* * *
Der wohlgezielte Schlag katapultierte den Mann in die Rückenlehne des Stuhls zurück, auf dem er gefesselt saß. Unberührt darüber spuckte er Blut, welches sich in seinem Mund sammelte.
»Du solltest langsam den Mund aufmachen und reden. Wer bist du?« knurrte Celena und rieb sich ihre schmerzenden Knöchel.
»Das ist doch offensichtlich. Er ist aus der flüsternden Bruderschaft.«
Kelthran trat von der anderen Seite des Raums heran. Er und Celena waren die Einzigen, die sich mit dem Unbekannten hier aufhielten.
»Ich war«, spie der Unbekannte aus. »So wie du, Kelthran!«
»Seht ihr! Er kann reden«, belustigte sich der Elf.
»Da wir festgestellt haben, dass du deine Stimme wiedergefunden hast, kannst du mir sagen, für wen du arbeitest«, setzte Celena ihr Verhör fort.
»Nichts erfährst du von mir, Hure!«
Der nächste Schlag von Celena brach dem Mann die Nase.
»Wie ich das liebe. Ich könnte tagelang zuschauen«, schmunzelte Kelthran und rieb sich genüsslich die Schläfe. »Nur mit der Methode bekommt ihr nichts aus ihm heraus.«
Nachdenklich blickte Celena zu dem Elf hinüber, der sie anzwinkerte und lächelte. Sie verstand und begann, die Riemen ihrer Rüstung zu lösen.
»Interessant! Willst du nach der Prügelfolter, mich mit deinen Reizen dazu bringen, zu reden?« knurrte der Gefangene Celena an.
»Das kommt auf dich an.« Der Brustharnisch polterte zu Boden.
»Vielleicht benötige ich etwas Hautenges und du die Peitsche? Andererseits! Magst du Messer?«
In Kelthrans Gesicht spiegelte sich Überraschung und geradezu freudiges Interesse.
»Ich frage mich gerade, wieso ihr mir solche Spielereien nie angeboten habt?«
»Später vielleicht, Kelthran!«
»Ich nehme euch beim Wort!«
»Ihr seid nicht der erste Mann in meinem Leben, eher der Zweite.«
»Dass lasse ich mir noch gefallen«, feixte Kelthran.
Der Gefesselte starrte auf die nun sichtbar werdenden Rundungen unter der leichten Ringpanzerung der Hüterin.
»Doch eher der Dritte, wenn das so weitergeht«, fügte Celena hinterher, als sie den starren Blick des Gefangenen gewahr wurde.
»Verdammt! Dann würde ich vorschlagen, ihr lasst davon ab und wir liefern ihn der Bruderschaft aus«, protestierte Kelthran.
Augenblicklich kroch der Schrecken in das blutige Gesicht des Mannes.
»Dann bleibt uns beide mehr Zeit für die Peitschengeschichte», beendete Kelthran blinzelnd zu Celena gewandt.
Ungerührt von Kelthrans Worten setzte sich Celena auf den Schoß des Gefesselten. Fest presste sie sich auf ihn. Ihr weiblich anreizender Geruch strömte ihm in die Nase.
Etwas bewegte sich unterhalb ihres Gesäßes. Sie konnte spüren, wie sich die Aufmerksamkeit des Gefangenen zu erheben begann.
»Ich stimme zu … Bruderschaft!«, erwähnte sie wie nebenbei.
Heftig schüttelte der Gefangene seinen Kopf.
»Eine kleine Seitengasse«, zischte er seine beginnende Erregung hervor. »Hier in Thelerm … in der Nähe des Hafens bei den Docks. Die Tür des Gebäudes ist blau markiert.« Nur stoßweise brachte er die Worte heraus. »Das ist alles, was ich weiß. Ich bin nur ein Bote«, jammerte er.
Enttäuscht seufzte Kelthran auf.
»Ein blutiger Anfänger, vermutlich zu spät bei der Bruderschaft aufgenommen worden.«
Seine anfängliche Enttäuschung über das vermeintlich kurze Schauspiel schlug in Faszination um, als er Celena weiter beobachtete.
Die rechte Hand der jungen Hüterin verschwand gerade zwischen den Beinen des Gefangenen und machte eindeutige Bewegungen. Ihr Mund näherte sich unaufhörlich dem seinen. Kurz davor hielt sie inne.
»Du bist sicher, dass du alles gesagt hast?«, hauchte sie ihm ins Gesicht.
Er stöhnte gequält auf.
»Ich … ich sollte nach Dokumenten suchen und sie dort hinbringen. Das ist alles. Wirklich!«
Ihre forschen Augen blickten seine an. Er sagte die Wahrheit. Sie schloss für einen Moment die Lider, dann drückte die rechte Hand fest zu.
Das mitfühlende Zischen von Kelthran und der Schmerzensschrei des Gefangenen mischten sich zu einem Laut.
Die Linke Hand Celenas wurde gleich darauf zur Faust und sauste zielgenau in die Schläfe des Mannes, der sofort verstummte.
»Sehr beeindruckend. Euer Freund hätte eine Ratte wie ihn vermutlich umgebracht«, kommentierte der Elf.
»Ich lerne noch.« Celena zuckte mit den Schultern.
»Kommt Kelthran! Im Hafen treibt sich Unrat herum.«
Ehe sie den Raum verließen, hielt der Elf die Kriegerin zurück.
»Bevor ich es vergesse. Ich mag nicht mehr Mitglied der Bruderschaft sein, aber Meister Tacio übermittelte mir dennoch eine Nachricht, die ich euch geben soll.«
Er hielt ihr ein zusammengefaltetes Pergament vor die Nase.
Beim Lesen der Zeilen verdüsterte sich Celenas Gesicht schlagartig.
* * *
Schweißgebadete Händler und Bürger schoben ihre Karren mit Ware durch die Gassen. Hier und da erwischte einer der Räder eine hinüberhuschende, fette Ratte, die quiekend ihren letzten Atemzug aushauchte. An vielerlei Stellen türmte sich Abfall, der langsam vor sich hinrottete. Ein wahrlich nahrhaftes Paradies für diese flinken, kleinen Tierchen, welche sich hier massenweise tummelten.
Das Gegröle der Seeleute, die Musik aus den Spelunken und die an jeder Ecke stehenden Huren gehörten ebenso dazu, wie das Salz im Meerwasser. Dieser Teil der Stadt war nicht unbedingt ein Ort, an dem sich Adelige oder Reich betuchte aufhielten. Wenn möglich nur dann, wenn sie ein Schiff für ihre Reise in die benachbarten Reiche wie Arvelis oder Osgosai benötigten.
Ein Segel tauchte in der Ferne am Horizont auf. Celena kam es bekannt vor. Es gehörte zu dem Schiff, dessen Kapitänskajüte sie kennenlernen durfte. Die Fingerfertigkeiten des Schiffsbesitzers, eine Frau namens Isande, waren phänomenal. Es war ihre erste Begegnung dieser Art. Nicht dass sie es bevorzugte - vielmehr war es eine interessante Spielerei. Celena grinste in sich hinein.
»Ist euch warm geworden?«, erkundigte sich Kelthran, der ihr Grinsen wahrnahm. »Ich hege den Verdacht, ihr denkt an etwas Bestimmtes.«
Sein wahrlich aufgeklärtes Lächeln deutete daraufhin, das er wusste, wer dort angefahren kam.
»Ihr kennt die Kommandantin dieses Schiffes.«
Celena zeigte mit dem Kinn auf den nun erkennbaren stolzen Zweimaster.
»Sie und ihr Schiff. Bis in den letzten Winkel«, raunte der Elf.
»Schiffe fand ich stets faszinierend«, mischte sich Wilna ein, die hinter ihnen stand. Offensichtlich hatte sie dem Gespräch der beiden inhaltlich nicht folgen können. Celena und Kelthran wechselten bedeutungsvolle Blicke und grinsten leicht.
Thorgrims Augen rollten nervös hin und her. Der Anblick des großen Wassers war ihm nicht geheuer. Er schwankte leicht. Es war jedoch nicht feststellbar, ob es nur dem übermäßigen Bierkonsum zuzuschreiben war. »Wir sollten weiter gehen«, knurrte er. »Bevor mir das gute Essen hochkommt.«
Die Kampfgefährten traten daraufhin in die nächstbeste Seitengasse, die sich in ihrer Nähe befand. Inbrünstig hofften sie, dass es diesmal die richtige Gasse war. Unzählige