigenen Gedanken. Mein Gott!, dachte sie. Das grenzt ja an Paranoia!

      Sie sah ihren Traum bereits wie eine Seifenblase zerplatzen. Ein Teil von ihr weigerte sich, den Gedankengang zu Ende zu führen. Aber er ließ sich nicht einfach so aufhalten. Die Gedanken kamen wie von selbst, und sie konnte sie nicht stoppen.

      Auf einmal hatte Elsa rasende Kopfschmerzen.

      Elsa fühlte sich wie betäubt.

      Ich lege mir da etwas zurecht, versuchte sie sich selbst einzureden.

      Sie traute ihrer eigenen Wahrnehmung nicht so ganz. Sie erinnerte sich daran, dass sie sich früher oft verfolgt gefühlt hatte. Nicht nur, wenn sie in einsamen, finsteren Nebenstraßen einem nur als schattenhafter Umriss erkennbaren Unbekannten begegnete, sondern auch in ganz anderen Situationen. Im Kaufhaus zum Beispiel.

      Eine Hälfte von ihr hatte immer gewusst, wie absurd das alles war und dass das alles nur ihrer Einbildungskraft entsprang. Die andere Hälfte zitterte vor Angst.

      So ähnlich war es auch jetzt.

      Sie ging hinauf ins Schlafzimmer, um in ihren Sachen nach Tabletten gegen die Kopfschmerzen zu suchen. Sie hatte immer so etwas dabei gehabt, seit sie 13 gewesen. Sie nahm die Tabletten, wenn sie Kopfschmerzen hatte, wenn ihre Regel im Anzug war - oder wenn sie sich ganz einfach schlecht fühlte.

      Im Augenblick trafen alle drei Dinge auf einmal zu. Es war furchtbar.

      Sie wühlte ihre Sachen durch, und schließlich fand sie, was sie gesucht hatte. Die Tabletten waren in der kleinen weißen Handtasche, die sie oft bei sich hatte.

      Sie nahm ein paar, drei oder vier, und dann ging sie nebenan ins Bad, um sie mit etwas Wasser hinunterzuspülen.

      Im Allgemeinen wurde davor gewarnt, das Leitungswasser unabgekocht zu trinken, aber das kümmerte sie im Augenblick nicht. Sie dachte überhaupt nicht daran.

      Ihre Hand glitt die in Augenhöhe angebrachten Ablage entlang und suchte nach einem Zahnputzbecher, während sie eine Tablette bereits im Mund zerkaut hatte. Sie schmeckten scheußlich, und so verzog sie das Gesicht zu einer Grimasse.

      Irgendetwas fiel ins Waschbecken. Es war ein Rasierapparat. Sie war ziemlich ungeschickt.