gehasst die Neue zu sein, was öfters vorgekommen war, da mein Vater wegen seiner Arbeit oft hatte umziehen müssen. Doch da packte mich Franziska plötzlich bei der Hand und zog mich zu den anderen hinüber: "Das ist Larissa. Sie ist neu hier und nicht gerade sehr begeistert im Camp Sonnenschein zu sein. Aber das werden wir ändern Leute, nicht wahr?" Ein zustimmendes Gemurmel war zu hören, "Larissa, das dort hinten ist Martin." Ein etwas molliger Junge mit braunen Locken und einem breiten Grinsen streckte mir seine Hand entgegen. Ich ergriff sie zögerlich und er zerdrückte mir beinahe meine Finger, sodass ich innerlich leise aufstöhnte. Ich war froh, als er sie wieder losließ. "Das hier ist Leonie." Ein zierliches Mädchen mit schwarzen, raspelkurzen Haaren und einer Brille winkte mir lächelnd zu, was ich schon etwas angenehmer fand. "Das hier ist Mona." Ein Mädchen mit feuerroten Haaren, die sie zu einem Zopf geflochten hatte, schenkte mir ein schneeweißes Zahnpastalächeln. "Und das hier ist Timo", stellte sie den Letzten vor. Es war ein großer, schlaksiger Typ, der wunderschöne grüne Augen hatte und eine Zahnlücke, die bei ihm einfach nur super süß wirkte. Sein T-Shirt spannte sich über einem muskulösen Oberkörper und seine Augen funkelten selbstsicher in die Runde. Er zwinkerte mir kurz zu, was mich leicht erröten ließ. Aber im großen und ganzen schienen sie wirklich alle sehr nett zu sein, soweit ich das bis jetzt beurteilen konnte. Ein Gong ertönte und ließ alle Gespräche verstummen. Wir suchten uns einen Platz am hinteren Ende der Aula und ließen uns auf knarrenden Stühlen nieder. Frau Superfröhlich erschien auf der Bühne und griff ächzend nach einem Mikrofon. Ihre Wurstfinger klammerten sich an das arme Gerät, als würde sie es zerquetschen wollen: "Hallo und herzlich Willkommen im Camp Sonnenschein, hier werden wir alle gemeinsam fröhlich sein! Heute ist euer erster Tag hier und ich werde euch einiges erklären müssen. Dann lese ich nacheinander eure Namen vor und in welchen Kursen ihr wann seid. Morgen früh findet ihr euch um sieben Uhr mit euren ersten Kursen zusammen. ..." Ich schaltete ab. Mir reichte es jetzt schon, was ich gehört hatte. Das sollte irgendwie Spaß machen?! Ich bezweifelte es gewaltig. Die hatten doch alle eine Vollmeise hier! Langsam ließ ich meinen Blick durch die Aula wandern. Timo lächelte mir kurz zu, was mich schnell in die andere Richtung blicken ließ. Er war schon richtig süß, das musste man zugeben. Für so etwas hätte meine beste Freundin Lara sogar getötet. Ich musste grinsen, als ich an ihr sehnsüchtiges Gesicht dachte, wenn ich ihr nach den Ferien alles haargenau berichten würde. Aber bis dahin war es zu meinem großen Bedauern noch eine lange Zeit. Ich ließ meinen Blick weiter über die anderen Schüler schweifen, die ebenso wie ich ziemlich gelangweilt schienen. Wahrscheinlich hörten sie jedes Jahr die gleiche Leier. Da blieb mein Blick ganz plötzlich an etwas hängen, das mir für einen Moment den Atem stocken ließ. Der Junge von eben, den ich auf dem Hof gesehen hatte, saß drei Reihen vor mir und hatte sich lässig zurück gelehnt. Seine Haltung strahlte dabei etwas Abschätziges, Abweisendes aus, das mir eiskalt entgegenschlug. Beinahe so, als würde eine Welle mit Meerwasser mir entgegen schwappen und mich voll und ganz einhüllen. Seine schwarzen Haare glänzten im fahlen Licht der Deckenbeleuchtung und seine Hand trommelte spielerisch einen Takt auf dem Stuhl. Er wirkte hier irgendwie fehl am Platz, als würde er nicht in unsere Zeit hineinpassen. Das Gefühl von eben schlich sich in meine Knochen zurück und mir wurde richtig schlecht. Was war nur mit mir los?! Ich wünschte mir, dass der Junge sich umdrehen würde und ich seine Augen erkennen konnte. Was er wohl für eine Augenfarbe hatte? Jemand stieß mich heftig in die Seite und deutete nach vorne. Verwirrt blickte ich auf und merkte, dass mich alle anderen anstarrten. "Du bist aufgerufen worden", zischte da Franziska und stieß mich nach vorne. Mit hochrotem Kopf eilte ich auf Frau Superfröhlich zu. Alle Augen folgten mir und schienen mich verschlingen zu wollen. "Schön dich hier begrüßen zu dürfen, Larissa. Du bist eine von den Wenigen, die das erste mal hier sind. Bitte melde dich nachher bei Marie, die dir alles weitere erklären wird", mit diesen Worten reichte sie mir einen Stundenplan und ein T-Shirt mit dem Spruch des Camps und einer großen, hässlichen Sonne darauf, die mich hämisch angrinste. Na super! Nach und nach wurden alle in die einzelnen Kurse verteilt und die Aula leerte sich. Wer bei mir im Kurs war, bekam ich gar nicht mehr mit. Ich war zu sehr damit beschäftigt meinen eigenen, trübseligen Gedanken nachzuhängen. Wie sollte das nur alles enden? Wie sollte ich diese Zeit nur jemals überstehen?
KAPITEL 4 - Die Angeberclique
Ich stolperte verwirrt nach draußen ins Sonnenlicht und blickte mich suchend um. Wo waren bloß Franziska und die anderen? Ich war noch eine ganze Weile stocksteif im trüben Licht der Aula gestanden, bis Frau Superfröhlich mich freundlich gefragt hatte, ob sie mir irgendwie helfen könnte. Da hatte ich schnellstens das Weite gesucht. Auf eine Führung mit dieser Frau hatte ich absolut keine Lust gehabt. Aber jetzt hatte ich keine Ahnung mehr, was ich tun oder wo ich hin sollte. Eigentlich musste ich ja zu Marie, meiner Gruppenleiterin, wer auch immer das sein mochte. Doch ich wusste nicht wo und wie sie zu finden war. So stand ich nun hilflos mitten auf dem Hof und schaute den anderen hinterher, die sich langsam verzogen. Ich kam mir richtig blöd vor. Warum musste gerade ich wieder diejenige sein, die neu und fremd hier war? Da entdeckte ich zu meiner großen Erleichterung Franziska, die mir wild zuwinkte. Ihre blonden Haare wippten dabei lustig vor und zurück und ihre Wangen waren leicht getötet. Schnell eilte ich auf sie zu und gesellte mich zu den anderen. "Und wie hat dir unsere kleine, alljährliche Willkommensrede so gefallen?", fragte Timo lachend. Sein Gesicht verzog sich dabei zu einem hinreißenden Lächeln. "War äußerst spannend und aufschlussreich", erwiderte ich sarkastisch und musste angesteckt durch sein Lächeln ebenfalls grinsen. Vielleicht würde es hier ja auch gar nicht so schlimm werden? Timo war schon richtig süß. Leonie kam zu mir herüber und legte mir freundschaftlich ihren Arm um die Schulter: "Heute Abend veranstalten wir Mädels wie jedes Jahr zu Beginn der Ferien eine kleine Willkommensparty. Und inoffiziell natürlich auch mit den Jungs zusammen. Du bist herzlich eingeladen, Larissa", meinte sie augenzwinkernd. Ich war richtig überrascht. Eigentlich hatte ich mir die ganzen Leute hier als absolute Langweiler und Spießer vorgestellt. Aber wie es aussah, musste ich diese Annahme noch einmal überdenken. "Klar komme ich gerne mit zu einer Party. Danke! Ich kann es kaum erwarten", entgegnete ich ehrlich erfreut, "wisst ihr eigentlich wo und wer diese berühmte Marie ist? Ich soll mich nämlich bei ihr melden." Die anderen wechselten einen vielsagenden Blick und verdrehten entnervt die Augen. "Na dann mal viel Spaß. Das ist die Anführerin der Angeberclique hier im Camp. Eine absolute Zimtzicke und einfach unausstehlich. Sie steht bestimmt hinter dem Stall dort drüben mit dem Rest ihrer Angeberfreunde. Ich hoffe mal für dich, dass du nicht zu lange etwas mit ihr zu tun haben wirst. Sonst bekommt man nämlich schnell das große Kotzen, glaub mir. Ich rede aus Erfahrung", meinte Franziska angeekelt. Das waren ja erbauliche Neuigkeiten. Jetzt freute ich mich noch mehr darauf diese Marie kennenzulernen. Seufzend verabschiedete ich mich von meinen neuen Freunden, nachdem sie mir das Versprechen abgerungen hatten, dass ich auf jeden Fall heute Abend zu der Party kommen würde. Ich wollte mich nicht gleich den Anweisungen von Frau Superfröhlich widersetzen und so schlenderte ich über den Hof auf den Stall zu, in dem ich das zufriedene Rascheln der Pferde und das Muhen der Kühe hören konnte. Mit jedem Schritt fühlte ich mich unwohler. Eine innere Anspannung, die ein mulmiges Gefühl zurückließ, ergriff von mir Besitz. Wie eine schlechte Vorahnung, die mich warnte weiter zu gehen. Ich schüttelte mich. Was war nur in mich gefahren? Das waren doch nur irgendwelche Typen, wie es sie haufenweise an unserer Schule gab und für die ich einfach nur Verachtung übrig hatte. Ich straffte meine Schultern und bog um die Scheune herum. Der Wind wehte plötzlich heftiger und zerzauste mir meine Haare. Ich seufzte erleichtert über die kleine Abkühlung auf. Doch als ich die Gruppe von fünf Jugendlichen sah, die da an der Wand lehnte, stockte ich mitten in der Bewegung. Es war die gleiche Gruppe, die ich heute Mittag schon auf dem Hof gesehen hatte, als sie fröhlich lachend in die Aula schlenderten. Zwei Jungen rauchten gerade versunken eine Zigarette. Sie sahen sich so erschreckend ähnlich, dass ich mir sicher war, sie niemals auseinanderhalten zu können. Beide trugen weite, blaue Kapuzenpullis und Hosen, die ihnen für meinen Geschmack viel zu tief hingen. Die zwei Mädchen standen etwas abseits und lachten gerade über irgendeinen Witz, den ich nicht verstehen konnte. Und dort direkt vor mir, keine fünf Meter von mir entfernt, stand der seltsame Junge mit den schwarzen Haaren. Er hatte sich lässig an die Scheunenwand gelehnt und seine Haltung strahlte die pure Überheblichkeit aus. Es war, als stände er über allem und nichts hätte ihn zu interessieren. Da wandte er urplötzlich seinen Kopf in meine Richtung, fast so, als hätte er meine Anwesenheit