Lover gesucht. Desirée Marten. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Desirée Marten
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742769237
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von drückenden Magenschmerzen.

      Das alles spitzte sich so zu, dass ich eines Morgens aufwachte und mich so schwach und krank fühlte, dass ich noch nicht einmal aufstehen konnte. Mein Hals brannte, ich hatte einen bitteren Geschmack im Mund und butterweiche Knie. Langsam setzte ich mich auf, atmete tief durch und wankte gebeugt zum Klo. Lila Punkte tanzten vor meinen Augen. O Mann, war mir übel. Rasch, bevor ich umkippte, legte ich mich wieder ins Bett. Meine Gedanken fuhren Karussell. Wie hatte ich nur den Spagat zwischen Haushalt, Einkaufen, Kochen, Hausaufgabenbetreuung, Arzttermine, Garten, die Hobbys der Mädchen und die Vorbereitung anstehender Feste allein geschafft?

      Das alles lag nun wie ein Fels auf mir und schnürte mir die Luft ab. Doch noch viel mehr quälten mich die innere Leere, das Ungeliebtsein und das Mich-hässlich-Fühlen.

      Trotz aller Arbeit blieb ich im Bett. Johanna kochte mir vor der Schule einen Kamillentee und brachte mir Zwieback. Mira und Rebekka saßen voll Sorge bei mir und streichelten meine Hände, bis auch sie gehen mussten. „Macht euch keine Sorgen, mir geht‘s schon besser“, log ich.

      Am Nachmittag kümmerte sich Johanna um alles und wärmte Ravioli auf, da ich noch immer nicht aufstehen konnte. Sie verhielt sich für ihr Alter schon sehr zuverlässig und reif.

      Um 21 Uhr fielen mir die bleischweren Lider zu und ich glitt in einen traumlosen Schlaf.

      Nachts wachte ich schweißbedeckt auf. Mein Puls raste und ein mächtiger Druck im Brustkorb zog sogleich meine ganze Aufmerksamkeit auf sich.

      „Was ist denn jetzt los?“, murmelte ich. Wo kamen nur die Schmerzen her? Ich presste die Hand auf meine Rippen. Hoffentlich bekam ich keinen Herzinfarkt. Todesängste zogen mich in ein schwarzes, tiefes Loch. Panik ließ mich erbeben. Angst, dass eines der Mädchen mich am Morgen ohnmächtig oder gar tot finden würde.

      Tot ... Das Wort echote in meinem Kopf und überlagerte all meine Gedanken. Fest drückte ich die Handballen gegen die Schläfen. Ob Peter mich wohl vermisste, wenn ich tot war?

      Er befand sich, wie immer wenn ich ihn brauchte, außer Haus.

      Die Sehnsucht legte sich wie ein eiserner Ring um mein Herz, das in Tränen erstickte, denn die Traurigkeit war eine vernichtende Flut.

      Mira, die im Nebenzimmer stark hustete, riss mich aus meinen trübsinnigen Gedanken. Sogleich erwachte mein Mutterinstinkt und ich lauschte, ob sie sich wieder beruhigte oder mich brauchte. Die folgende Stille beruhigte mich.

      Inka, reiß dich zusammen! So schnell stirbt man nicht!, rügte ich mich, konzentrierte mich auf eine tiefe Bauchatmung und schlief allmählich wieder ein.

      Als ich tagsüber die Schmerzen nicht mehr aushielt, griff ich nach meinem Handy. Ich ahnte ja, woher sie kamen, ein Arzt würde mir schlecht helfen können. Ich brauchte Peter! Er besuchte gerade ein Seminar in Deutschland und könnte theoretisch nach Hause kommen.

      „Bitte, Peter, komm heim, mir geht‘s richtig beschissen, ich kann nicht aufstehen und außerdem habe ich drückende Schmerzen im Brustkorb.“ Mir gelang es nicht, die aufsteigenden Tränen hinunterzuschlucken. Sie liefen mir in einem fort über die Wangen. Ich wünschte mir ja nur, dass er sich zu mir ans Bett setzte und meine Hand hielt. Mehr erwartete ich ja gar nicht.

      „Ich kann hier nicht weg. Das ist ein wichtiges Seminar.“

      Ein heftiger Stich in mein Herz ließ mich zusammenzucken. Mein Hals schwoll zu. Das war unfassbar, wofür hatte ich denn überhaupt einen Mann, wenn er jetzt nicht zu mir hielt? Jetzt, wo ich ihn so dringend brauchte. Er hatte doch geschworen, zu mir zu halten, in guten wie in schlechten Zeiten. Davon merkte ich nichts. Ich könnte sterben und es interessierte ihn offenbar nicht mal. Mit letzter Kraft rief ich meine Mutter an. Die kam sogleich und kochte mir eine Suppe.

      Da ihre selbst gemachte Hühnerbrühe nicht wirkte und sie sich große Sorgen machte, begleitete sie mich zum Arzt. Nach einem längeren Gespräch stellte er die Diagnose: Depression.

      Wieder zu Hause rief ich abermals Peter an. „Bitte komm sofort heim“, flehte ich. „Der Arzt stellte fest, dass ich Depressionen habe. Das stimmt auch, wir müssen unbedingt reden.“

      „Ich komme, so schnell es geht, aber es dauert noch mindestens zwei Stunden, bis ich da bin“, versprach er nun doch spürbar beunruhigt.

      Ich atmete tief ein und schloss die tränennassen Augen. Endlich! Meine Mutter verabschiedete sich, nachdem ich ihr schwor, dass es mir besser ging.

      Ich musste eine hinreichend klägliche Gestalt abgegeben haben, als Peter kam, denn er schloss mich tröstend in die Arme. Schweigend streichelten wir uns. Ich klammerte mich verzweifelt an ihn, wäre am liebsten in ihn geschlüpft und nie mehr herausgekommen. Tief inhalierte ich seinen Duft und genoss die körperliche Nähe, die sich wie Balsam auf meine Wunden legte. Allmählich beruhigte ich mich, sodass wir uns unterhalten konnten. Weinend führten wir eine Aussprache.

      „Du musst in Zukunft gleich über deine Probleme reden und nicht alles in dich reinfressen.“

      Ich nickte und schnäuzte meine Nase. Wenn das nur so einfach wäre, bei seiner Gefühlskälte. Hatte denn ein zartes Blümchen eine Chance neben einem Eisberg zu gedeihen?

      „Ich werde mich in Zukunft mehr um euch kümmern, ich habe zurzeit nur so unglaublich viel Stress. Ich muss mal einen Gang runter schalten.“

      Eine Riesenlast fiel mir vom Herzen. Hatte ich alles nur zu schwarz gesehen und war es gar nicht so schlimm? War ich einfach nur zu empfindlich? Zu anspruchsvoll?

      Nachdem sich in den Tagen und Wochen darauf aber nichts änderte, überwand ich mich, mit meiner geschiedenen Mutter über unsere massiven Eheprobleme zu sprechen. Ihr Mitgefühl erleichterte meine leidende Seele, aber sie vermutete auch, dass er eine Freundin hatte, denn es wäre nicht normal, wenn ein junger Mann keinen Sex mehr wollte.

      Ich sträubte mich, das zu glauben, denn er hatte doch gar keine Zeit dazu — aber ich hatte ja selbst schon daran gedacht ...

      Die Gespräche mit ihr und Birgit halfen mir enorm und ich entschied mich, mich aus eigener Kraft aus meiner Depression herauszuziehen, denn Peter war es nicht wert, dass ich mich aufgab — und meine süßen, über alles geliebten Mädchen, die mich dringend brauchten.

      Nach dieser Entscheidung kam ich erstaunlich rasch wieder zu Kräften. Ich fing an täglich zu joggen, denn ich wollte stark und fit sein. Außerdem widmete ich mich vermehrt meinen Hobbys: zeichnen, lesen und reiten. Mein Lebenswille loderte wie eine kleine Flamme, die mit Freude und Liebe gefüttert werden wollte.

      Jürgen

      Da meine Mädchen bei Freundinnen spielten, entschloss ich mich zu einem Stadtbummel. Mein Weg führte zufällig an einem Tattooladen vorbei. Mit fachmännischem Blick betrachtete ich die filigranen Abbildungen in der Auslage. Spontan betrat ich den Laden. Ein glatzköpfiger, stark tätowierter und gepiercter Typ in Lederklamotten bat mich, auf einem Sessel Platz zu nehmen und einen Ordner mit Vorlagen durchzusehen, da er gerade einen Kunden behandelte.

      Mir schwebte ein kleines Tattoo vor, das am Poansatz sein sollte. Obwohl ich den Ordner zweimal durchblätterte, konnte ich mich für keines erwärmen und nach einer halben Stunde verließ ich den Laden.

      Birgit hatte mir von einem Tattoo abgeraten, denn, wenn der Typ pfuschen würde, hätte ich mein ganzes Leben die Missbildung auf dem Körper. Ich stimmte ihr absolut zu, da ich als Illustratorin sehr hohe Ansprüche stellte. Vielleicht sollte ich mir selbst eines entwerfen und damit hingehen, aber ein Restrisiko blieb dennoch.

      Ein paar Meter weiter drückte mir eine bunt geschminkte Jugendliche den Flyer einer Kosmetikerin, die Lidstriche und Lippenkonturen tätowierte, in die Hand. Das wäre doch super, immer geschminkt aufzuwachen.

      Ich begab mich auf den Weg zu ihr, denn es drängte mich mal wieder, mein Selbstbewusstsein aufzumöbeln. Unterwegs traf ich ehemalige Klassenkameraden von mir, Till und Leo.

      „Hallo, Inka, na, wie geht's dir?“, fragte Till erfreut.