Vermächtnis der Sünder Trilogie. Angelika Merkel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Angelika Merkel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847652892
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»Augenblick, dass …«

       »Doch! Sie müssen es wissen«, blockte Celena, den hohen Rang des Mannes missachtend.

       In des Königs Gesicht spiegelten sich Nervosität und Ärger wider, als er sich erhob. »Das geht nur uns etwas an«, knurrte er.

       »Falsch!« ertönte es vom Kamin.

       Augenfunkelnd drehte sich Belothar zu dem am Kamin sitzenden alten Hüter um.

       »Es geht uns alle an. Zumindest alle, die in diesem Raum sitzen oder stehen. Sie, die hier versammelt sind, haben sich das Recht verdient, zu erfahren, weswegen sie sterben werden«, sprach ungerührt Terzios weiter, ohne den König anzusehen.

       Der Blick, den Wilna auf Terzios richtete, konnte man irritiert mit einem Schuss von Faszination deuten. Zumindest sah man Argwohn heraus. »Ihr seid ein Hüter?«, fragte sie vorsichtig.

       »Ja«, murmelte der Gefragte. »Ich bin einer derjenigen, der langsam aber sicher von der Zeit eingeholt wird.«

       Wilna konnte ihr mütterliches Lächeln nicht unterdrücken.

       »Ihr seid viel jünger als ich.«

       »Das ist durchaus richtig. Habt ihr euch eigentlich einmal Gedanken darum gemacht, warum es keine San-Hüter in eurem Alter gibt?«

       »Halt!«, bellte Belothar durch den Raum, als ihm klar wurde, was Terzios mit dieser Frage bezweckte.

       »Mein Wunsch, Majestät«, erinnerte Celena an sein Versprechen.

       Mit einer Mischung aus freundschaftlichen Wohlwollen und drohendem Blitzen in den Augen wirbelte Belothar herum und funkelte sie an.

       »Bitte helft einer Freundin. Das ist alles, was ich mir wünsche. Lasst mich sprechen und erklären, was wir sind und wie wir enden.« Sie entsann sich der Worte des alten Hüters auf der Gasse vor der Taverne. »Es ist an der Zeit, das jemand sagt: Es ist Schluss. Und ich sage: Genug ist genug!«

       Wilna schaute von dem alten Hüter zu Sebyll. Die blonde Frau schien unbeeindruckt von dem bisher Gesagten. Eher studierte sie die Räumlichkeiten. Ihr kam es so vor, als ob Sebyll sich in geschlossenen Räumen nicht wohlfühlte. Thorgrim setzte seine Unschuldsmiene auf, die besagte: Seht mich nicht an. Ich habe nichts getan. Zum Schluss sah die alte Magierin zu Celena. Ihre Neugier war geweckt.

       »Worum geht es hier?«

       Celena ignorierte Belothars Hand, die sich zögernd nach ihr ausstreckte. Ein letzter Versuch des Königs, die junge Hüterin vom Sprechen abzuhalten. Es gelang ihm nicht.

       »Wilna, die San-Hüter sind nicht so weiß und rein, wie man es der Bevölkerung weissagt. Sie sind alles andere als das. Wir sind ebenso verdorbene Kreaturen, wie die "Anderen". Es ist nicht nur die Tatsache, das man während des Rituals sterben könnte. Nein – tatsächlich wird man dazu gezwungen, das Blut derer zu trinken, die wir bekämpfen. Wir nehmen ihre Macht in uns auf. Und glaubt nicht, dass es eine Wahl gibt. Höchstens drei Jahrzehnte bleiben uns zum Leben, vorausgesetzt man stirbt nicht im Kampf. Ist die Zeit vorüber, zerbricht der Hüter körperlich wie seelisch. Ansonsten ziehen wir in einen sinnlosen Kampf in die dunklen Ecken der Welt. Wir nehmen soviel wie möglich von den Kreaturen mit in den Tod, bis wir überwältigt von ihnen, aufgefressen werden. Bis dahin siechen wir vor uns hin.«

       Jetzt war es raus. Mit einem kapitulierenden Seufzer setzte sich Belothar in seinen Stuhl zurück.

       Wilnas Gesicht spiegelte ungläubiges Entsetzen, gepaart mit maßlosem Ärger. »Dass der Beitritt tödlich verlaufen kann, wusste ich. Aber das andere …«

       »Ihr wisst nichts. Ihr dichtet euch eine schöne Welt über die Hüter zusammen. Wahr und rein! Wie es der Name vorgibt«, giftete Celena.

       Der Stich Celenas brachte in Wilnas Miene einen leicht verletzten Ausdruck hervor. Sie ging darauf nicht weiter ein, sondern wandte sich an den König. »Ist das die Wahrheit, was Celena erzählt, eure Majestät?«

       Die verärgerte, wegwerfende Handbewegung deutete die Zustimmung zu dem Gesagtem an.

       »Sie schöpfen alle Mittel aus«, fuhr Celena fort, »Um ihre Reihen aufzufüllen, wenn die Zeit drängt.«

       »Ihr spielt auf das Recht der Zwangsrekrutierung an«, sagte Wilna. »Manchmal muss man Opfer bringen.«

       Celenas Blick verdüsterte sich rapide.

       »Ihr nennt es so. Ich nenne es Sklaverei.«

       Den Tisch umrundend, um Wilna von der anderen Seite der Tafel ins Auge zu fassen, sprach Celena weiter. Den leicht in sich grienenden Ausdruck von Terzios bemerkte sie sehr wohl.

       »Die Pflicht, sich für das Wohl vieler zu opfern - wahrlich eine edle Tat. Aber verlangt sie, dass man mit genau jener Macht flirtet? Jene Macht, die der göttliche Schöpfer als Strafe für unseren sündigen Hochmut sandte. Sagt mir, Wilna. Ist das gefällig in den Augen des Schöpfergottes?«

       Wilna senkte ihre Augen. »Ich weiß es nicht.«

       Celena ließ nicht locker. Sie brauchte Wilna auf ihrer Seite. So sehr die ergraute Magierin an den Pflichten und Ansichten über Opferbereitschaft auch festhalten mochte. Und auch wenn es ihr schmerzte, diese hartnäckige Schale, hinter der sich ein Freigeist verbarg, musste zerbrochen werden.

       »Gehört es zur Pflicht, andere einzuberufen und sie aus ihrem Leben zu entreißen? Gehört es sich, dem sterbenden Vater seine Tochter abzuschwatzen? Ist es die Pflicht, sie abhängig zu machen, indem man eine Lebensschuld einfordert? Nur um dazu gezwungen zu werden, sich dem Bösen eigenhändig auszuliefern. Wer nicht mitzieht, wird umgebracht – weil diese Gemeinschaft derart außergewöhnlich ist, dass niemand erfahren darf, was sie derart besonders macht. Das ist richtig und selbstverständlich? Das sind die Opfer, die man bringen muss?«, bläffte Celena ironisch die letzten Sätze heraus. Sie schnaubte auf. »Nichts von alldem ist in irgendeiner Weise verständlich.«

       Ihr Ton wurde eine Spur tiefer.

       »Niemand ist entbehrlich und niemand hat das Recht Opfer zu verlangen. Ein jedes einzelne Individuum ist wertvoll. Ihr Recht? Ich spucke darauf.« Die Hüterin spie die Worte durch den Raum.

       »Angenommen, die Horde der "Anderen" stirbt nicht aus, sondern vermehrt sich? Wie viele hätte Kommandant Nacud zwangsverpflichten müssen? Wie viele sind nötig, damit aus Recht Unrecht wird, Wilna? Einer? Zehn? Einhundert? Tausend? Oder sogar Unzählige mehr? Wie viele sind nötig?«

       Celena schnappte nach Luft. Ihr Herz pochte nahe ihrer Kehle, so sehr hatte sie sich in Rage geredet.

       »Es ist verständlich, dass wir uns schützend vor die Wehrlosen stellen«, räumte Celena ein. »Und ich stelle deshalb die Frage erneut: Ist es gerechtfertig jedes - wirklich jedes Mittel zu ergreifen, um einen Sieg gegen einen Feind zu erringen, den man nicht besiegen kann.«

       Mit einem tiefen Seufzer aus ihrer Kehle heraus sah Celena Belothar an.

       »Erinnert ihr euch, eure Majestät? Damals, dieser kleine Junge war besessen und die einfachste Möglichkeit bestand darin, ihn zu töten. Wir taten es nicht. Die Option seine Mutter zu opfern, damit Morena an den Dämon herankam, um diesen zu töten. Wir taten es nicht. Warum nicht? Es wäre so einfach gewesen. Die Antwort kennt ihr. Weil ich mir sicher war, dass es noch einen anderen Weg geben musste. Eine andere Lösung! Und es gab sie.«

       Terzios schaltete sich ein. Seine kratzende Stimme erfüllte den gesamten Raum.

       »Es ist das personifizierte Böse, dass wir immer und immer wieder zurückdrängen. Besiegen können wir es nicht. Stattdessen verhalten sich die "Anderen" Jahrhunderte ruhig. Sie haben viel Zeit sich durch Hass und Furcht, welche wir mit Krieg und Gewalt produzieren, zu ernähren.«

       Mit großen Augen sah Celena den alten Hüter an, der noch immer an seiner Pfeife zog. Ebenso wandten sich alle anderen Augenpaare, auch die von Belothar, zu ihm. Die Ausnahme machte Sebyll, die völlig desinteressiert zu sein schien.

       »Meine Güte! Hatte ich es vergessen, das zu erwähnen?« kommentierte er die entsetzten Gesichter.

       »Hass und Gewalt, Furcht und Krieg. Genau das - und nur das ist es, was sie antreibt, und stärker macht. Ich sagte kürzlich,