Jenseits der Augenlider. Marc Dorpema. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marc Dorpema
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847669265
Скачать книгу
nach Tandror. Sieh nach meinem Bruder.“ befahl eine tiefe Stimme, welche nicht darauf hindeutete, dass ihr Besitzer soeben von ein Dutzend Pfeilen durchlöchert worden war.

      Auf der anderen Seite des Weges, in etwa der gespiegelten Position seines Bruders, fand er Tandror. Auch hier hatte eine blutige Schlacht getobt, doch der Hüne hatte lediglich einen harmlosen Schnitt davongetragen und wirkte nicht sonderlich erschöpft.

      „Dein Bruder ist verletzt.“ rief Dante und fuchtelte wild mit den Armen, um Tandror zu bedeuten, dass er sich beeilen sollte. Dieser nickte knapp und folgte Dante rasch durch den Wald. Auf der Straße angekommen, fanden sie den anderen Krieger vor den Pferden kniend auf dem Boden, die Wunden an seinen Gliedern vorsichtig abtastend, begutachtend.

      „Torn, wir müssen dich versorgen.“ Auch Tandrors Stimme war sonor und felsenfest.

      „Es sind bloß Kratzer“ winkte der Riese ab, doch es war offensichtlich schlimmer als das.

      „Ich bringe dich Heim, Torn. Wir schaffen das.“ ignorierte Tandror die Beschwichtigung seines verletzten Bruders, während er einige Stofffetzen nahm, um einen Teil der Wunden zu verbinden. Als er merkte, dass sie nicht ausreichten, stülpte er seine Rüstung ab, unter welcher sich ein leichtes, ledernes Hemd verbarg und zerriss dieses in Streifen, nachdem er das Kleidungsstück ebenfalls über seinen Kopf gezogen hatte.

      Ungläubig starrte Dante auf die Szene, als sich die Muskeln anspannten und das Leder zerrissen. In diesem Moment war er unglaublich froh, dass diese beiden Krieger ihn begleiteten. Diese zwei waren Dante lieber, als eine gesamte Armee normaler, menschlicher Krieger. Torabur musste eine wahrlich wichtige Aufgabe für ihn haben.

      Nachdem die Wunden versorgt waren, saßen sie erneut auf und setzten ihren Weg fort. Sie galoppierten ohne Rast, da es in dieser Gegend nur so von Räubern wimmelte und Torn mit seinen Verletzungen zu kämpfen hatte.

      Die Sonne war bereits seit einiger Zeit untergegangen, als sie sich dazu entschieden, letztendlich doch eine Rast einzulegen. Ein sternenklares Firmament sog Dantes Blicke auf und ließ sie nicht mehr los. Tausende, leuchtende Punkte zierten den schwarzen Hintergrund. Auf einigen der fernen Objekte konnte man Krater erkennen. Ob sich dort auch Schicksale wie Schlangen wanden? Mit diesem Gedanken schlief der junge Menschenkrieger ein, mit Träumen voller Abenteuer und Heldentaten. Ein magisches Schwert leuchtete in seiner Hand, als er alleine gegen eine enorme Schar Orks marschierte.

      „Steh auf, Dante.“ Der Satz wurde von einem leichten Tritt gegen das Schienbein begleitet.

      Er öffnete seine Augen und schreckte hoch. Er befand sich nicht auf solidem Boden. Sein Kopf zuckte in alle Richtungen und er war unheimlich erleichtert, als er feststellte, dass er sich auf seinem Pferd befand. Torn und Tandror hatten ihn anscheinend auf sein Tier gehievt und er war dabei nicht einmal aufgewacht.

      Nach wenigen Augenblicken gelangten sie auf eine friedliche, grüne Hügelkuppe, bewachsen mit langem, saftigem Gras. Dantes Mund klappte auf, als er sah, was sich vor ihm erstreckte. Die gewaltigste Festung, die er in seinem Leben zu Augen bekommen hatte, verdeckte den Horizont über tausende von Schritten gen Süden und Norden. Sie grenzte an einen massiven Felsen, was es beinahe unmöglich machte, sie von hinten zu überfallen, während ein kompliziertes System aus Gräben und Brücken die frontale Belagerung erschwerte. Dies war sie also, die legendäre Festung Eisenturm. Die Heimat der Zwerge. Nun würde er erfahren, wo die Schicksalsschlange ihn hinführen würde.

      X

      König Torabur stand am Kopf der massiven, rechteckigen Granittafel an welcher die Offiziere und Auserwählten saßen. Bis auf Dante und Garandor waren alle in Gespräche vertieft. Man konnte die Spannung beinahe aus der Luft schöpfen und in winzige Behälter geben, die im Kampf für einen hervorragenden Adrenalinschub sorgen konnten. Die zwei Besonderen hatten steif nebeneinander Platz genommen und rührten sich nicht von der Stelle. Ihre Hände ineinander gefaltet, blickten sie Torabur verloren und besorgt an. Jeder außer ihnen hatte eine Angelegenheit zu diskutieren.

      An den leichten Kieferbewegungen erkannten sie, dass der König bereit war, diese bedeutsame Diskussion zu beginnen. Er hob den riesigen Streithammer vom Boden auf und ließ ihn mit einem lawinenlauten Schlag auf den prächtigen Tisch donnern. Sofort kehrte Ruhe ein. Eine Vielzahl Augenpaare starrte ihn in einem eingedellten Halbkreis an. Begierig warteten sie darauf, den Worten des zwergischen Königs zu lauschen.

      „Meine Freunde.“ grollte seine tiefe Stimme. „Heute ist ein belangvoller Tag für uns. Zwei Auserwählte sitzen mit uns an dieser Tafel. Auserwählte, um die Dunkelheit der Schatten zu verbannen.“ Er ballte seine Faust. „Ich habe mich lange mit den Weisen unterhalten und sie sind davon überzeugt, dass nur eine einzige Möglichkeit besteht. Sie haben mir erläutert, dass es vier Junge Krieger oder Magier, oder was sie auch sein mögen, geben soll, welche gemeinsam, aber auch nur gemeinsam, in der Lage sind, ein Wunder zu bewirken. Erhebt euch.“ Eine bedächtige Handgeste begleitete die letzten beiden Worte, während das Echo seiner Stimme an den hohen Wänden widerhallte. Zögerlich erhoben sich die zwei Gäste.

      Der König bemerkte, dass die Tatsache das Schicksal seines Landes in den Händen eines feigen, jungen Zwerges, eines noch jüngeren Menschen und zwei Unbekannten lag, Grimmdor nicht behagte. Andere hingegen hatten leuchtende Augen, zuckten unruhig mit den Beinen, da die Aussicht dieser Mission sie mit einer gewissen Aufregung erfüllte. Wieder andere waren nicht wütend, sondern lediglich besorgt.

      Der junge Menschenkrieger Dante fühlte sich gerührt, dass ihm eine so gewaltige Ehre zu Teil wurde. Für Garandor konnte man nicht glücklich sein, wenn man ihn kannte. Denn dann wusste man, dass ihn eine mühselige Reise ins Ungewisse, mit unzähligen Gefahren und einer noch zerdrückenderen Verantwortung nicht mit Begeisterung, sondern tiefer Angst füllte.

      „Ihr beiden und zwei Unbekannte, welche an einer unauffälligen Feder am Arm – die seit der Geburt vorhanden sein muss – und einem Amulett um den Hals mit demselben Muster zu erkennen sind, werdet dieses Reich retten. Ihr seid unsere einzige Hoffnung. Spionen zu Folge, hält sich einer dieser zukünftigen Gefährten in Marmon oder Mentél auf. Reist dorthin und überzeugt ihn von der Wichtigkeit dieser Mission.“

      Nach einer kurzen Pause hing er weitere bedrückende Worte in den Raum.

      „Über den letzten der Vier besitzen wir noch keine Informationen. Ich lasse ihn suchen, doch weiß nicht, wie lange dies dauern wird. Wir wissen nicht wo wir anfangen sollen.“ Er blickte in die Runde der düsteren Gesichter.

      „Es steht euch nun frei zu gehen. Dante, Garandor, ihr solltet euch ausruhen und verabschieden.“ Die beiden Auserwählten verneigten sich ein wenig steif.

      Plötzlich stand Waldoran auf und füllte den Raum mit seiner glockenhellen, glasklaren Stimme.

      „Ihr braucht den Dritten nicht suchen, Torabur. Er steht direkt vor euch.“

      Vollkommen verdattert und mit offenem Mund, starrte jedes Mitglied der Runde ihn an. Grimmdor hatte – wie so häufig – als erster seine Sprache zurückerlangt und lachte donnernd, um dann schlagartig wieder todernst zu werden.

      „Und weshalb erfahren wir das nicht früher, Fürst?“ fuhr Grimmdor ihn an.

      „Nun, ich hatte noch keine Gelegenheit den hohen Rat darüber in Kenntnis zu setzen, General.“ antwortete der Elf gelassen, bevor er sich erneut an Torabur wandte.

      „Mein König, hier seht ihr das Amulett.“ Er fuhr mit dem Finger über das Relikt, welches an einer dünnen, ledernen Kette um seinen blassen Hals baumelte.

      „Ich möchte mich nun zurückziehen, wenn dies erlaubt ist. Ich habe noch einiges zu erledigen, bevor ich diese Reise antrete.“

      Torabur antwortete nach einem vernehmbaren Schlucken und einem unterdrückten Husten.

      „Ruht euch aus.“

      Als sie den Raum verlassen hatten, setzte sich der König wieder auf seinen Thron und seufzte hörbar.

      „Zumindest