Verbandes zu helfen, trat Kormund zu seinem Freund Dorkemunt. »Wir sind
glimpflich davongekommen.«
Dorkemunt nickte. »Der Orkpfeil, der in dem Toten steckte, hat uns
vorgewarnt. Wir waren einfach schneller.«
Sie blickten einander an und dachten an den Toten, der ein gutes Stück die
Straße zurück am Wegrand lag. »Die Bestien waren offenbar hinter dem
Fremden her und haben ihn verfolgt«, sagte Kormund nachdenklich. »Sie
müssen überrascht gewesen sein, uns zu begegnen. Sehen wir uns einmal an,
hinter wem sie so eifrig her waren.«
Sie gingen den Weg zurück und erreichten bald das seltsame braune
Bündel, in dem der Orkpfeil steckte.
»Ein Kind«, brummte Kormund und beugte sich vor.
»Mit einem Helm?« Dorkemunt schüttelte den Kopf. »Das war kein
Kind.«
Sie wälzten den leblosen Körper herum und fuhren zusammen, als sie ein
leises Stöhnen vernahmen. »Bei den Goldenen Wolken«, flüsterte Kormund,
»er lebt noch.«
Es war ein kleinwüchsiges Wesen, noch etwas kleiner als Dorkemunt,
doch seine Statur wirkte ungeheuer kompakt. Die Falten seines Gesichts und
der dichte rote Bart verrieten, dass es sich um einen älteren Mann handeln
musste. Aber konnte man da sicher sein?
»Meinst du, das ist ein Zwerg?« Dorkemunt kratzte sich im Nacken. »Was
hat ihn hierhergeführt? Und sieh dir seine Rüstung an. Sie ist sehr kunstvoll
gearbeitet. Ihr Träger muss von hohem Rang sein.«
»Das alles werden wir wohl nur erfahren, wenn ihr Träger auch am Leben
bleibt.« Kormund begann die Schnallen der Rüstung zu lösen und zog diese
dann behutsam vom Körper des Verwundeten. Das dicke Wams des Mannes
war rot durchnässt. »Er hat viel Blut verloren. Der Pfeil steckt tief, und ich
kann ihn nicht entfernen.«
»Dann schneide ihn ab. Wir sollten feste Polster um den Schaft binden,
damit der Bursche nicht noch mehr Blut verliert.« Dorkemunt seufzte. »Wir
müssen ihn zu Meowyn bringen, aber ich glaube nicht, dass er es durchstehen
wird.«
Haronem kam vom Kampfplatz herüber. Er hatte seine zerschnittene
Oberbekleidung notdürftig umgelegt. »Was ist mit Hosmund?«
Der tote Pferdelord. Sie mussten ihn bestatten, wie es der Brauch
verlangte.
Sie versorgten den Unbekannten, so gut sie es vermochten, dann schritt
Dorkemunt zu dem schwer verwundeten Pferd und erlöste es mit einem Hieb
seiner Axt. Es war Hosmunds Reittier gewesen, und so würde es ihn auf dem
letzten Ritt zu den Goldenen Wolken begleiten. Dorkemunt trennte die Zügel
des toten Tieres ab und ging zu der Stelle, wo die anderen bereits ein flaches
Grab aushoben. Als es tief genug war, legten sie Hosmund hinein, wobei sie
darauf achteten, dass sein Kopf richtig gebettet war. Dann gaben sie dem
Toten seine Klinge in die eine Hand und die Zügel seines erschlagenen
Pferdes in die andere, und Kormund sprach den Eid der Pferdelords. »In des
Lebens Wonne und des Todes Not, soll Eile sein stets das Gebot, in Treue fest
dem Pferdevolk, der Hufschlag meines Rosses grollt, soll Lanze bersten,
Schild zersplittern, so wird mein Mut doch nie erzittern, ich stehe fest in jeder
Not, mit schnellem Ritt und scharfem Tod.«
Der Scharführer seufzte leise. »Hosmund war ein guter Schwertmann und
Pferdelord. Er hat dem grünen Umhang wirklich alle Ehre bereitet. So lasst
ihn uns nun zu den Goldenen Wolken geleiten.«
Sie bedeckten das Grab mit Steinen, dann nahmen sie die grünen
Rundschilde auf und schlugen rhythmisch mit den Klingen ihrer Schwerter
dagegen. Der Rhythmus glich dem Hufschlag eines Pferdes, und das
Trommeln wurde immer schneller, bis es mit einem letzten Schlag
verstummte.
»Möge er zwischen den Goldenen Wolken noch lange reiten«, sagte
Mortwin leise.
Haronem schnüffelte an seinem Umhang und rümpfte die Nase. »Wir
sollten zusehen, dass wir zu dem kleinen Bach kommen. Wir müssen unsere
Kleidung und Rüstung säubern. Es riecht recht übel.«
Dorkemunt nickte. »Das Blut der Bestien stinkt wie ihre Kadaver. Wir
haben reichlich davon vergossen und einiges davon abbekommen.«
»Steckt eure Schwerter nicht in die Scheiden, bis ihr die Klingen gereinigt
habt«, riet Kormund.
Mortwin lachte spöttisch auf. »Wir haben nicht zum ersten Mal das Blut
der Bestien an den Klingen, guter Herr Scharführer. Und wir wissen, dass
man es kaum aus den Scheiden herausbekommt.«
»Schon gut.« Kormund wischte sein Schwert an einem Stück seines
Umhangs ab. Er würde ihn am Bachlauf auswaschen. »Ich habe mich nur um
deine empfindliche Nase gesorgt, guter Mortwin.«
Dorkemunt war der Leichteste von ihnen, und so fiel ihm die Aufgabe zu,
den seltsamen kleinen Mann vor sich in den Sattel zu nehmen. Sie brauchten
zwei Männer, um den Körper des Verletzten hochzustemmen. »Was ihm an
Größe fehlt«, knurrte Dorkemunt, »macht der kleine Herr durch sein Gewicht
wieder wett.«
Kormund ließ die Männer aufsteigen und setzte sich mit dem Berittwimpel
an ihre Spitze. »Die Hochmark muss erfahren, dass erneut Orks an der Grenze
aufgetaucht sind«, sagte er entschlossen. »Und wir müssen herausfinden, was
es mit diesem kleinen Mann auf sich hat. So lasst uns nun eilen, wie es das
Gebot der Pferdelords ist.«
Und so ritten sie an und trugen Balruk, den König der grünen Kristallstadt
Nal’t’rund, in das Land der Pferdelords.