selbst oder anderen einzugestehen.
Dorkemunt spähte in den blauen Himmel und sog warme Luft durch die
Nase ein. »Es wird aber keinen Gewittersturm geben.«
Kormund spülte sich den staubigen Mund mit einem Schluck aus der
Wasserflasche und spuckte aus, bevor er begann, seinen Durst zu stillen. »Das
Wetter kann in den Bergen von einem Augenblick zum andern umschlagen,
guter Freund. Ah, ich sage dir, ein Gewittersturm in den Bergen ist gewaltig.
Seine Blitze können selbst Felsen spalten.« Kormund nahm erneut einen
langen Schluck. »Mein Vater, ein guter Kämpfer, sagte immer, es sei der
Zorn toter Pferdelords, die nicht den Weg in die Goldenen Wolken gefunden
hätten. Sie seien nicht ehrenhaft gestorben und dazu verurteilt, auf ewig in
dunklem Zorn zu grollen. Er meinte, es sei das Funkeln ihrer Waffen, das die
gleißenden Blitze entsende. Vielleicht wollte er mich damit anspornen, tapfer
zu sein und als wahrer Pferdelord zu den Goldenen Wolken zu reiten.« Er rieb
sich erneut die Brust. »Ich sage dir, Dorkemunt, mein Freund, es wird einen
gewaltigen Gewittersturm geben.«
Dorkemunt blähte schniefend die Nüstern und schüttelte den Kopf. »Es
wird keinen geben. Glaube mir, ich habe ein oder zwei Monde mehr als du
auf dem Buckel, Kormund, mein Freund, und ich garantiere dir, es gibt
keinen Sturm.«
»Nur Felsen, Stein und Staub«, brummte Kormund. »Seit drei Tagen nichts
anderes. Es wird Zeit, dass wir in die grüne Ebene von Eternas zurückkehren.
»Shib!«, fluchte er und rieb sich wieder die Brust. »Ich garantiere dir,
Dorkemunt, es gibt einen Gewittersturm.« Er grinste plötzlich. »Oder hier
schleichen Orks herum, auch dann schmerzt meine Brust.«
Dorkemunt erwiderte den Blick des Scharführers, und sie verstanden
einander. »Ich spüre schon seit Tagen etwas. Ich kann es nicht in Worte
fassen, Kormund, mein Freund, aber ich spüre, dass etwas vor sich geht.«
Kormund sah den alten Reiter forschend an. »Der Instinkt eines alten
Pferdelords?«
Dorkemunt nickte. »Ja, der Instinkt eines alten Pferdelords.«
Kormund stieß ein grimmiges Knurren aus. »Ich bin zu alt, um deine
Vorahnungen auf die leichte Schulter zu nehmen. Ich kann mich noch gut
daran erinnern, wie es damals vor über drei Jahreswenden war. Habe ich dir
einmal erzählt, wie wir den getöteten Boten des Königs am Pass fanden und
dann plötzlich die Orks auftauchten?«
»Du hast es erzählt, mein Freund«, sagte Dorkemunt und reckte sich
ausgiebig.
Sie aßen etwas Brot und Käse und spülten es mit Wasser hinunter.
Kormund schüttelte nachdenklich seine Feldflasche. »Wenn wir sparsam sind,
reicht es gerade noch bis zu dem kleinen Gebirgsbach, an dem wir gestern
vorbeigekommen sind.«
Dort, an der kleinen Quelle, hatten sie eine Raubkralle entdeckt, die hastig
vor ihnen in die Schatten der Felsen geflüchtet war. Aber die Raubkralle war
weit weg von Eternas und stellte keine Gefahr für die dortigen Wolltiere dar.
Zudem war sie so klein gewesen, dass ihr Fell dem Jäger keine Ehre
eingebracht hätte, also hatten sie den verschreckten Räuber laufen lassen.
Kormund zog die Wimpellanze aus dem Boden, gab das Zeichen zum
Aufbruch, und die sechs Männer saßen auf. Langsam ritten sie weiter nach
Norden, und ihre Blicke suchten die alte Straße und die steil aufsteigenden
Felswände ab. Nur Mortwin schlief im Sattel ein und schnarchte leise, bis
sein Flankenreiter ihn anstieß. Das Pochen der beschlagenen Hufe schien
unnatürlich laut von den hoch aufragenden Felswänden widerzuhallen. Die
Schatten begannen allmählich länger zu werden, doch es reichte noch nicht
aus, den Männern und Pferden eine lindernde Kühle zu verschaffen.
»Nur Felsen, Staub und Stein«, sagte Kormund leise. »Und nicht der
geringste Windhauch.«
»Wir könnten ein wenig galoppieren«, meldete sich Mortwin. »Dann bliese
uns der Reitwind ins Gesicht.«
»Wenn du Wind willst, dann steig ab und laufe«, knurrte Kormund. »Die
Pferde werden jedenfalls geschont.«
Alle zwei Zehnteltage saßen sie ab, um die Pferde zu führen. Selbst wenn
sich keine Gefahr zeigte, schonten die Pferdelords so ihre Rosse für den Fall,
dass eine schnelle Attacke oder ein plötzlicher Rückzug erforderlich würde.
Nur Mortwin stieß jedes Mal ein unwilliges Brummen aus, wenn er absitzen
musste.
Schließlich riss Kormund den Arm mit der Lanze in die Luft, und die
Schar hielt an. »Wir sind weit genug geritten.« Er wollte sein Pferd gerade
herumziehen, als er stutzte. Dorkemunt konnte erkennen, wie sich die Augen
des Scharführers verengten, bevor er sie mit der freien Hand beschattete. »Sag
einmal, Dorkemunt, mein Freund, habe ich dir schon erzählt, wie wir vor
Jahren den getöteten Boten des Königs am Südpass gefunden haben?«
»Ja, mein Freund«, bestätigte der kleinwüchsige Reiter, und sein Blick
wurde forschend. »Das hast du getan«, fügte er dann mit tonloser Stimme
hinzu, denn nun hatte auch er gesehen, was seinen Freund stutzig gemacht
hatte. »Und du hast auch erzählt, dass schon bald darauf die Orks in der
Hochmark auftauchten.«
»Sie haben immer noch nicht gelernt, ordentliche Pfeile herzustellen«,
sagte Kormund leise und hob die Wimpellanze erneut in die Höhe, diesmal
quer über seinen Kopf.
Die vier anderen Pferdelords merkten nun, dass etwas vor sich ging, und
folgten dem Signal des Scharführers. Sie trieben ihre Pferde rechts und links
neben Dorkemunt und Kormund und nahmen die klassische Schwarmreihe
ein. Dabei vergewisserten