In einer fernen Zeit. Elena Risso. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elena Risso
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738001594
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Sari bei deiner ersten Party in New York. Zieh ihn auch an, wenn es dir mal nicht gut geht. Denke immer daran, du hast einen Freund. Und jetzt schubse ich dich raus in dein Leben.“ Rose schloss ihre Katzenaugen. Der Horizont flimmerte in allen Schattierungen. Hoffnung machte sich breit. Als die Maschine auf der Landebahn des Kennedy Airport aufsetzte, spürte sie ein leichtes, mulmiges Gefühl wie Angst vor der eigenen Courage.

      Rose ging die Gangway entlang. Sie schnupperte die Luft, sie roch nach Freiheit. Das Taxi roch nach Freiheit. Ihre erste Station ein billiges Hotel in der Lower Eastside roch nach Freiheit. In der Empfangshalle war alles sehr plüschig, roter samtiger Plüsch überall. Selbst der Portier in seinem roten Anzug und seinen roten Knöpfen entsprach diesem plüschigen, leicht vergänglichen Ton. Mit sonorer Stimme führte er Rose in ihr Domizil für die nächste Zeit. Nun war Rose allein auf diesem fremden Kontinent, in dieser fremden Stadt, in diesem fremden Hotel - fremde Freiheit. Diese Wörter verinnerlichten Angst und Chance gleichzeitig. Sachte ging Rose mit diesen Wörtern um. Ohne Angst keine Chance. Das gefiel ihr. Das Zimmer war etwas heruntergekommen. Dieser dunkelrote, plüschige Ton herrschte auch hier vor. Sorgsam hängte Rose ihren neuen Sari auf den Bügel, als sie bemerkte, wie dieser mit seiner Umgebung förmlich verschmolz. Ein kleines Radio auf dem goldenen Nachttischchen gab blechern das New Yorker Wetter bekannt. Rose zog die schweren, grünen Vorhänge auf und blickte auf eine ziegelrote Häuserwand mit vielen großen Fenstern. Während sie bemerkte, dass sie im 13. Stock war, überkam sie große Müdigkeit. Sie legte sich auf das Bett und schlief sofort ein.

       Kapitel 8: Schwerer Anfang - eine Leichtigkeit

      In der Ferne hörte sie ihr Telefon läuten. Es war ihre Mutter am anderen Ende der Leitung. Allein mit ihrer Stimme beunruhigte sie Rose. So als könnte es gar nicht sein, dass ihre Tochter allein zu Recht kam und die Dinge auch noch richtig machen könnte. Von Gelassenheit Susan gegenüber konnte noch nicht die Rede sein. Benommen lauschte sie der Stimme, die so weit weg war. „Pass auf dich auf, iss was und melde dich wieder ...“ Nach dem Anruf schlief Rose schlecht wieder ein. Es gingen ihr viele Gedanken im Kopf herum. Schließlich schlummerte sie mit dem entfernten Rauschen der Straße wieder ein.

      Die ersten Wege durch die Straßen von Manhatten zu ihrem neuen Arbeitgeber waren verwinkelt. Fast pausenlos dachte Rose: Das ist alles so groß hier. Kann ich mich hier wohlfühlen, daheim sein? Das waren übermächtige und erdrückende Gedanken. Aber warum wollte Rose das begreifen? Sie war dort, wo sie war. Sie war bei sich. Sie konnte sich vertrauen. Sie ging einfach zu ihrer neuen Arbeitsstelle. Ihre Absätze klapperten auf dem Asphalt. Ihr Herz schlug schneller wie der Taktmesser der Fußgängerampel, die sie gerade ansteuerte. Ein Strom an Menschen überquerte die Straße, indem Rose mitschwamm. Ein Schritt um den anderen im Takt. Die Farben der Kleider der Menschen, die mit ihr gingen, verschwammen zu einem Regenbogengemisch; von ganz weit oben schien dieselbe Sonne wie über Europa. Es war nicht mehr weit, Rose bog um die Ecke und stand vor dem Gebäude, das sich hoch in den Himmel streckte. Alles wurde nun realer. Menschen eilten in ihre Büros, Rose eilte mit. Nur noch in den Aufzug; ihr Magen hob und setzte sich wieder an seine Position.

      Eine Dame im blauen Kostüm führte sie an ihren Arbeitsplatz - in einer langen Reihe von abgeschirmten Kammern steuerte die Dame in blau auf einen freien Schreibtisch, drückte ihr einen Notiz- und Terminblock in die Hand und verschwand wieder. Da saß sie nun, fühlte sich immer noch allein und überfordert und begann die Unterlagen zu studieren. Nebenan lugte ein Mann etwa in ihrem Alter über die Wand und lachte. Dieses Lachen war aufmunternd. „Na, der erste Tag? Ich gehe Mittag immer beim Chinesen zum Lunch, ach übrigens, ich heiße Ross, kommen Sie doch mit.“ Ross hatte eine Hautfarbe wie herbe Schokolade. Sein Lachen ging von einem winzigen kleinen Ohr bis zum anderen. Rose hatte immer Glück, sie glaubte nur nicht daran. Ross war wie geschaffen für ihre Unsicherheit. Er wirkte kräftig und sicher und war in diesem Büro schon seit zwei Jahren, so dass er ihr alles erklären konnte. Er lebte sogar in unmittelbarer Nähe von Roses Hotelunterkunft. Ross schüttelte Rose kräftig die Hand und eilte wieder davon. Rose zauderte für einen Moment. Vielleicht hätte sie nicht weggehen sollen? Dann wischte sie diese Gedanken weg, indem sie sich wieder auf ihre Notizen konzentrierte, die immer wieder vor ihren Augen verschwammen.

      Das Telefon läutete. Okay, der Chef. Der Chef - er war Rose nicht sonderlich sympathisch. Etwas aufgedunsen, erzählte er ihr etwas von Spielregeln. Seine Stimme klang in Rose Ohren bedrohlich. „Sie betreuen alle Kunden im Alphabet von A bis C, diese werden von der Zentrale durchgestellt und liefern die zu übersetzenden Texte per Fax, E-Mail oder CD. Arbeiten Sie schnell und gründlich, dann sind Sie bei uns gut aufgehoben.“ Rose versuchte zu lächeln. Dieser Tag bestand aus zu vielen Versuchen. Sie war froh, als Ross sie abholte und sie sich in einem sehr engen, aber gemütlichen Asia-Food-Restaurant wiederfand.

      Zu beruhigenden, asiatischen Klängen und den tiefen, schwarzen Augen von Ross fand Rose etwas zu sich selbst und spürte Stolz. Es war ein wenig wie eine Befreiung von ihren Zwängen, die nur in ihrem Kopf bestanden. Das Restaurant war sehr dunkel, und jeder Tisch hatte seine eigene Nische. So waren Rose und Ross ganz für sich alleine. Das gab Rose die Möglichkeit, sich abzuschirmen von dem Trubel, der Big Apple beherrschte. So konnte sie alles in Ruhe nachwirken lassen. Sie saß auf einer gepolsterten Bank, in die sie fast versank. So umhüllt, bekam sie die Sicherheit, die Rose brauchte. Über dem Tisch hing eine dieser typischen Lampen, aus einem Holzgestänge mit bunten Fransen und Röhrenstäben daran. Immer, wenn der Kellner vorbeikam, erzeugte der Windhauch einen schweren und tiefen Klang. Dampfender, weißer Reis und die Köstlichkeit eines chinesischen Huhn-Bambus-Gerichts-scharf fühlten sich nach Heimat an. Die asiatische Stille wurde von Ross geerdet. „Du hast Katzenaugen, die sprechen können, das weißt du.“ Dabei wurde er leicht nervös und rutschte auf seinem Platz hin und her. Ross war mal wieder solo und immer auf der Suche. Seine Frau hatte ihn hinausgeworfen, weil er einfach nicht treu sein konnte. Mit seiner humorvollen und aufgeschlossenen Art kam er bei vielen Frauen gut an. Er konnte Herzen öffnen, forderte nie zu viel und nahm sich, wen er wollte. Er wollte Nähe und ließ Gefühle zu, ohne aufdringlich zu sein. Und das war genau das, was Rose brauchte, um Vertrauen zu bekommen. Jemand, der nicht in sie reinredete, der nichts erwartete, der ihre Launen nicht überbewertete und der ihre Herzenswärme und die Ruhe, die sie tief in sich hatte, erahnte. Noch war Rose nicht so weit, aber sie war sehr tapfer und wollte aufgeschlossen sein.

      „Ja.“ Sie sah ihn tief an, vielleicht ein wenig zu tief. Ross fühlte sich aufgemuntert. „Wenn du willst, hole ich dich morgen Nachmittag ab und dann zeige ich dir die Stadt.“ Sein Ich-gehe-von-einem-ja-aus-Blick zeigte seine Selbstsicherheit. Rose nickte stumm, konnte es fast nicht glauben, dass dieser sympathische Kuscheltyp mit ihr weggehen wollte. Schön. Als sie den Chinesen verließen, lachten alle Menschen, und sie fand sich ein in den Rhythmus der Stadt.

      Ihre Büronische sah viel freundlicher aus. Nachdem die ersten Kunden anriefen und machbare Aufträge vergaben, stieg Roses Laune weiter. Es war schon erstaunlich, wie abhängig Rose von äußeren Einflüssen war. Dabei war doch alles von ihr vorbereitet. Es war ihr Ausdruck, der die Funken sendete, und die Außenwelt reagierte nur darauf.

       Kapitel 9: Versuchte Liebe zwischen zwei Welten

      Rose war sehr aufgeregt. Gleich würde Ross sie abholen. Ihr Tag verlief sehr entspannt - bis jetzt. Sie hatte lange geschlafen und war nach einer heißen Dusche in eine der Coffee-Läden gegangen, um eine Kleinigkeit zu frühstücken. Hier war schon mächtig Betrieb. Zwischen Kaffee und Times gab es wilde Diskussionen der letzten Ereignisse in der Stadt: ein Latino sprach unablässig auf einen schwarzen Taxifahrer ein, der gar nicht wusste, wie ihm geschah; er sollte falsch herausgegeben haben, ließ sich aber nicht aus seiner morgendlichen Stimmung herausbringen. Rose zog weiter. In einigen Plattenläden war sie dann auf der Suche nach Black Music. Die Drums wummerten in ihr Ohr. Um sie herum waren relaxte Menschen, die ihren freien Tag genossen. Sie fühlte sich schon fast sorgenfrei und unabhängig. Unabhängig von allen Zwängen und eigenen Grenzen im Kopf, die ihr noch zu schaffen machten. Sich treiben lassen, andere Menschen anlächeln. Das übte Rose jetzt. Neben ihr an einem Plattenteller war ein Rasta-Boy mit einer dieser bunten Reggae-Mützen. Er bewegte sich im Takt der Musik und dieser Blickwechsel gab Rose Bestätigung, dass sie