Schattenglanz. Ina Maria Teutsch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ina Maria Teutsch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847654261
Скачать книгу
Er war mir ein Buch mit sieben Siegeln. Aber ein wunderschönes Buch mit sieben Siegeln. Ich presste das Blatt von Laurin eng an meine Brust und konnte all das immer noch nicht glauben. Es musste einfach ein Traum sein oder ein schlechter Scherz. Wie hatte er mich nur so perfekt zeichnen können, wo er mich gerade erst einmal seit knapp einem Tag kannte? Wobei kennen ja wohl bei weitem übertrieben war. "Hey! Hier sind wir!", hörte ich da die Stimme von Timo, die ich sofort erkannte und mir mittlerweile sogar schon vertraut war. Mona und Martin standen schon mit einer gepackten Tasche in der Hand bereit, während die anderen noch ihre Schulsachen bei sich trugen. Ich winkte ihnen kurz zu und kam dann zu ihnen hinüber geschlendert. Vorher ließ ich aber noch schnell das Blatt Papier mit meinem Gesicht darauf in meiner Tasche verschwinden. Sie hätten das ganze sicher nicht gut geheißen. Franziska begrüßte mich mit einer Umarmung und ich fühlte mich sofort richtig zugehörig. "Wir wollen gleich ins Schwimmbad gehen, wenn wir heute schon einmal die Möglichkeit dazu haben und sie uns einen Mittag zur freien Gestaltung zur Verfügung stellen. Auch wenn es eine gefühlte Ewigkeit bis zum nächsten Schwimmbad braucht. Aber das nimmt man dafür gerne in Kauf. Ich sage dir nämlich eines. Unter der Woche stehen sonst irgendwelche langweiligen Aktivitäten zur Auswahl, wobei wir uns für eine entscheiden MÜSSEN. Totaler Schwachsinn! Kommst du also mit?", wollte sie von mir wissen und verdrehte dabei so doll die Augen, dass ich laut auflachen musste. "Wir würden uns alle sehr freuen, wenn das neue Mitglied unserer verschworenen Runde uns mit ihrer Anwesenheit beehren würde", meinte Timo augenzwinkernd und ich wurde von seinem intensiven Blick leicht rot. "Ja also ich glaube ich habe heute noch nichts besseres vor. Aber warte ich schaue mal in meinem Terminkalender nach", erwiderte ich grinsend und machte, als würde ich in einem imaginären Buch blättern, "Wie es aussieht habt ihr Glück und ich heute ausnahmsweise einmal frei." Die anderen grinsten breit. Ich beeilte mich meine Sachen in meinem Zimmer zu verstauen und kramte meine Schwimmsachen aus dem Koffer hervor. Dann stürmte ich zu dem Eingangstor des Camps, das mir noch gestern so bedrohlich vorgekommen war. Aber das schien schon eine Ewigkeit her zu sein. Zu meiner Verwunderung war ich die Erste und musste somit auf die anderen warten. Ich schaute mich zum ersten mal genauer um. Das Camp war sehr schön gelegen, das musste man wirklich sagen. Die grün geschmückten Eichen wehten leicht im Wind und schienen zu flüstern. Früher als kleines Kind hatte ich mir immer ausgemalt, dass sie reden könnten und mir Geschichten aus fernen Ländern erzählten. Aber aus dem Alter war ich schon eine Weile raus gewachsen. Grüne Hügel schmückten die Landschaft, auf denen bunte Blumen wuchsen. Ich atmete tief die frische Luft ein. So eine Luft gab es bei uns in der Stadt nicht. Meine Eltern hatten also zumindest in dieser Hinsicht recht gehabt. Doch dass ich hier etwas lernen würde, bezweifelte ich mittlerweile sehr. Eine Hand legte sich auf meine Schulter und ich fuhr herum. Martin grinste mich breit an und die anderen standen auch bereits startbereit hinter ihm. Wir machten uns schnell auf in Richtung Stadt, wobei wir zur nächsten Bushaltestelle erst einmal eine viertel Stunde laufen mussten. Als wir vor dem kleinen Schwimmbad ankamen, lief mir der Schweiß in Bächen den Rücken hinunter. Ich freute mich schon richtig auf eine kleine Abkühlung. Wir zogen uns so schnell es ging um und ich rannte als erste zum Wasser hinunter. Mit einem großen Satz sprang ich hinein, sodass es in alle Richtungen spritzte. Das kühle Wasser umfing mich einladend und ich fühlte mich gleich wie Zuhause. Ich war schon immer gerne getaucht und liebte es mich im Wasser zu bewegen. Erst als mir meine Lungenflügel schmerzten und ich nicht mehr konnte, tauchte ich wieder auf. Ich wischte mir das Wasser aus den Augen und blickte mich nach den anderen um. Leonie, Martin und Mona hatten sich gerade am Dreimeterbrett angestellt, Franziska unterhielt sich mit einem kleineren Jungen und von Timo war weit und breit nichts zu sehen. Ich begann meine Bahnen zu ziehen und war richtig glücklich, auch wenn mir das Gemälde von Laurin nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte. Es war so schön! Nur warum hatte er das getan? Warum war er einmal so abweisend und dann wieder so nett? Aber vielleicht würde ich in ein paar Tagen ja mehr wissen. Ich freute mich schon richtig darauf das Rätsel vielleicht lösen zu können. Ich würde mir auf jeden Fall größte Mühe geben ihn irgendwie wenigstens ein kleines bisschen zu verstehen. Plötzlich sprang mir von hinten jemand auf den Rücken und drückte mich unter Wasser. Als ich wieder an die Oberfläche kam, prustete ich und spuckte etwas Wasser. Ich drehte mich um und erblickte Timo, der mich scheinheilig angrinste. Dabei hatte sich ein schelmisches Funkeln in seine Augen geschlichen. "Hey was sollte das?! Wolltest du mich ertränken?", rief ich lachend. "Würde ich doch niema...", weiter kam er nicht. Ich hatte mich mit einem lauten Kriegsgeschrei auf ihn gestürzt und an ihn geklammert. Wir gingen zusammen unter, rauften und lachten, bis wir uns irgendwann keuchend aus dem Becken hieften und uns danach immer noch keuchend vom Lachen auf unsere Handtücher fallen ließen. "Schlimm mit dir! Ts ts du bist kein Gentleman. Dass du dich nicht schämst!", tadelte ich ihn grinsend. "Oh es tut mir ja so furchtbar leid! Wie kann ich das nur wieder gut machen?", entgegnete er ernst. "Das ist unverzeihlich!", antwortete ich scherzhaft. "Oh! Und wie wäre es, wenn ich dir ein Eis spendiere?", wollte er gespielt entsetzt wissen. Ich überlegte kurz und antwortete dann: "Weil du es bist. Aber bitte eine Kugel Nutellaeis mit Sahne." Timo streckte mir seine Zunge heraus und lief zu dem kleinen Häuschen hinüber, in dem man Essen kaufen konnte. Dann kam er mit zwei Eis in der Hand zurück und reichte mir eines. Ich machte mich über das leckere Eis her und beobachtete dabei Timo, der neben mir lag. Er sah wirklich umwerfend aus mit seinem Waschbrettbauch und seinen funkelnd grünen Augen. Der perfekte Typ zum verlieben! Doch er löste seltsamerweise nicht die gleichen Gefühle bei mir aus, wie Laurin, der auf seine Art so einzigartig und geheimnisvoll war. Am liebsten hätte ich mich selbst dafür geohrfeigt. Ich musste wirklich voll und ganz gestört sein! Der Tag wurde noch wunderschön. Wir planschten, sprangen vom fünf Meter Turm ins Wasser und lachten uns halb kaputt. Doch die ganze Zeit begleitete mich dieses Bild von mir, das so unglaublich filigran gezeichnet worden war. So zog ich es auch gleich aus dem Schrank hervor, nachdem ich mich von allen verabschiedet hatte und wieder allein in meinem Zimmer war. Bewunderung breitete sich in mir aus. Laurin war wirklich begabt. Auf einmal segelte mir das Blatt aus der Hand und fiel zu Boden. Verwirrt hob ich es wieder auf und blickte auf etwas, das mir vorher noch gar nicht aufgefallen war. In kleinen, schwungvollen Buchstaben stand dort: "Wenn du Lust hast und dich traust treffe mich morgen um 18 Uhr am Sternensee. Ich warte dort auf dich. Liebe Grüße Laurin." Mir verschlug es den Atem. Was war das jetzt bitte?! Laurin wollte sich tatsächlich mit mir treffen! Mit mir! Oder wollte er mich nur verarschen? Ich wusste es nicht. Doch eins wusste ich mit Sicherheit. Morgen würde ich pünktlich am See sein, um auf ihn zu warten.

       KAPITEL 9 - Nachts kommen die Träume

      Ich war schon um neun ins Bett gegangen, nachdem ich noch etwas gegessen und gelesen hatte. Dabei herrschte in mir drinnen die ganze Zeit über eine innere Aufregung vor, die mich ganz verrückt und hibbelig werden ließ. Auf der einen Seite war ich froh, dass ich Laurin morgen alleine treffen würde. Aber auf der anderen Seite fragte ich mich, ob das alles nicht nur ein einziger großer Scherz von ihm war oder ich morgen durch meine oft tollpatschige Art alles vermasseln würde. Schließlich war ich schon das letzte mal über meine eigenen Füße gestolpert, als wir uns das erste mal gesehen hatten. So tigerte ich unruhig in meinem Zimmer auf und ab und war froh, als ich nach vielem hin und her dann endlich eingeschlafen war:

      -Ich rannte gerade spielerisch über eine Wiese, als ein silbriges Strahlen meine Aufmerksamkeit erregte. Verwirrt hielt ich mitten in der Bewegung inne. Bis eben war noch alles in bester Ordnung gewesen. Ich hatte die kühle Luft genossen und bunte Vögel beobachtet, die am Himmel ihre Kreise zogen. Alles schien perfekt und ruhig zu sein. Ich war in einen Bach gesprungen, um meine Füße zu kühlen. Ein paar Forellen hatten dabei schnell reißaus genommen und das Weite gesucht. Doch dann hatte sich plötzlich etwas verändert. Die Atmosphäre war umgeschlagen und ich fühlte mich auf einmal richtig schlecht. Irgendetwas schien nicht mehr zu stimmen. Und dann hatte ich das silberne Strahlen wahrgenommen, das aus dem Dickicht vor mir hervor drang. Es schien zu pulsieren und wirkte beinahe lebendig. Fast so, als würde es ein Eigenleben besitzen. Ein ungutes Gefühl beschlich mich, aber gleichzeitig wurde ich auch wie magisch von diesem seltsamen Licht angezogen. Was konnte das nur sein?! Langsam ging ich einen Schritt darauf zu, blieb aber dann gleich darauf wieder unschlüssig stehen. Ich hatte plötzlich eine Gänsehaut und meine Beine schlotterten heftig. Ich musste mich selbst dazu zwingen auch nur einen Schritt weiter zu gehen. Es war fast so, als wäre vor mir eine Glasscheibe,