»Bei Frauen?« Celena sah ihn argwöhnisch an.
Sie kannte die Geschichte, die Belothar gerne zum Besten gab, wenn er vom Thema abweichen wollte. Angeblich wurde er von einem Rudel Hunde großgezogen und hatte mit ihnen im Stall geschlafen, erzählte er stets.
»Was ist wirklich los. Warum seid ihr hier?«
»Wie dumm! Ihr habt mich irritiert! Einbrecher!«
»Was?«
»Ihr habt richtig gehört. Einbrecher … in meinem Gemach.« Wild gestikulierend deutete Belothar hinaus auf den Gang. »Er ist entkommen, ehe ich etwas unternehmen konnte.«
Wie sie geboren wurde, schritt Celena tatenfreudig an dem König vorbei, in den Gang.
»Eine sehr gute Idee.« Belothar rollte mit den Augen.
»So könnt ihr ihn gewiss ablenken, während ich ihn überrumpel. Dummerweise sind die Wachen dann ebenfalls abgelenkt. Und ich erst recht!« bläffte er hinter ihr her, während sein Blick nicht von ihrem Hintern abließ.
Celena blieb abrupt stehen und schaute an sich hinab. Entnervt schüttelte sie den Kopf über ihre Gedankenlosigkeit. Hastig trat sie zurück in ihr Zimmer.
»Die letzte Gelegenheit für euch, mich in dieser Form zu sehen.«
Sie deutete dabei auf ihren Körper, bevor sie den dümmlich grinsenden vor die Tür schob.
Rötliche Streifen schimmerten zwischen den schwarzen Schuppenlamellen durch und bildeten ein durchgehendes, einzigartiges Muster auf der gesamten Rüstung. Der Brustpanzer war an Celenas Weiblichkeit angepasst worden und betonten ihre Rundungen. Es war jene leichte Rüstung, die Belothar auf ihr Bitten hin organisiert hatte. Zufrieden schaute sie an sich herab. Sie sah nicht mehr aus wie eine plumpe Kriegerin, eher wirkte sie exotisch, amazonenhaft.
Thiamets Folianten an sich gedrückt, stand sie wenig später wieder im Gang vor ihren Räumlichkeiten.
Inzwischen hatte Belothar ebenfalls die Zeit genutzt sich zu bedecken und trug Schwert und Schild gleichermaßen. Thorgrim, dessen Alkoholgeruch die Anwesenden regelrecht betäubte, war dazu gestoßen. Und wie gerufen fand sich der leicht zerknittert wirkende Terzios ein, gefolgt von Wilna.
Celena drückte dem bierseligen Zwerg das Buch in die Hände.
»Ich vertrau es euch an. Beschützt und verteidigt es mit eurem Leben«, befahl sie knapp.
»Das müsst ihr mir nicht zweimal sagen. Ihr könnt euch darauf verlassen«, brummte der rotschöpfige Winzling.
»Wohin?«, fragte Celena den jungen König.
»Wenn mich nicht alles täuscht, befindet er sich auf dem Dach. Zumindest ist er in dieser Richtung davongelaufen.«
»Dach? Dafür bin ich zu alt«, keuchte Terzios auf.
Celena sah stirnrunzelnd den alten Hüter an.
»Gut! Dann sollten wir es anders angehen. Wilna und ihr bleiben bei Thorgrim. Belothar und ich suchen einen Weg nach oben und schauen nach.«
»So kommandiert man also einen König herum«, murrte Belothar, während sie zu dem Fenster am Ende des Ganges hetzten.
Ein Blick hinaus genügte, um zu offenbaren, dass diese Kletterpartie kein Zuckerschlecken werden würde.
Die Außenwand war aus grobem Stein gemauert und verfügte über geeignete Risse und Fugen. Allerdings war die nächste Trittgelegenheit um eine Armlänge zu weit entfernt, als das man sie erreichen konnte.
Schon wollte Celena enttäuscht ihren Kopf zurückziehen, da erschien ein Schopf aus wallenden, blonden Haaren von außen im offenen Fenster. Die Frage, wie es Sebyll gelang, sich an der Außenmauer festzuhalten, blieb vorläufig unbeantwortet.
»Eure Hand«, zischte diese knapp.
Celena begriff und nahm die angebotene Hilfe an. Der Blondschopf zog sie mit Schwung und enormer Kraft in die Höhe, bis die junge Kriegerin festen Boden unter den Füßen hatte.
»Wie habt ihr …?«, wollte sie wissen.
»Still! Nicht jetzt!« mahnte Sebyll im flüsternden Ton. »Er ist noch hier. Entweder möchte er geschnappt werden oder er ist zu dumm, einen Weg nach unten zu finden.«
Während Sebyll sich daran machte Belothar nach oben zu hieven, schritt Celena vorsichtig auf die Dachplattform zu. So leise wie möglich zog sie ihr grünlich schimmerndes Schwert. Wie eine Raubkatze glitt sie weiter vorwärts. Angestrengt in das Dunkel der Nacht schauend, suchte sie nach verräterischen Anzeichen eines sich bewegenden Schattens. Und da entdeckte sie es. Ein dunkler Schatten spurtete über das Dach.
Die zweite Klinge zückend, begann Celena hinterher zu laufen. Zwei andere Schatten lösten sich von ihr ungesehen aus dem Dunkel einer anderen Ecke. Die Warnung Belothars bekam sie nicht mit, bis sie die beiden Männer auf sich zuspringen sah. Vermutlich wollten sie ihren Gefährten den Rückzug ermöglichen.
In ihrem rasanten Lauf ließ sie sich auf die Knie fallen, nutzte den Schwung und rutschte über die glatte Fläche der Plattform. Beide Schwerter seitlich von sich gestreckt erreichte sie die Angreifer. Die scharfen Klingen fraßen sich mit enormer Wucht in die Körper. Dem rechten quollen die Gedärme aus dem aufgeschlitzten Bauch, während der linke wie angewurzelt, stehen blieb. Erstaunt blickte er an sich herab, bevor er sich in zwei Teile am Boden wiedersah.
Celena war sofort wieder auf den Beinen. Das leise Geräusch einer heransausenden Klinge aber ließ sie reaktionsschnell zurück auf den Boden werfen. Ein dritter Angreifer, der sich schattenhaft vor der Liegenden aufbaute, erhob gerade seine Waffe um den finalen Schlag auf die junge Kriegerin landen zu lassen. Da ertönte Belothars Kampfschrei.
Mit aller Kraft rammte er sein Schild in den Oberkörper des Meuchelmörders. Die Wucht des Schlags brachte den Gedungenen ins Straucheln. Er wankte einige Schritte, blieb jedoch auf den Beinen.
Mit Wutgebrüll stürzte der Thronerbe hinterher. Seine Schläge prasselnden auf den Angreifer nieder. Der aber konnte sie effektiv und standhaft parieren. Celena hatte sich zwischenzeitlich aufgerappelt und kam hinterrücks an den Feind heran. Ihr gezielter Tritt in die Kniekehle ließ ihn augenblicklich zusammensacken. Ein fürchterlicher Schrei aus der Kehle des Meuchelmörders ertönte und nachfolgend plumpste sein Arm auf den Boden. Das Schwert Belothars leuchtete blutfarben auf.
Der nunmehr armlose verstummte urplötzlich, als Celenas Klinge im Nachhinein seinen Kopf vom Rumpf trennte.
Belothar atmete geräuschvoll ein. »Das nenne ich Zusammenarbeit«, zischte er.
»Schön euch im Rücken zu wissen«, nickte Celena bestätigend.
»Moment! Wo ist der andere?«
Sie drehten sich beide auf dem Absatz um und rannten in der Richtung weiter, in welche sie den Flüchtigen hatten laufen sehen.
Ihre Schritte übertönten das gefährliche Geschoss, das sich surrend in der Luft auf den Weg zu ihnen befand. Haarscharf schoss der Pfeil an Belothars Kopf vorbei. Ein zweiter Pfeil wurde unmittelbar hinterher geschickt. Bevor er sein Ziel erreichen konnte, stürzte sich Sebyll zwischen die Gefährten und den unsichtbaren Feind. Woher sie plötzlich gekommen war, wusste der göttliche Schöpfer allein. Das Geschoss durchbohrte ihre Schulter und ließ die blonde Frau zurücktaumeln, direkt in Belothars Arme.
»An eurer Stelle würde ich sofort die Waffen fallen lassen«, erklang unerwartet eine akzentträchtige Stimme aus dem Dunkeln. Mit Nachdruck setzte sich eine blitzende Klinge an die Kehle des Einbrechers. »Oder ihr erlebt den nächsten Moment nicht!«
Laut und deutlich ertönte aus der nächtlichen Finsternis eine zischende Stimme, die nach den Worten zu urteilen nicht ihnen galt. Mit seinem Gefangenen schälte sich der unverhoffte Helfer aus dem Dunkel heraus.
Sebyll von Belothar gehalten, riss sich ohne eine Miene zu verziehen den Pfeil aus ihrer Schulter. Nicht ein Ton des Schmerzes ließ die Blonde verlauten. Celena, einen besorgten Blick auf sie werfend, begab sich zu den beiden Gestalten.