KAPITEL 13 - Nein! Neeeein!
In der Nacht kam der Regen und mit ihm auch wieder meine Tränen. Wie ein unaufhörlicher Strom flossen sie meine Wangen hinunter und durchnässten mein Kissen. Ihr salziger Geschmack brannte mir auf den Lippen und meine Nase war zu, sodass ich keine Luft mehr bekam. Ich wälzte mich immer wieder ruhelos hin und her und fragte mich selbst, was nur so schlimm sein konnte, dass ich mich aufführte, als sei meine ganze Familie auf einmal von einer unheilbaren Krankheit befallen. Doch genau so fühlte sich der Schmerz an, der in meiner Brust wütete. Brennend und unaufhaltsam. Ohne Aussicht auf Besserung. Denn die Person, die eine Linderung der Qualen vermocht hätte, war auch beim Abendessen nicht mehr aufgetaucht und schien kein Interesse daran zu haben, wie es mir damit überhaupt ging. Wie es aussah war ich Laurin wohl tatsächlich völlig gleichgültig. Aber ich konnte eh nichts daran ändern. Eine innere Unruhe breitete sich in mir aus. Einmal schwitzte ich furchtbar und wenn ich dann die Decke aus dem Bett geschmissen hatte, fror ich, als sei es plötzlich Winter geworden. Irgendwann hielt ich es einfach nicht mehr aus. Ich fiel mehr oder weniger aus dem Bett und suchte im Dunkeln meine Klamotten zusammen. Nachdem ich mich fertig angezogen hatte, wobei ich mir meinen Pullover zweimal falsch herum überzog, taumelte ich zum Schrank und kramte beinahe automatisch die Feder daraus hervor. Sie glänzte zart und ich fühlte wieder dieses anziehende Pulsieren, das mich wie magisch anzog. Da entdeckte ich etwas Kleines, schon etwas Zerknittertes, halb unter einer Hose vergraben. Vorsichtig griff ich danach und mein eigenes Gesicht strahlte mir entgegen. Es war das Bild von Laurin und darauf die Einladung zu dem Treffen von gestern. Mir wurde für einen kurzen Augenblick warm ums Herz. Doch dann dachte ich an seine plötzliche Zurückweisung und meine Miene verfinsterte sich wieder. Nun bemerkte ich zu meiner großen Verwunderung, dass eine einzelne, glitzernde Träne auf dem Bild meine Wange hinunter tropfte und meine Augen glänzten, als würde ich im nächsten Moment gleich zu weinen beginnen. Das war doch das letzte mal noch nicht da gewesen! Was hatte das nur zu bedeuten?! Ehrfürchtig, aber auch leicht verunsichert, faltete ich das Papier zusammen und steckte es in meine Hosentasche. Ich fühlte mich gleich um einiges besser, wenn ich diese zwei Gegenstände bei mir trug, die auf mich so anziehend wirkten. Und beide schienen ein Geheimnis zu besitzen, das ich nicht verstand, genauso wenig wie Laurin selbst. Ich atmete noch einmal tief durch, straffte meine Schultern und ging aus meiner Tür in den Flur hinaus. Im Sonnenblumenhaus herrschte eine gespenstische Stille. Man konnte nur aus einigen Türen das gleichmäßige, ruhige Atmen der Schlafenden hören. Ich beneidete sie alle. Sie konnten ruhig hier ihre Ferien verbringen und mussten sich keine Gedanken über irgendwelche Engelsfedern, Bilder, die sich veränderten, Jungs, die etwas von einem wollten und für einen selbst nur wie ein Bruder waren und... Laurin machen. Laurin, der einfach so fantastisch, wunderschön, unbeschreiblich, bezaubernd und unglaublich war, doch sich auf der anderen Seite auch so vollkommen verwirrend, geheimnisvoll, unverschämt, abweisend und hasserfüllt benahm. Wie gerne ich in diesem Moment mit ihnen getauscht hätte! Ich schlich leise die Gänge entlang und gelangte an die Eingangstür. Draußen umfing mich die angenehme Kühle der Nachtluft und ich atmete befreit auf. Der Mond spendete sein fahles Licht und abertausende Sterne funkelten vom Himmel auf mich herab. Die Szene wirkte beinahe unwirklich. Es hatte etwas Magisches an sich. Ich schüttelte den Kopf. Zurzeit sah ich wohl überall etwas Magisches! Trotzdem war ich von dem Anblick wirklich überwältigt, da man in der Stadt solche Bilder normalerweise nicht bestaunen konnte. Ich trat nun ganz in die Nacht hinaus, lief über den Hof und folgte dem Weg, der aus dem Camp führte. Meine Laune stieg wieder ein klein wenig, als ich unter den ersten Eichen angelangt war. Mit einer Hand fuhr ich über den Stamm einer uralten, riesengroßen Eiche, die ihre majestätische Krone dem Mond entgegenstreckte. Die Rinde war rau und angenehm warm. Dieser Baum schien so voller Leben zu sein! Mehr Leben, als gerade in mir selbst steckte. Ich ließ mich kraftlos am Stamm hinunter gleiten und zog meine Füße eng an meinen Körper. Ich wusste nicht mehr, wie ich die nächsten Tage bloß überstehen sollte. Ein Windstoß fuhr durch die Blätter der Eichen und ließ sie flüstern. Ich atmete tief durch. Wie von selbst fasste ich die Feder an meinem Hals und hielt sie fest umklammert. Sie schien mir etwas Kraft zu geben, denn im nächsten Moment sprang ich erschrocken auf die Füße, als ich von irgendwo rechts von mir ein lautes Rascheln hörte. Schnell duckte ich mich hinter den breiten Stamm der alten Eiche neben mir. Die Geräusche schienen immer näher zu kommen. Ich begann plötzlich zu zittern und ein kalter Schauer durchlief mich. Am liebsten wäre ich einfach so schnell wie möglich davongerannt, doch dafür war es nun zu spät. Zwei Gestalten brachen aus dem Gebüsch hervor und blieben keine drei Meter von mir entfernt stehen. Ich hielt den Atem an. Irgendwie schienen mir diese Gestalten, die da etwas Unverständliches tuschelten, bekannt vorzukommen. Und vor allem die Rechte erregte meine Aufmerksamkeit. Sie standen mit dem Rücken zu mir, sodass