„Vielleicht führen uns die Computer mit ihrer überlegenen Intelligenz ja auch eines Tages zu höherer Erkenntnis, welcher auch immer.“
„Von mir aus. Hab ich übrigens auch was Interessantes gelesen neulich, wie die Technik langsam den Menschen überholt, Schachcomputer warn ja erst der Anfang; schon vor über 10 Jahren, gegen das Jahr 2000, sind erstmals mehr Informationen weltweit digital als analog gespeichert worden. Experten gehen davon aus, daß der Mensch zur Zeit etwa 300 Exabytes an Infos speichert, das wäre das 300fache der Anzahl von Sandkörnern, die es weltweit gibt. Jedoch sind 300 Exabytes nur ein Prozent dessen, was an Daten im Erbgut der Menschheit gespeichert ist. Stell dir das mal vor! Und da sagen sie noch, die DNS ist aus Maggisuppe entstanden. Rein zufällig natürlich!“
„Wow.“
„Und es kommt noch besser: Alle Computer zusammengenommen hatten im Jahr 2007 eine Rechenleistung von etwa sechs Milliarden Schritten pro Sekunde. Unglaublich viel. Aber bedenke: Das ist etwa so viel wie die Zahl an Nervensignalen, die ein einzelnes menschliches Gehirn in einer Sekunde verarbeitet.“
„Echt?“
„So ist es. Nur verdoppelt sich die virtuelle Rechnerleistung - im Gegensatz zu ihrem menschlichen Pendant - etwa alle 18 Monate, weshalb die Sekundentaktleistung des menschlichen Gehirns inzwischen überholt worden ist - jedenfalls individuell, kollektiv natürlich noch lange nicht.“
„Dennoch scheinen mir Computer nicht rundum klüger zu sein als Menschen.“
„Eh klar, mathematische Dinge können sie mittlerweile schneller berechnen als alle Mathematiker der Welt mit Papier und Bleistift zusammen, aber in anderen Bereichen fehlen ihnen die Programme, da geht nix: emotionale Intelligenz null, Kunst, Kultur, Religion, Zwischenmenschliches null. Oder möchtest du nen Computer als Freund, als Richter, als Familienersatz?“
„Kommt bestimmt auch noch, der Mensch lebt doch überwiegend in Stereotypen, und die lassen sich dann ohne weiteres algorithmisch darstellen. Auch in on-line Netzwerken flitzen doch heute schon viele Androidenprogramme herum gegen die Langeweile ...“
„... und auf der Suche nach Werbeopfern ...“
„Schon wahr, der Rubel muß rollen, die Werbung finanziert ja auch weite Teile des Netzes. Ob die Computer da auch schon an der Meinungsbildung mitwirken?“
„Bestimmt. Was ist in, was ist out, muß doch gesteuert werden, oder willste das dem sogenannten Zufall überlassen?“
„Du meinst Mode, Musikgeschmack, politische Überzeugungen, Freizeitverhalten - alles computeranimiert?“
„Überspitzt gesagt schon, vor allem das Leben der Kids, Teens und Twens.“
„Ham die denn keine eigene Meinung mehr?“
„Woher denn auch? Jeder orientiert sich zunächst an den Konventionen und Traditionen, von der Kleidung über die Frisur bis hin zum Konsumverhalten. Dann kommen die Trends, denen sich die meisten nicht entziehen können oder wollen, denn sonst könntest du als altmodisch, langweilig oder exzentrisch gelten. Da alle gleichermaßen von Morgens bis Abends damit berieselt werden, lassen sich schnell Mehrheitsmeinungen herausbilden, und die Sache läuft. Nowhere to run, nowhere to hide.“
„Müßte man mal genauer unter die Lupe nehmen. Gehirnwäsche durch Medien. Heißen ja nicht umsonst die vierte Gewalt.“
„Die Idee ist schon faszinierend, die Masse spurt auf Knopfdruck. Sicher arbeiten sie schon lange daran, neulich hab ichs noch irgendwo gelesen, schon die Mode für kleine Kindergartenmädchen imitiert die der großen Damen, die merkens gar nicht und werden indoktriniert.“
„Ich glaub, wenn man sich Werbesendungen aufmerksam anschaut, kann man eine Menge lernen über die Menschen und die Art, ihre Meinung zu beeinflussen.“
„Mit Sicherheit. Bei Mode und Musik ists ja relativ eindeutig, aber da geistige Prozesse immer analog ablaufen, wird das bei Politik und Konsum auch so sein, ergo die meisten Leute eigentlich gar nicht mehr selbst entscheiden, sondern das für sie bereits Entschiedene freudig annehmen, in der Meinung, sie hätten es frei gewählt.“
„Gibt ja ein ziemlich zynisches Weltbild ab, was du da heraufbeschwörst.“
„Egal, Hauptsache, wahr! Siehste, über allem muß immer der Spiegel der Erkenntnis schweben, dann bemerkst du den Unterschied zwischen fremdgesteuert und selbstbestimmt.“
„Oh ja, dazu kenn ich auch noch was:
Keep you doped with religion and sex and TV,
And you think you're so clever and class less and free,
But you're still fucking peasants as far as I can see.
„Guter Text, gefällt mir. Ist das von Dylan oder Lennon? ... Ja? Ahh, wußt ichs doch. Nun, ich versuche nur, der Wahrheit ins Auge zu sehen, kann oder will auch nicht jeder.“
„Ich hätte gedacht, der Mensch reagiert aufgund archetypischer Verhaltensweisen, also gemäß seinem Urinstinkt zur Erhaltung der Spezies. Schließt den Selbsterhaltungstrieb mit ein, aber auch die Opferbereitschaft.“
„Sicher sind wir zum Teil immer noch Steinzeitmenschen, an der Pysche hat sich seither so viel nicht verändert. Aber alles Handeln auf einen Nenner zurückzuführen, scheint mir den Menschen zu sehr zu vereinfachen, ich würde mich nicht gern auf eine einzige Triebfeder reduzieren lassen. Es gibt viele Motive, die individuell eine Rolle spielen, ob du führst oder geführt wirst, ob du an etwas Höheres als dich selbst glaubst, ob du eher egoistisch oder altruistisch eingestellt bist. Und wenn du schon alles als instinktiv bezeichnest, was ist damit gewonnen? Die Frage ist doch, warum handele ich so wie ich es tue, wie sollte ich handeln, und inwieweit kann ich mein Handeln selbst bestimmen? Wenn ich nur Opfer meiner Leidenschaften bin, habe ich keine Verantwortung und kann mich entspannt zurücklehnen. Aber für mich wäre das ein geistiges Tierstadium. Der Mensch kann mehr, er hat die Chance, sich zu kontrollieren und damit über sich hinauszuwachsen. Fragt sich allenfalls, wie ...“
„Durch die Macht der Gedanken?“
„Wenn du genau auf deine Gedanken achtest, wirst du schnell feststellen, daß du die meiste Zeit über mit Dingen beschäftigt bist, die es gar nicht gibt, weil sie nur in deiner Phantasie existieren. Verpaßte Chancen, Was-wäre-wenn-Exerzizien, wilde Zukunftsszenarien. Daher das berühmte Credo des hier und jetzt, das bündelt die geistigen Kräfte. Du weißt doch: erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.“
„Auch wahr. Also ist Grübeln unökonomisch, sozusagen Gedankenverschwendung. Dennoch tun wir es unaufhörlich. Und dann noch nicht einmal autonom, sondern zugekleistert mit Einflüsterungen von allen Seiten. Also nochmal zurück zur Medienmacht, nehmen wir mal an, die Masse wäre so naiv und leicht zu beeinflussen wie du sagst, dann frage ich mich, wozu dieser Manipulationsaufwand überhaupt betrieben wird, und von wem, für ein paar Euro mehr?“
„Menschenführung bringt Profit und Macht, richtig? Wenn du die anderen lenkst, bist du selbst nicht wie sie, sondern etwas Besseres, du folgst deinen eigenen Regeln, das gibt ein starkes Gefühl, du bist der moderne Halbgott sozusagen.“
„Ja sicher, den Verlockungen der Machtausübung kann niemand widerstehen. Außer Gandalf, der wollte den Ring nicht tragen. Fragt sich nur, warum die Herren Mächtigen dann das Chaos als Machtmittel bevorzugen, anstatt die Leute in Frieden leben zu lassen und dafür zu sorgen, daß die sich nicht alle immer gegenseitig die Köppe einhauen.“
„Auch das kann ein Mittel zum Zweck sein. Wer sich selbst über den anderen stehend glaubt, sieht vieles anders, da kann man schon einmal ein paar Bauernopfer bringen. Zudem ist die Macht ja