Belothar nickte.
»Stimmt! Es hört sich so an. Nur ab und zu haben wir das Recht auf ein wenig romantischen Unsinn.«
Zögerlich legte er seine Hand auf Celena Schulter. Sie zuckte leicht bei der Berührung, doch fühlte sie sich dadurch ein wenig beruhigt.
Die junge Hüterin wagte ein scheues Lächeln zu ihm hin. »Die Blume … die ihr mir einst schenktet. Ich habe sie immer noch bei mir«, flüsterte sie. Mit einem Schluchzen brach sie plötzlich zusammen.
»Wie konnte ich nur so dumm sein. Wieso habe ich ihn gehen lassen? Wieso bin ich von ihm gegangen? Alle Antworten, die wir suchten, habe ich bei mir.«
Belothar fühlte mit ihr, obwohl er nicht recht verstand, was sie sagte. Doch ihr Gefühlsausbruch überwältigte ihn. Wie betäubt stand er neben ihr. Unfähig sich zu rühren, wusste er nicht, was er in diesem Moment machen sollte. So hatte er Celena bisher nie gesehen.
Tränen rannen ihr über die Wangen, ihr Kinn zitterte.
Er fühlte sich so machtlos. Stets war die junge Tousard stark gewesen und zeigte wenig Gefühle. Ähnlich einem Berg, der sich nicht bewegte, obwohl vom Ungemach der Wetter umpeitscht. Und gerade jetzt, in diesem Augenblick brachen bei ihr alle Dämme. Die angestauten Emotionen angefangen bei dem Verlust ihrer Familie, die von einem machtgierigen Adligen dahingeschlachtet wurden. Der ungewollte Beitritt zu den San-Hütern, weil ihr sterbender Vater darauf bestand. Die Liebe zu Lutek, die sie ihm bis heute vorenthalten hatte. All das entlud sich.
Belothar konnte nur eines, seine Freundin in den Arm nehmen.
Ihr Leib bebte regelrecht durch die Weinattacke, die sie durchflutete.
Der junge König strich ihr beruhigend durch das Haar. »Wir werden einen Weg finden. Das verspreche ich euch«, flüsterte er ihr ins Ohr.
Er schloss die Augen, in der Hoffnung, einen Teil Celenas Schmerzes in sich aufzunehmen.
* * *
Gedankenverloren stand die Gestalt, über der Brüstung gelehnt und starrte von dem Turm hinunter.
»Was seht ihr euch an, alter Hüter«, hörte er hinter sich Wilna fragen. Sie trat neben Terzios, dessen Pfeife schlaff in der Hand hing.
»Die Zukunft!«
»Die beiden?« Sie deutete auf die Zwei, die sich unterhalb des Turmes auf dem Balkon befanden und sich umarmten.
Er nickte.
»Es ist nicht das, was ihr denkt. Die Liebe zwischen den beiden ist eine andere. Celenas Heimat liegt woanders.«
Wilna schürzte die Lippen. Liebe konnte nur allzu leicht brechen, vor allem wenn es Pflichten gab – Pflichten! Seit dem Gespräch, das sie vor Kurzem führten, war alles, an was sie bis dahin glaubte, ein einziger Widerspruch in sich. Ja, sie hatte früher schon gezweifelt und sich geirrt. Sogar mehrfach geirrt. Vielleicht war ihr gesamtes Leben bis dahin, nichts als Illusion gewesen. War es nicht Celena, die den Orden der Magier als goldenen Käfig bezeichnete? Und sie, sie hatte die Augen verschlossen. Verschlossen vor der Wahrheit, weil sie selbst Angst vor Veränderung hatte. Obwohl? Etwas in ihr hatte sie stets angetrieben, etwas ändern zu wollen. Trotz ihrer vordergründigen und vorgeschobenen Überzeugungen.
»Steht ein Wendepunkt unmittelbar bevor?«, fragte sie sich leise.
Terzios schaute die ergraute Magierin von der Seite an. Er hatte die extrem leise Frage, die sie sich selbst gestellt hatte, verstanden.
»Jede Geschichte in den Äonen sollte Wendepunkte enthalten.«
Er schüttelte sein Haupt.
»Nicht jedoch die Geschichte Paneras. Bis zu dem Punkt, als der Hüter nicht im Kampf gegen den Erzalten starb. Und warum? Weil dieser Hüter nicht an ausweglosen Situationen glaubte. Es gab einen Ausweg aus ihrer Misere. Sie nutzten ihn und starben nicht.«
»Welchen Ausweg?»
Terzios verzog sein Gesicht zu einem grimmigen Lächeln.
»Das, liebe Wilna, wollt ihr nicht wirklich wissen. Es würde euch nicht gefallen. Glaubt mir. Es ist, wie es sein soll.«
Skeptisch fixierten Wilnas Augen den alten Mann an ihrer Seite.
»Wenn es so sein soll, wer führt den Faden?«
»Jener, an dem ihr glaubt!«
»Die heiligen Schriften sagen uns, dass er sich nicht in unsere Angelegenheiten mischt, denn er hat uns verlassen.«
Terzios hatte es zwischenzeitlich geschafft, seine Pfeife neu zu entzünden. Kleine Rauchwölkchen ausstoßend, drehte er sich mit ernstem Gesicht zu der Magierin um.
»Und dennoch glaubt ihr, dass er für jeden ein Schicksal vorgesehen hat. Ihr solltet euch entscheiden. Was glaubt ihr wirklich?«
»Was soll ich eurer Meinung nach sagen?«
»Ich werde für euch antworten. Zurzeit kümmert ihn seine Schöpfung nur bedingt, weil sie nicht begreifen will, um was es geht. Er richtet seine ganze Kraft auf einige wenige, in die er all seine Hoffnung setzt. Weil er eingesehen hat, dass nicht die Masse an sich Veränderungen vorbringt, sondern einzelne, die die Masse bewegen, sich zu verändern. Und das braucht seine Zeit.«
In Wilnas Antlitz schlich sich Traurigkeit. Sie blickte unter sich zu Belothar und Celena.
»Zeit, die beide vielleicht nicht haben werden«, seufzte sie auf.
»Vertraut ihm! Ihr könnt mir glauben - seine besten Werke lässt der Schöpfergott nicht im Stich. Aber sie müssen sich entscheiden.«
Wissend schmunzelte der alte Terzios in sich hinein. Er blickte hinab zu den beiden jungen Menschen, die sich hastig aus ihrer Umarmung lösten. Der Grund dafür war Sebyll, die auf dem Balkon unterhalb des Turmes erschien.
* * *
Irgendwo zwischen den Gedanken in Celenas Verstand dröhnte ein lautstarkes Pochen zu ihr hinüber. Das eindringlich wirkende Klopfen kam von ihrer Tür her. Ruckartig setzte sie sich auf. Gleichwohl knallte die Tür gegen die Wand, als sie aufgestoßen wurde.
Aus dem Reflex heraus ergriff Celena eines ihrer Schwerter, welche sich neben ihr befanden. Blitzschnell rollte sie sich aus dem Laken, sprang aus dem Bett und spannte jeden ihrer Muskeln an.
Das Schwert mit abgewinkeltem Arm zurückgezogen, zum tödlichen Stich bereit, stand sie vor dem vermeintlichen Angreifer.
»Halt! Halt, ich bin es!« rief Belothar, als die drohende Klinge kurz vor seinem Gesicht innehielt. Er wich einen Schritt zurück.
Den König erkennend, kniff Celena ihre blauen Augen zusammen. Die Klinge sank tiefer, sodass die Spitze nunmehr auf die königlichen Kronjuwelen gerichtet war.
»Eine seltsame Art, eine Nacht mit einer Frau verbringen zu wollen.« Grinsend ließ sie ihr Schwert endgültig sinken.
»Also … es ist nicht …«, stotterte Belothar.
»Nun sagt schon. Was gibt es?«
Sein Blick glitt über Celenas Brüste zu dem flachen, durchtrainierten Bauch. Die Augen weiteten sich, als sie das dunkle Dreieck zwischen den kräftigen Schenkeln entdeckten.
»Ihr habt doch nicht etwa so trainiert?«, fragte er stockend, das schwarzhaarige Dreieck anstarrend.
»He? Wolltet ihr mich nur nackt sehen?«
Ungewollt, mit neugierigem Blick schaute sie auf das Zentrum, dessen Erregung nicht zu übersehen war. Die Bemühung des Besitzers, diese zu unterdrücken, gelang nicht gänzlich.
»Ihr braucht dringend eine Frau«, brachte sie trocken hervor.
Verdattert riss der König den Mund auf, konnte jedoch kein Wort über die Lippen hervorbringen. Lediglich Speichel sammelte sich und suchte den Weg der Flucht über den Mundwinkel.
»Majestät! Ihr sabbert«, machte sie grinsend Belothar darauf